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Perspektiven für den kommunalen Klimaschutz

2. Oktober 2008
Von Robert Spreter
Von Robert Spreter

Das Klimaschutzziel der Bundesregierung von 2007 einer 40-prozentigen CO2-Minderung bis 2020 im Vergleich zu 1990 ist nur gemeinsam mit den Kommunen erreichbar. Denn wo kann Klimaschutz beginnen, wenn nicht in den Kommunen! Hier kann schnell erkannt werden, an welchen Stellen Öl, Gas oder Strom verbraucht werden, und es können die lohnendsten Einsparungsmaßnahmen festgelegt werden. Ebenso kann der Einsatz von erneuerbaren Energien den Bedingungen vor Ort angepasst und optimiert werden. Es waren einzelne Pioniere in Kommunen, die neue Möglichkeiten des Klimaschutzes vor Ort eingeführt haben und so wirken die Aktivitäten der Kommunen immer auch auf die Bundesebene: Zum Beispiel wäre das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nie ohne kommunale Vorreiter zu Stande gekommen. Aber nur ein Bruchteil der über 12.000 Städte und Gemeinden in Deutschland ist Vorreiter. In den meisten Kommunen wird erst heute langsam verstanden, wie wichtig der Beitrag jeder einzelnen Kommune für den Klimaschutz ist.

Energiemanagement: Der Schlüssel zum Erfolg

Bereits 1998 hat die Deutsche Umwelthilfe einen Kommunalwettbewerb zum Thema Klimaschutz ausgerichtet; im Jahr 2006 wurde dann die „Bundeshauptstadt im Klimaschutz“ ausgeschrieben. Beide Male gewann Münster vor Freiburg, ein Indiz dafür, dass gerade in den aktiven Großstädten Klimaschutz nicht nur eine Eintagsfliege ist, sondern ein sehr langfristig ausgerichtetes Programm dahinter steht. Die Basis für ein umfassendes Klimaschutzprogramm ist dabei immer das Energiesparen und als dessen Grundlage das Energiemanagement der eigenen Liegenschaften. Ohne massive Einsparungen beim Energieverbrauch in den nächsten Jahrzehnten ist das Fernziel 100% erneuerbare Energien sicher nicht zu erreichen. Bevor eine Kommune aber beginnt, ihre Bürger/innen zum Energiesparen aufzufordern, sollte sie immer erst bei ihren eigenen Liegenschaften mit dem Einsparen beginnen, um als Vorbild wahrgenommen zu werden.

Das Energiemanagement hat vor allem in einigen Großstädten schon eine lange Tradition. In Hamburg geht die erste Einführung des Energiemanagements zum Beispiel auf das Jahr 1923 zurück: Damals wurden dem Heizamt die Aufgaben eines Energiemanagements übertragen. Viele Großstädte begannen in den 70er Jahren in der ersten Energiekrise mit der Einführung eines Energiemanagements. Städte wie beispielsweise Frankfurt am Main beweisen, dass die Ausgaben für das Energiemanagement über die Energieeinsparung refinanziert werden können. Bei den in den letzten Jahren immer weiter steigenden Energiepreisen ist dies immer leichter zu erreichen. Jeder Kämmerer einer Kommune, die heute noch auf ein Energiemanagement verzichtet, kann sich der Frage nicht erwehren, warum er eine solche Einnahmequelle ignoriert. Der unterschiedliche Umfang des Energiemanagements in Kommunen ist sehr erheblich. Während es in Vorreiterkommunen wie Münster, Freiburg, Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart, Nürnberg und einigen weiteren ganze Abteilungen gibt, die in professioneller Weise Energiemanagement betreiben, ist manch andere Stadt noch ganz am Anfang. Auch einige Großstädte mit weit über 100.000 Einwohnern verfügen nur über ein sehr rudimentäres Energiemanagement mit völlig unzureichender personeller Ausstattung.

Je kleiner die Kommunen sind, umso seltener wird man ein professionell eingeführtes Energiemanagement antreffen. In vielen kleinen und mittleren Kommunen bezahlt nur der Kämmerer die Energierechnung, ohne dass diese je hinterfragt wird. Die Energieverbräuche der einzelnen Gebäude sind oft gar nicht bekannt. Auch außergewöhnlich hohe Verbräuche, zum Beispiel durch fehlerhaft eingestellte Heizungsanlagen, werden nicht bemerkt. Der Wettbewerb „Bundeshauptstadt im Klimaschutz“ hat gezeigt, dass gerade kleine und mittlere Kommunen sehr viel Energie einsparen können. Städte und Gemeinden wie Nordhausen (45.394 EW), Königsfeld (6.176 EW), Ascha (1.547 EW), Lippstadt 61.459 EW, und Gera (103.948 EW) haben jeweils über 35% Einsparung im Wärmebereich zwischen den Jahren 2000 und 2005 zu verzeichnen. Im Schnitt konnten die 78 Kommunen, die am Wettbewerb teilgenommen haben, 12,1% der Wärmeenergie zwischen den Jahren 2000 und 2005 einsparen. Im Strombereich gab es zwar auch drei Kommunen, die mehr als 20% des Stromverbrauchs zwischen den Jahren 2000 und 2005 eingespart haben, im Schnitt hat sich der Stromverbrauch aber bei den Teilnehmerkommunen um 1% erhöht. Beim Stromverbrauch sind Einsparungen viel schwerer zu erzielen bzw. die erzielten Einsparungen werden oft durch die Neuanschaffung elektrischer Geräte, vor allem in der EDV, wieder neutralisiert. Bei der Bewertung der Zahlen muss man beachten, dass am Wettbewerb meist nur die Klimaschutzvorreiterkommunen teilgenommen haben. Die Nachzügler haben sich diesem Wettbewerb in der Regel nicht gestellt.

Ein Schlüssel für ein erfolgreiches Energiemanagement ist die Einstellung fachkundigen Personals. Die erfolgreichen Klimaschutzkommunen haben in der Regel motivierte und kompetente Energiemanager, die mit eigenen Ideen den Klimaschutzprozess nachhaltig vorantreiben. Auch die Einführung von Contracting-Maßnahmen ist für eine Kommune viel einfacher, wenn die eigenen Leute die oft sehr komplizierten Vorgänge durchschauen. Für Investitionen in Erneuerbare Energien ist es ebenfalls sehr hilfreich, wenn erfahrene Energiemanager in der Verwaltung arbeiten. In kleinen Kommunen unter 20.000 Einwohner kann oft kein spezialisiertes Personal eingestellt werden. Das hat zur Folge, dass in vielen Fällen externe Dienstleistungen eingekauft werden müssen. Hier können sich aber Kommunen zusammentun oder zum Beispiel eine kreisweite Energieagentur gründen, die kommunales Energiemanagement als ein Aufgabengebiet wahrnimmt.

Kleine Kommunen bei Erneuerbaren ganz groß

Gerade in den kleineren Kommunen ist die Rolle des Ehrenamts sehr wichtig. Der Wettenberger Energiebeirat ist ein Beispiel dafür, wie eine kleine Kommune sich das Fachwissen engagierter Bürger für ein umfassendes Klimaschutzkonzept zu Nutze machen kann. Wettenberg (12.430 EW) ist unter den Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern im Klimaschutz eine absolute Vorreiterkommune in Deutschland. Das Geheimnis der Wettenberger liegt im politischen Willen der Gemeinde, etwas für den Klimaschutz und für den gesamten Natur- und Umweltschutz zu tun, einem engagierten Sachbearbeiter und der Einbeziehung vieler aktiver ehrenamtlicher lokaler Akteure. Hier haben es kleine Kommunen leichter als die eher anonymen Großstädte.

Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien sind es häufig die kleinen Kommunen, die Erstaunliches leisten, zum Beispiel in Form von einigen 100%-Erneuerbare-Energien-Gemeinden wie Jühnde oder Mauenheim. Kleine Kommunen haben oft gute Voraussetzungen für den Einsatz von Erneuerbaren Energien, sei es für Wind, Solar, Biomasse oder Erdwärme. Im Bereich der Erneuerbaren Energien können Kommunen Antreiber sein, indem sie in eigene Anlagen investieren oder private Anlagen initiieren. Sie können aber auch als Bremser wirken und die Erneuerbaren Energien zum Beispiel im Rahmen der Bauleitplanung verhindern. Das lokale politische Klima, aber auch die übergeordneten Planungsebenen, wie z.B. die Regionalplanung, sind daher mitentscheidend für die Möglichkeiten zum Einsatz Erneuerbarer Energien, auch wenn die Kommune nicht zwangsläufig selber als Investor auftritt.

Ein echter Problemfall für den kommunalen Klimaschutz ist der Verkehrsbereich. Hier wurden in vielen Kommunen große finanzielle Anstrengungen unternommen, um einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr aufzubauen und zu erhalten. Trotzdem ist der Anteil des Autoverkehrs weiter gestiegen. Durch kurzfristige Maßnahmen können die Kommunen hier leider nur wenig erreichen, allerdings haben sie im Rahmen der Bauleitplanung viele Einflussmöglichkeiten. Langfristig ist vor allem die Siedlungsstruktur der Stadt für das Verkehrsaufkommen entscheidend. Hier können Kommunen durch die konsequente Umsetzung eines Leitbilds der „kurzen Wege“ und umfassende Nachverdichtung viel erreichen und ihren Bürgerinnen und Bürgern damit den Verzicht auf den motorisierten Individualverkehr erleichtern.

„Fifty/Fifty“ für alle!

Ein entscheidender Punkt für die Weichenstellung des zukünftigen kommunalen Klimaschutzes ist die Frage, warum erprobte, lohnende und funktionierende Konzepte nicht flächendeckend eingeführt werden. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten „Fifty/Fifty–Projekte“ an Schulen. Bei diesen Modellen erhalten die Schulen in der Regel 50% der eingesparten Energiekosten. Einsparungen von 10 bis 20% des Wärmeverbrauchs sind dabei keine Seltenheit. Von den 78 Teilnehmerkommunen am Wettbewerb „Bundeshauptstadt im Klimaschutz“ haben 53% der Kommunen ein solches Projekt umgesetzt. Auf alle deutschen Kommunen bezogen sind es sicher weit weniger als 50 Prozent der Kommunen, die ein solches Projekt durchführen.

Viele erfolgreiche Konzepte sind bekannt und erprobt, trotzdem werden sie nur in einem Bruchteil der Kommunen umgesetzt. Die erfolgreichsten Modellprojekte in einzelnen Kommunen bleiben wirkungslos, wenn die große Mehrheit der Kommunen auf dem Stand verharrt, den die Vorreiterkommunen bereits in den 80er Jahren erreicht hatten. Ein wichtiger Schritt hier weiterzukommen, wäre die flächendeckende Einrichtung lokaler unabhängiger Beratungseinrichtungen. Das aktuell sehr große Interesse am Klimaschutz macht jedoch Hoffnung, dass eine ansteigende Zahl von Kommunen wirkungsvoll in den kommunalen Klimaschutz einsteigen wird.


Robert Spreter ist Leiter Kommunaler Umweltschutz bei der Deutschen Umwelthilfe e.V.

Dossier

KlimaKommunal: Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter

Alle Kommunen in Deutschland werden aufgefordert, klimapolitisch aktiv zu werden. Die anlässlich des kommunalpolitischen Bundeskongresses am 24.-25. Oktober vorgestellte Münsteraner Erklärung  "Städte und Gemeinden als Vorreiter für den Klimaschutz" und aktuelle Beiträge zum kommunalen Klimaschutz finden Sie in unserem Dossier.