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Die neue rechte Herausforderung. Rechtsextremismus in Europa und Deutschland

Lesedauer: 3 Minuten
7. Oktober 2008

29. April 2005

Die späten 1960er Jahre, als die NPD erfolgreich in mehrere westdeutsche Landesparlamente eingezogen war, galten noch vor wenigen Jahren als Relikt einer fernen Vergangenheit – einer Zeit, in der die Demokra-tie noch nicht gefestigt und verinnerlicht war. Der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag im letzten Jahr hat die Situation in der öffentlichen Wahrnehmung spürbar verändert, obwohl  die Vorboten für die neue rechte Herausforderung auch in der „späten“ Bundesrepublik längst sichtbar waren. 1989 waren die Republikaner zum ersten Mal in das Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen, im gleichen Jahr in das Euro-pa-Parlament. Seitdem häuften sich – regional und zeitlich begrenzt – Wahlerfolge rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien, wobei die Übergänge häufig fließend sind. Tatsächlich kann seit den Wahlerfolgen für die NPD in Sachsen und die DVU in Brandenburg das Phänomen nicht länger als temporärer Betriebs-unfall abgetan werden, und die Hoffnung auf eine zuverlässige Selbstzerlegung der rechtsextremen Partei-en ist brüchig geworden.

Die hiesigen Deutungen der rechtsextremen Wahlerfolge sind stark durch den Bezug auf die deutsche Ge-schichte geprägt. Gleichwohl haben wir es hier nicht einfach mit historisch sich wiederholenden Konstellati-onen und Phänomenen zu tun, sondern mit „modernen“ Entwicklungen, die ihre  Entsprechung in vielen europäischen Ländern finden. Seit den achtziger Jahren hat sich in einer Reihe von europäischen Nachbar-ländern eine neue Familie von rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Parteien herausgebildet, die bis weit in die Mitte ihrer Gesellschaften vorgestoßen sind.

Bisher waren in Deutschland rechtsextreme Parteien und ihre Themen im öffentlichen Diskurs weitgehend marginalisiert. Die jüngsten Wahlerfolge der rechtsextremen Parteien deuten jedoch eine gewisse Verände-rung an. Mittlerweile stellt sich die Frage, ob soziale Abstiegsängste bis in bürgerlichen Milieus, die Rückbe-sinnung auf eine deutsche nationale Identität (Patriotismusdebatte) und das von einem Teil der Medien geschürte Misstrauen in die Parteien und die politische Klasse (mit Stichworten wie Korruption, Unfähigkeit, Selbstbedienungsmentalität) zu einer politischen Stimmung beiträgt, die rechtsextreme und rechtspopulisti-sche Positionen auch in der Mitte der Gesellschaft salonfähig macht. Diese Frage stellt sich besonders scharf in Ostdeutschland.

Bei dem Werkstattgespräch geht es uns in erster Linie um die Analyse von Ursachen und Wirkungen, weil hier durchaus kein Konsens gegeben ist. Aus der Analyse können sich dann Ansatzpunkte für operative Strategien und für eine „grüne“ Antwort auf die neue rechte Herausforderung entwickeln.

Die Diskussion wird entlang der folgenden Fragen verlaufen:

  • Welche politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben die Wahlerfolge rechtspopulisti-scher/rechtsextremer Parteien in Europa und Deutschland begünstigt?
  • Gibt es in Deutschland einen „Rechtsextremismus der Mitte“?
  • Welche Faktoren bedingen den Erfolg des rechtsextremen „Biedermeiers“?
  • Welche „rechten“ Diskurse und Themen, die ein Unterfutter für rechtsextreme Tendenzen bilden, sind bis in die politische Mitte hinein gesellschaftsfähig? 

ReferentInnen

Prof. Dr. Lothar Probst, Universität Bremen, Grüne Akademie   
Prof. Dr. Hans-Georg Betz, Canadian Centre for German and European Studies, York University, Toronto/ Kanada; Université de Genève, Genf 
Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter,Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
Astrid Günther-Schmidt, Sächsischer Landtag, Bündnis90/ Die Grünen
Claudia Schmid, Leiterin Abteilung Verfassungsschutz (Senats Verwaltng für Inneres) Berlin
Dr. Gabriele Kämper, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Senat Berlin

Das Werkstattgespräch wurde im Rahmen der Schriftenreihe der Grünen Akademi veröffentlicht, und ist als Download verfügbar.