Tütün Deposu, Istanbul, 14. März 2009
Sehr geehrte Vorsitzende,
sehr geehrte Jury Mitglieder,
sehr geehrte Kläger und Klägerinnen,
das Wassertribunal hat heute sein Urteil gesprochen. Das Urteil zu den einzelnen Fällen wird Ihnen die gewählte Vorsitzende der Jury, Frau Pelin Batu, vorstellen. Ich möchte mich auf zentrale Feststellungen zur Bedeutung des Gerichtsverfahrens und der Wasserproblematik, wie sie durch diese Fälle exemplarisch deutlich wurden, beziehen:
- Das Tribunal war von unabhängigen Jury-Mitgliedern besetzt. Die Jury hat sich an die international gültigen Standards für Gerichtsverfahren gehalten und auf Basis geltenden Rechts geurteilt.
- Das Tribunal ist erforderlich, weil die Justiz häufig versagt und nationales sowie internationales Recht verletzt oder ignoriert. Die Bevölkerung wird in zahlreiche Gerichtsverfahren verwickelt und kommt am Ende dieser langen Kette doch nicht zu ihrem Recht. Gegenüber internationalen Konsortien, Wirtschaftsunternehmen und gegenüber den Regierenden sind die BürgerInnen eines Landes häufig machtlos. Sie müssen zusehen, wie ihre natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden. Sie müssen ihre Heimat, Haus und Hof verlassen und sich an andere Orte verlegen lassen, wie eine Ware. Sie wissen das Recht auf ihrer Seite und können es dennoch nicht durchsetzen.
- Die Angeklagten aus der Türkei – Umweltminister, Energieminister, Ministerpräsident und Direktor der staatlichen Wasserbehörde – sie alle haben das Wassertribunal ignoriert: Alle angeklagten Institutionen und Persönlichkeiten aus der Türkei wurden am 19. Februar 2009 schriftlich über das Tribunal informiert und zur Stellungnahme
aufgefordert. Sie alle haben zu den Anklagepunkten geschwiegen. Das türkische Umweltministerium hat bei fernmündlichen Versuchen am 6. März, kurz vor Beginn des Tribunals, eine nicht überzeugende Haltung an den Tag gelegt: Das Umweltministerium fühlte sich nicht für die Staudammprojekte zuständig und verwies an die staatliche Wasserbehörde (DSI). Der dortige Generaldirektor verwies an den Zuständigen für Staudammprojekte. Dieser war telefonisch nicht zu erreichen.
Eine derartige Haltung kann nicht folgenlos bleiben: Wie soll man als Bürger bei einer solchen Politik noch Vertrauen in das Recht und die Legitimität der gewählten Vertreter haben. Wenn selbst internationale Tribunale nicht zu den Verantwortlichen durchdringen. Was macht dann ein normaler Bürger? - Auch die international angeklagten Institutionen und Regierungsvertreter/innen haben sich nicht ihrer Verantwortung gestellt. Nur die Export-Kredit-Agenturen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich haben in einer gemeinsamen Stellungnahme am 5. März 2009 auf die Anklage im Fall Ilisu Staudamm geantwortet. Darin stellen sie klar, dass die Bauarbeiten an dem Ilisu Staudamm ausgesetzt wurden bis die Regierung die Schritte zur Erfüllung der Kriterien erfüllt hat. In dem Schreiben heißt es, dass „die (von den Klägern) geforderte Aussetzung des Staudamm-Baus bereits in die Tat umgesetzt worden sei bis alle internationalen Standards erfüllt sind.“ Auch wenn die Tatsache, dass die Agenturen überhaupt geantwortet haben, Beachtung verdient. Die Antwort mag nicht überzeugen. Seit Jahren sind im Fall des Ilisu Staudammes die Konditionen nicht erfüllt und dennoch wurde der Bau begonnen und erste Zerstörungen an Umwelt und Umgebung begangen. Wieso kam
diese Unterbrechung erst so spät? Wer garantiert, dass dieses Mal die Einhaltung der Kriterien wirklich überprüft wird? Wie kann man noch darauf vertrauen, dass die Agenturen es dieses Mal mit ihren Konditionen ernst meint? - Die türkische Regierung scheint einem Staudamm Feschismus zu unterliegen. Mit Verstand kann man diese ökonomisch, sozial und ökologisch sinnlose Politik, einen Staudamm nach dem anderen zu bauen, nicht mehr erklären. Weltweit steht die Türkei mit ihren zahllosen Staudammvorhaben an einer der obersten Stellen. Das ist wahrlich kein Grund, stolz zu sein! Alle vorgelegten Kalkulationen und Feasability Studien haben gezeigt: Ökonomisch machen diese Staudamm-Vorhaben keinen Sinn. Auch aus energiepolitischer Sicht sind diese Vorhaben nicht zu erklären. Die türkische Regierung verschwendet Millionen Euro ihres Etats folglich für wirtschaftlich sinnlose Projekte. Damit steht die Frage im Raum, worum es der türkischen Regierung überhaupt geht. Sitzt sie wirklich einem Modernisierungsfetischismus auf, der kurzfristig möglicherweise Arbeitsplätze schafft, aber die ökologische, kulturelle und soziale Zukunft von Generationen aufs Spiel setzt? Wie kann sich eine Regierung angesichts großer sozio-ökonomischer Probleme und der wirtschaftlich prekären Lage für derartige Projekte entscheiden? Hat sie damit lediglich den kurzfristigen Gewinn bestimmter Unternehmen im Auge?
- Bereits seit Jahren steigt die Wasserknappheit in der Türkei. Die Wasserreservoire sinken kontinuierlich. Große Seen trocknen vollkommen aus. Die landwirtschaftliche Produktion ist bereits jetzt von dieser Wasserknappheit betroffen. Die Bauern versuchen verzweifelt, auf den ausgetrockneten Böden anzubauen. Aber die Samen können angesichts der Trockenheit nicht reifen. Jährlich müssen immer mehr Bauern ihre Ländereien verlassen und dort Arbeit
und Einkommen suchen, wo noch geerntet werden kann. Oder sie migrieren in die Großstädte wie Istanbul, auf der Suche nach Arbeit. Die geplanten Staudammprojekte werden weitere Flüsse austrocknen, zur Versalzung der landwirtschaftlichen Anbauflächen beitragen. Will die Regierung etwa damit ihren Anteil landwirtschaftlicher Produktion auf dem Weg in die Europäische Union reduzieren? Will sie die ländliche Bevölkerung auf diese inhumane Weise zwingen, ihre Betriebe aufzugeben? - Das Beispiel Mexiko zeigt, wie im Zuge der Liberalisierung der Ökonomie und durch das Freihandelsabkommen NAFTA die Landwirtschaft zunehmend ruiniert wurde, wie die Mega-Cities wie Mexiko City mit über 22 Millionen Einwohnern durch den Zuzug der Landbevölkerung überfordert wird und die Bevölkerung in die Armut getrieben wird. Die Parallelen zwischen Mexiko und der Türkei sind erschreckend. Wir hoffen, dass sich beide Länder auf eine Politik besinnen, die sozial gerecht, umweltfreundlich und wirtschaftlich sinnvoll ist und verantworlich mit den Lebensgrundlagen der kommenden Generationen umgeht.
- Die Privatisierung des Wassers gefährdet den Zugang zu Wasser insbesondere für die Armen dieser Gesellschaft. Sie riskiert einen sinnlosen, allein auf Gewinnmaximierung orientierten Verbrauch der Lebensgrundlage Wasser. Bereits jetzt müssen in einigen Stadtvierteln von Istanbul die Bürger und Bürgerinnen ihr Wasser im Voraus bezahlen. Wer dazu nicht in der Lage ist, dem wird der Wasserhahn zugedreht. Die von Armut betroffene Bevölkerung kann es sich jetzt schon nicht leisten, das saubere Trinkwasser zu kaufen. Soll ihr jetzt auch noch das nicht saubere Wasser aus den Leitungen abgedreht werden?
Wir fordern die Regierungen auf, das Recht auf Wasser nicht zu verletzen. Wir fordern eine Wasserpolitik, welche die Lebensgrundlagen der zukünftigen Generationen nicht zerstört, welche das ökologische, soziale, kulturelle und wirtschaftlich Überleben sichert.
Öffentliche Anhörungen und Urteilssprüche in englischer Sprache:
Integrated Solutions to the Water, Agriculture and Climate Crises
by Shiney VargheseInstitute for Agriculture and Trade Policy
Minneapolis, Minnesota
The dramatic convergence of multiple crises - global warming, hunger and depletion of natural resources such as water - compels us to shift from the dominant industrial agriculture model and consider a new way forward. Because agriculture is multifunctional (i.e., food, feed, fibers, biofuels, medicinal products, environmental services, landscape amenities, social and cultural values), it could play a critical role in addressing global challenges related to climate, water, social justice and food.
This year, three major international meetings seek to identify solutions to the water, food and climate crises: the World Water Forum (March), the UN Commission on Sustainable Development (May)
and the United Nations Framework Convention on Climate Change (December). The time is ripe to identify the interconnections between the three crises and develop complementary policy options and
action steps.
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