Von Sebastian Wienges
Rationale ökonomische Akteure verhalten sich gewinnmaximierend: Das ist zwar nur die Grundannahme des wirtschaftswissenschaftlichen Konstruktes „Homo oeconomicus“, trifft aber als Annäherung zur Beschreibung ganzer Märkte relativ gut zu. Dass solche rationalen, gewinnmaximierenden Akteure Geld für Nachhaltige Entwicklung ausgeben sollen, ist da schon umstrittener. Doch tatsächlich scheint genau dies zunehmend zum dominierenden Trend zu werden.
Nach dem Ende der Blockkonfrontation führten die verschiedenen Prozesse der Globalisierung dazu, dass eine Externalisierung von Kosten oder die Verschiebung des Anfallens von Kosten in die fernere Zukunft kaum noch möglich sind. Effekte ökonomischen Handelns in anderen Teilen der Welt oder für die nächsten Generationen erzeugen durch Migrationen, internationale Konflikte, Terrorismus, über Arbeitsmärkte, Rohstoffmärkte oder Finanzmärkte sehr viel schneller unmittelbare Rückwirkungen. Eine Nachhaltige Entwicklung in allen Teilen der Welt liegt daher zunehmend im Eigeninteresse insbesondere multinationaler Unternehmen und institutioneller Investoren.
Klimawandel - das Marktversagen aller Zeiten
Hinzu kommt ein gerade in den letzten Jahren gewachsenes Verständnis für die komplexen kausalen Zusammenhänge in globalen Systemen bzw. deren Auswirkungen auf regionale, nationale und lokale Systeme. In 2006 stellte Sir Nicholas Stern, wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung und früherer Chief Economist der Weltbank, einen Bericht vor, in dem er zeigte, dass die (zukünftigen) Kosten eines ungehinderten Klimawandels die Kosten (heutiger) Investitionen in Klimaschutz bei Weitem übersteigen würden. Er bezeichnete den Klimawandel als das größte und weitreichendste Marktversagen aller Zeiten. In 2007 gelang es dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erstmalig konsensual mit den beteiligten Regierungsvertretern einen Bericht zu verabschieden, der anerkannte, dass es einen vom Menschen verursachten Klimawandel gibt, dass dieser Klimawandel gefährlich ist, und dass die technologischen und ökonomischen Möglichkeiten vorhanden sind, um gefährlichen Klimawandel zu verhindern.
Aus diesen veränderten Ausgangsbedingungen und dem gewachsenen Verständnis für verschiedene Marktversagen ist ein Marktumfeld entstanden, das einen weitreichenden und grundlegenden Strukturwandel vorbereitet, Risiken nicht-nachhaltiger Entwicklung und späterer Haftung für angerichtete Umweltschäden managt und nach Gelegenheiten für strategische Investitionen in eine Nachhaltige Entwicklung sucht. Auf den Finanzmärkten wächst die Annahme, dass das Klima-Thema der Mega-Trend der nächsten Jahrzehnte werden könnte. Als neue führende Wachstumsindustrie eines Kondratjew-Zyklus kommen Technologien in Frage, die Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Anpassung an und Überwindung von ökologischen Marktversagen unterstützen.
Neue Technologien, neue Anstrengungen
Im Rahmen der Verhandlungen um ein effektives internationales Klimaregime hat sich durchgesetzt, dass ein aktives Engagement des Privatsektors und dessen Ressourcen notwendig sind. Tatsächlich wird seit der Verhandlungsrunde im Dezember 2007 auf Bali nun ein Vorschlag von diversen Akteuren diskutiert, der Wettbewerbsverzerrungen zwischen Konkurrenten aus verschiedenen Ländern minimieren soll. Internationale sektorale Abkommen sollen verbindliche Reduktionsziele für die Emissionen einzelner Industrien vorgeben. Damit hängt der Vorschlag von sogenannten Top-Runner-Programmen zusammen, die den jeweils effizientesten Anbieter einer Branche innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zum verbindlichen Standard für alle Wettbewerber machen. Solch ein Klimaregime könnte ein "Race to the Top" um die effizienteste und nachhaltigste Lösung für eine bestimmte Dienstleistung oder ein bestimmtes Produkt initiieren. Damit werden erstens die nachhaltigen Unternehmer vor kurzfristig billigeren, aber schädlicheren Angeboten von Konkurrenten geschützt. Gleichzeitig würden dabei aber absolute Ge- und Verbote und für Teile der Wirtschaft zu Marktpreisen nicht umsetzbare Regulierungen vermieden. Und zweitens werden Investitionen gezielt in nachhaltige Geschäftsmodelle und Angebote gelenkt. Klimaschutz wird einen neuen "lied marktet" schaffen.
Der globale Klimawandel hat erstmalig eine Situation geschaffen, in der sich die Interessen in Umwelt und Entwicklung verbinden und ein gegenseitiges Eigeninteresse des Nordens und des Südens an der Nachhaltigen Entwicklung in der eigenen Region wie in anderen Regionen der Welt. Denn die Industrieländer haben ebenso wie die Schwellen- und die Entwicklungsländer die Kapazitäten, diesen Planeten unbewohnbar zu machen. Umgekehrt bietet eine Nachhaltige Entwicklung in anderen Regionen der Welt jeder Region neue eigene Wachstumspotenziale und neue Märkte.
Unternehmerische Verantwortung
Zunächst einmal ist es die Verantwortung jedes Unternehmers, sein Geschäft ökonomisch gewinnbringend zu führen. Aber Corporate Responsibility – also die Unternehmensverantwortung – reicht darüber hinaus, ohne dabei philanthropische Ziele von privatwirtschaftlichen Marktakteuren zu verlangen. Denn es gibt eine ganze Reihe von strategisch-rationalen, ökonomischen Motiven für ein Unternehmen, in Nachhaltige Entwicklung zu investieren. Dahinter stehen strategische Überlegungen zum einen des Risikomanagements, zum anderen der Unternehmensentwicklung. Schadensersatzforderungen gegen die US-Zigarettenindustrie geben ein Beispiel aus der Vergangenheit dafür, welche Forderungen Unternehmen erwarten können, denen etwa eine Verantwortung für den Klimawandel zugeschrieben wird. Solche Risiken in heutige Investitionsentscheidungen einzukalkulieren, wird mit zunehmender Sicherheit der Erklärungen für anthropogenen Klimawandel als nachhaltige Unternehmensstrategie im ökonomischen wie ökologischen Sinne verstanden.
Unter diesen Bedingungen wird es selbst für Skeptiker des menschengemachten Klimawandels rational, in Nachhaltige Entwicklung zu investieren. Denn eine solche Investitionsstrategie stärkt die Unternehmensreputation nach innen wie nach außen. Nach innen verbessert sie die Mitarbeitermotivation, nach außen beeinflusst sie Kaufentscheidungen von Kunden positiv, die Beziehungen zu institutionellen Investoren, die längere Anlagehorizonte ihrer beträchtlichen Finanzmittel berücksichtigen müssen, und zu Akteuren des öffentlichen Sektors. Im Verhältnis zur Regierungsseite verbessert Engagement für ökologische und soziale Nachhaltigkeit die Position anderen Wettbewerbern gegenüber in zukünftigen Lizenzvergabeverfahren, um Alternativen zu ineffizienten Regulierungen zu schaffen oder um allgemein Unsicherheiten zu reduzieren.
Nachhaltige Entwicklung - mehr als ein Trend
Es entsteht ein Marktumfeld begrenzter Rationalität, in dem Unternehmen allein schon deshalb in nachhaltige Entwicklung investieren müssen, weil alle anderen das auch tun und es standardmäßig erwartet wird.
Jenseits dieser strategischen Überlegungen von Unternehmen, Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, bietet Nachhaltige Entwicklung aber auch Chancen, Gewinne zu erzielen. Unternehmer beziehen ökologische und soziale Nachhaltigkeit in die Unternehmensentwicklung und Investitionsstrategie mit ein, um Wettbewerbsvorteile zu genießen und möglichst frühzeitig neue Märkte zu erschließen, in denen sie dann noch lange Zeit bei den Konsumenten einen Vorsprung vor Wettbewerbern haben.
Diese Business Opportunities stellen Chancen dar, dort an Wachstum zu partizipieren, wo die Potenziale dazu am größten sind. Insofern bietet nachhaltige Entwicklung Gelegenheiten, global in Joint Ventures zu investieren. Allerdings erfordern viele Investitionsprojekte der nachhaltigen Entwicklung technologische, institutionelle und menschliche Kapazitäten, die lokal nicht vorhanden sind, sich erst noch entwickeln müssen oder grundsätzlich Partner und größere Netzwerke erfordern. Venture Capital, (lokale und technologische) Expertise und Kontakte müssen ineinander greifen.