Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Politischer Jahresbericht Pakistan/Afghanistan 2006/2007

7. August 2008
Von Gregor Enste, hbs-Regionalbüro Lahore, Juli 2007

Der vollständige Bericht als PDF-Datei (18 Seiten, 194 KB)

Zusammenfassung

In den fragilen politischen Gesellschaftssystemen beider Länder werden die bisher dominanten Führungspersonen von neuen innenpolitischen Gegenspielern und Kräften massiv herausgefordert. Das politische Überleben sowohl von General Präsident Musharraf in Pakistan als auch Präsident Karzai bis Jahresende ist nicht sicher.

In Pakistan kulminierte die seit Monaten anhaltende Herausforderung des Staates durch militante Islamisten in einer tagelangen blutigen Auseinandersetzung um die Rote Moschee, deren gewaltsamer Ausgang mit über 70 Toten sowohl für die Regierung um General Präsident Musharraf als auch für die Islamistische Bewegung schwer einzuschätzen ist. Er könnte zu einem Fanal werden.

Acht Jahre nach dem Militärputsch von Musharraf entlädt sich in Demonstrationen gegen die vom Militär initiierte Suspendierung des Obersten Richters der aufgestaute Überdruss am politischen System insgesamt. Musharraf hat sein Versprechen, das Land zurück zur Demokratie zu führen, nicht eingelöst. Zum weiteren Prüfstein ist seine anhaltende Weigerung geworden, die Uniform abzulegen und seine Doppelrolle als Präsident und Armeechef aufzugeben.

Politische Reformkräfte jenseits der selbsternannten Kräfte um die Londoner Exil Politiker sind nicht in Sicht. Das Militärregime nutzte die Beteiligung am War on terror auch finanziell zum Machterhalt nach innen, die Armee hat sich wie eine Krake der pakistanischen Gesellschaft bemächtigt und ist nicht nur der größte Arbeitgeber sondern auch der größte Grundstückseigentümer und Immobilienhändler.

Aus der Nordwestgrenzprovinz NWFP verstärkt sich eine Bewegung der offenen militanten Talibanisierung, die neben den bisherigen Stammesgebieten neue Inseln der Rechtlosigkeit und der staatlichen Einflusslosigkeit geschaffen hat. In ganz Pakistan gehen zudem die Islamisten auf die Straße und wollen die Regierung zwingen, auf Distanz zu den USA zu gehen.

Die Zentralgewalt in Islamabad muss dringend die Kontrolle über die Stammesgebiete der FATA entlang der Grenze zu Afghanistan wiedergewinnen und dort Rechtsstaatlichkeit durchsetzen. Taliban-Sympathisanten nutzen diese Regionen als Basis, um von dort aus Pakistan und Afghanistan zu destabilisieren.

Fünf Jahre nach dem Beginn des demokratischen Wiederaufbauprozesses ist Afghanistan von einer Post-Konflikt-Situation in großen Teilen wieder zu einem Konfliktland geworden, dass zudem von einer riesigen Drogenökonomie unterwandert wird.

Der innenpolitische Handlungsrahmen von Präsident Karzai ist zunehmend beschränkt, mit der "National United Front" NUF ist zudem ein politischer Gegenspieler von Regierung und Internationaler Gemeinschaft entstanden. Die innenpolitischen Kräfteverhältnisse in Afghanistan gestallten sich neu, während die Institution Parlament derweil an Legitimität in der Bevölkerung verliert.

Die wachsende Unzufriedenheit über das Vorgehen der internationalen militärischen Verbände und steigende zivile Opferzahlen stellen die bisherigen Erfolge von Sicherheit und Wiederaufbau in Frage. Der angekündigte Strategiewechsel der Geberstaaten ist bislang ausgeblieben.

Bei einem Rückzug der internationalen Staatengemeinschaft aus Afghanistan droht ein Rückfall in einen Bürgerkrieg. Die Taliban sind nur eine von vielen Herausforderungen für die Sicherheit in Afghanistan – neben Korruption, Drogenhandel und Warlords. Ein Abzug würde diese Gesellschaft in einen von Pakistan dominierten pashtunisch-islamistischen Süden und einen intern Krieg führenden Norden fallen lassen.

Schlechte Regierungsführung wird zum Hauptrisiko für Entwicklung und Sicherheit. Die afghanische Regierung und das Parlament müssen daher mehr in die Verantwortung genommen werden. In Afghanistan geht es nicht um das Schicksal der NATO, sondern um das Schicksal Afghanistans, die Hauptverantwortung hierfür tragen die AfghanInnen selbst.

Die Spannungen mit den Nachbarstaaten Pakistan und Iran nehmen zu. Das Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan erlebt nicht nur Krieg zwischen internationalen Koalitionstruppen und militanten Islamisten und Neo-Taliban sondern auch einen Krieg zwischen Moderne und Tradition, zwischen staatlicher Ordnung und lokalen Autonomien.


Inhalt

Zusammenfassung

1. Zentrale Entwicklungen in beiden Ländern

2. Pakistan
Innenpolitik, Talibanisierung, Rote Moschee
Veränderte Politische Arena, Miltitarisierung
Machtkampf, Islamistische Parteien
Außenpolitik

3. Afghanistan
Sicherheitslage, Innenpolitische Arithmetik
Wirtschaft und Drogenökonomie
Außenpolitik

Ausblick


Lahore
Regionalbüro Pakistan, Juli 2006 - Juni 2007
Gregor Enste

Anschrift:
Heinrich Böll Foundation
76 B Nisar Road
Lahore (Cantt.)
54800 Pakistan
Leitung: Gregor Enste

Fon: +92-42 - 66 68 640
        +92-42 - 66 66 322
Fax: +92-42 - 66 64 899
E-Mail: gregor@hbfasia.org
Homepage: http://www.hbfasia.org/pakistan/index.html