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Memorial erhält den Sacharow-Preis des Europaparlaments

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22. Oktober 2009

Der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung gratuliert der russischen Bürgerrechtsorganisation Memorial und insbesondere Oleg Orlow, Sergej Kowaljow und Ludmila Alexejewa, zur Auszeichnung mit dem diesjährigen Sacharow-Preis des Europaparlaments. Mit der Ehrung wird Memorial und stellvertretend allen Menschenrechtsorganisationen in Russland Mut für ihre schwierige und gefährliche Arbeit gemacht.

Internationale Anerkennung für die Arbeit von Memorial ist essenziell

"Angesichts der jüngsten Morde an Menschenrechtlern und Menschenrechtlerinnen, darunter der Memorial-Mitarbeiterin Natalja Estemirowa, ist die  internationale Anerkennung für die Arbeit von Memorial besonders wichtig", betonte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.  "Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Memorial und alle anderen Menschenrechtler und Menschenrechtlerinnen in Russland bürgen unter hohem persönlichen Risiko dafür, dass Menschenrechtsverletzungen beim Namen genannt werden und die russische Staatsmacht nicht aus ihrer Mitverantwortung für die Gewalt im Nordkaukasus, aber auch in anderen Regionen des Landes entlassen wird."

Memorial wurde von dem verstorbenen Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow gegründet, nach dem auch der Preis des Europaparlaments benannt ist. Als ein Netzwerk von über hundert Organisationen in Russland, Usbekistan, Lettland, Deutschland und der Ukraine engagiert sich Memorial seit über 20 Jahren dafür, dass Menschenrechtsverletzungen in der Sowjetunion und heute in Russland nicht in Vergessenheit geraten. Ein Hauptanliegen von Memorial ist deshalb auch die umfassende Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit des Landes. Die Organisation hat sich im schwierigen Demokratisierungsprozess Russlands einen Namen als unbestechliche Anwältin von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gemacht.

Monitoring von  Menschenrechtsverletzungen

Bis Sommer 2009 betrieb Memorial ein umfassendes Monitoring von  Menschenrechtsverletzungen in der nordkaukasischen Krisenregion über ihre Büros in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan. Erst der Mord an Natalja Estemirowa zwang die Organisation dazu, Büros zu schließen und das Monitoring einzuschränken. In den vergangenen Jahren wurde die Organisation in Russland immer wieder politisch angegriffen und musste sich gegen staatliche Übergriffe zur Wehr setzen. "Die Heinrich-Böll-Stiftung hofft sehr, dass der Sacharow-Preis dazu beiträgt, dass Memorial in Zukunft ihrer Arbeit nachgehen kann, ohne von staatlicher oder anderer Seite daran gehindert zu werden", so Ralf Fücks.
 
Die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet mit Memorial seit 1990 zusammen. Mit Unterstützung der Stiftung hat Memorial das mit über 400.000 Einträgen größte Archiv ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter im nationalsozialistischen Deutschland aufgebaut. Memorial hilft "Opfern zweier Diktaturen", die bei ihrer Rückkehr in die Sowjetunion erneuten Repressionen ausgesetzt waren, bei der Durchsetzung von Kompensationsansprüchen. Ebenfalls mit der Unterstützung der Heinrich Böll Stiftung konnte Memorial eine Datenbank mit Informationen und Namen von gegenwärtig mehr als 2.600.000 Opfer politischer Verfolgung aufbauen, die im Internet öffentlich zugänglich ist. Das Memorial angeschlossene Flüchtlingshilfenetzwerk „Bürgerbeteiligung“ berät in über 60 russischen Regionen Flüchtlinge und Zwangsumsiedler.


Weitere Informationen über Memorial auf www.memo.ru oder über das Länderbüro Russland der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau. Ansprechpartner: Jens Siegert, Tel.: 007-495-2541453, E-Mail: siegert@boell.ru

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