Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Filmmakers Against Racism

Don Edkins, südafrikanischer Produzent und Mitbegründer der FAR

11. Februar 2009
Von Johannes Kode
Sie sind hier auf der Berlinale als Mitglied der Initiative FILMMAKERS AGAINST RACISM (FAR), die Fremdenfeindlichkeit in Südafrika thematisiert. Wann – und wie – haben Sie begonnen, an dem Thema zu arbeiten?

Don Edkins: Wir begannen unsere Arbeit kurz nachdem die Ausschreitungen im Mai letzten Jahres begonnen hatten. Eine Reihe von Dingen kam damals zusammen. Wir bemerkten, dass - obwohl es viele fremdenfeindliche Angriffe zuvor gegeben hatte - diese doch nie in diesem Maße aufgetreten waren. Fremdenfeindlichkeit beobachten wir seit vielen Jahren in Südafrika, aber sie war nie derart über das ganze Land verteilt, sie hatte sich nie zuvor so schnell ausgebreitet und es hatte nie so viel Gewalt in so kurzer Zeit gegeben. Es war interessant zu sehen, wie schnell sich alles ausweitete, nachdem es in Alexandra Township (Johannesburg) begonnen hatte. Ein Geschehnis führte zum anderen. In gewisser Weise nährten sich die Geschehnisse gegenseitig. Wir mussten etwas tun. Zuerst gingen wir zu Orten, wo Flüchtlinge campierten, da sie gezwungen worden waren, ihre Häuser zu verlassen. Wir befragten sie, weil wir von ihnen hören wollten, was sie erlebt hatten. Wir dachten, dass dies der beste Weg sei, einen kurzen Film zu drehen und diesen dann auf YouTube.com hoch zu laden.

War dies der erste Schritt des Projektes FILMMAKERS AGAINST RACISM?

Don Edkins: Ein paar Dinge kamen noch hinzu. Einer unserer Kollegen, ein Filmemacher aus Mozambique, schrieb uns eine Email und fragte: "Warum macht Ihr nichts dagegen, wie könnt Ihr abwarten, während meine Mitbürger in Eurem Land angegriffen werden?" Damit rüttelte er uns auf und so kam es, dass wir anfingen, zu diskutieren: "Was sollen wir tun?" Wir entschieden uns, den Verbund FILMMAKERS AGAINST RACISM zu gründen, um alle Bemühungen zu koordinieren, um gemeinsam etwas gegen Fremdenfeindlichkeit zu unternehmen und um einen größeren Effekt als Gruppe zu erzielen. Wir wollten schnellstmöglich eingreifen.

Anfang Februar wurde bekanntgegeben, dass im April in Südafrika gewählt wird. Welche Rolle spielt das Thema Fremdenfeindlichkeit für südafrikanische Politiker?

Don Edkins: Ich denke, eines der Probleme ist, dass es von politischer Seite kaum angesprochen wird. Mbeki, als er noch Präsident war, meinte: "Es gibt keine Fremdenfeindlichkeit in Südafrika." Während die Politiker das Problem bisher nicht erkannt haben und schweigen, waren gesellschaftliche Gruppen sehr schnell organisiert. Es war gut, zu sehen, dass die Bürger unmittelbar auf die Situation reagiert haben. Dies zeigt, dass die Zivilgesellschaft etwas ist, auf das wir zählen können, wenn die Regierung nichts unternimmt.

Die Tatsache, dass die Regierung sich nicht in die Eindämmung der Ausschreitungen eingebracht hat, war 2008 ein großes Thema in der Öffentlichkeit. Was denken Sie darüber?

Don Edkins: Wir waren sehr enttäuscht. Politiker sollten viel mehr Initiativen in Bezug auf diese schwerwiegenden, sozialen Probleme ergreifen - insbesondere wenn wir über die südafrikanische Geschichte nachdenken - einer sehr gewalttätigen, rassistischen Geschichte. Es gibt keine Entschuldigung dafür, die Tatsache nicht anzusprechen, dass andere Afrikaner gewalttätig angegriffen werden. Im Gegenteil, diese Menschen sollten viel mehr respektiert werden, sie sollten den Status erhalten, den sie verdienen, entweder als Migranten oder als Flüchtlinge.

Südafrika hat heute eine Arbeitslosenquote von knapp unter 25 Prozent. Hat Südafrika zu viel Toleranz gezeigt, immer noch die Offene-Grenzen-Politik verfolgend, eventuell die eigene Bevölkerung ökonomisch zu sehr belastend?

Don Edkins: Als Südafrika noch mit der Apartheid gekämpft hat, waren seine Bürger in anderen afrikanischen Ländern willkommen geheißen. Deshalb ist es sehr wichtig für Südafrika, zurück zu gehen und zu sagen: "Seht, Ihr habt uns eingeladen während unserer inneren Schwierigkeiten, wir laden Euch ein während Eurer inneren Schwierigkeiten." Wir müssen zusammenhalten, da es in Afrika viele gewalttätige Konflikte und wirtschaftliche Nöte gibt. Jetzt wird Südafrika als ein Land wahrgenommen, das sich schneller entwickelt hat als viele andere Länder, und darum gibt es diesen Sog für viele Menschen, in Südafrika ihr Glück zu versuchen. Die Flüchtlinge kommen aber auch aus anderen Gründen. Zum Beispiel flohen zahlreiche Menschen vor der Gewalt in Simbabwe. Viele Menschen gehen nach Südafrika, weil die Probleme in ihren Ländern nicht gelöst werden konnten. Es ist ein sehr komplexer Sachverhalt, da wir die Außenpolitik mit einbeziehen müssen.

Ist es also mehr die Politik der Nachbarstaaten, um die sich Südafrika kümmern sollte?

Don Edkins: Die Nachbarstaaten sind Teil des Problems. Südafrika hat zum Beispiel zu spät erkannt, dass die Krise in Simbabwe Südafrika selbst tangiert hat. Wir haben heute 3 Millionen Menschen aus Simbabwe in Südafrika. Wir sehen die Probleme in Simbabwe, aber wir sehen nicht, was bei uns damit passiert. Die Zahl der Migranten wächst so rapide, dass Südafrikaner, die selbst keine Arbeit finden, davon beeinflusst werden. Wenn jemand den Job bekommt, den Du haben willst, dann beginnst Du Dich gegen diese Person zu wenden. Die südafrikanische Regierung hat dies nicht als etwas angesehen, das Anlass zu einem Konflikt geben könnte. Es war aber offensichtlich eine Situation, die zur Eskalation beigetragen hat.

Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass das Projekt FILMMAKERS AGAINST RACISM für Mitgefühl und Solidarität mit jenen plädiert, die Zuflucht in Südafrika suchen. Wie können Filme dazu beitragen?

Don Edkins: Auf zwei Ebenen: Erstens, indem Sie den Menschen, die zu Opfern wurden, eine Stimme verleihen, so dass sie anderen Menschen erzählen können, was sie erlebt haben und wie die Situation gewesen ist. Zweitens, indem diese Stimme in die südafrikanische Öffentlichkeit getragen wird, damit diese darüber nachdenkt und die Frage stellt: "Warum hat dies angefangen und was können wir dagegen tun?" Indem wir Filme machen, dachten wir, dass wir beides verbinden können — Opfern eine Stimme zu geben und diese in die Öffentlichkeit bringen.

Sind Sie und Ihr Projekt letztlich nur ein neutraler Beobachter—oder gibt es eine Art Rückwirkung auf die Protagonisten und die involvierten Menschen? Wo haben Sie die Filme bisher gezeigt? Welche Reaktionen haben Sie von jenen bekommen, die in den Filmen zu sehen sind und sich dann letztlich selbst in den Filmen wiedererkannt haben?

Don Edkins:  Einige von uns hatten Erfahrung im Produzieren von Filmen über die Apartheid, um damals die Welt wissen zu lassen, was passiert und zugleich Druck auf Südafrika aufzubauen, um den Wandel herbeizuführen. Filme dienen u. a. dazu, Situationen der Ungerechtigkeit und der Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Heute können wir dieselbe Strategie anwenden. Unsere Filme sind dazu da, eine Debatte über etwas, das in unserer Gesellschaft stattfindet, anzustoßen. Das ist eine Rückwirkung, denn die Filmen verändern die Gedanken und, am Ende, die Taten. Einige, die in unseren Filmen zu sehen sind, sendeten die Filme in ihre Heimatländer, um die Menschen dort sehen zu lassen, was passiert ist. Die Filme wurden, außer in Südafrika, auch in den Nachbarländern gezeigt.
Leider haben die Übergriffe noch nicht aufgehört. Sie dauern auch weiterhin in einigen Teilen Südafrikas an, wenn auch nicht im selben Umfang wie letztes Jahr.

Die Protagonisten in den Filmen waren froh, dass es diese Filme gibt, aber sie möchten auch, dass die Filme gesehen werden, damit ihre Geschichte erzählt wird.

Wie werden die vier Filme der Initiative hier auf der Berlinale wahrgenommen?

Don Edkins: Ich denke, die Filme haben einen Einblick in die Geschehnisse in Südafrika vermittelt, außerhalb konventioneller Berichterstattung. Als einige Menschen die Filme sahen, waren Sie betroffen von der Situation in Südafrika. Das können wir mit Dokumentarfilmen erreichen: Man gelangt sehr viel tiefer in ein Thema. Außerdem können Fragen gestellt werden, die sonst nicht von Massenmedien thematisiert werden. Wir wollen Menschen dazu bringen, über ähnliche Situationen in ihrer eigenen Gesellschaft nachzudenken. Fremdenfeindlichkeit gibt es weltweit, aber wie gehen wir mit ihr um?

Das Interview führte Johannes Kode, Heinrich-Böll-Stiftung

Foto: "FILMMAKERS AGAINST RACISM" von l.n.r.: Riaan Hendricks, Marianne Gysae, Adze Ugah, Danny Turken, Omelga Mthiyane, Andy Spitz, Rehad Desai
© Alexander Janetzko

"Xenophobie in der Regenbogennation"

Im Forum der diesjährigen Berlinale wurden diese Woche vier Filme aus Südafrika gezeigt, die im Rahmen des Projektes „Filmmakers Against Racism“ entstanden sind. Die Heinrich Böll Stiftung Südliches Afrika hatte zwei der Filme bereits unterstützen können, die Diskussion mit den Filmemachern im Rahmen des Talent Campus und ein Mittagsgespräch mit Vertretern der deutschen Politik, Medien und Wirtschaft in der Böll-Stiftung drehte sich um das Thema "Xenophobie in der Regenbogennation".

Perspectives: Political Analysis and Commentary from Southern Africa 03/2008

Xenophobia in South Africa
Download the complete 03/2008 edition of "Perspectives" as a pdf file (16 pages, 248 KB)

Perspectives: Political Analysis and Commentary from Southern Africa 01/2009

Migration and Human Rights
Download the complete 01/2009 edition of "Perspectives" as a pdf file (20 pages, 228 KB)