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Am 13. April sind die Änderungen zweier israelischer Militärverordnungen für das besetzte palästinensische Westjordanland in Kraft getreten. Die Neuregelungen sehen vor, jeden auszuweisen, der keine "Erlaubnis" der israelischen Behörden besitzt. Wie eine solche Erlaubnis aussieht, wird nicht näher definiert. Menschenrechtsgruppen kritisieren die Verordnungen scharf. Ein Interview mit dem Historiker Issam Nassar, Mitbegründer des „Institute for Jerusalem Studies“, über die veränderte Lage im Westjordanland.
Was bedeuten die israelischen Militärbeschlüsse für die Menschen vor Ort?
Die grundsätzliche Verfahrensweise ist nicht neu. Israel weist in Wirklichkeit seit 1967 nach Belieben Palästinenser und Ausländer aus den besetzten Gebieten aus. Bisweilen ging die israelische Regierung gezielt gegen bestimmte Gruppen vor, zum Beispiel gegen Ehepartner, die nicht die Genehmigung besaßen, in den Gebieten zu leben: Solche Genehmigungen wurden gewöhnlich nicht gewährt. Anträge für Familienzusammenführungen waren grundsätzlich keine einfache Angelegenheit und konnten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Dieses Mal allerdings zielen die Regelungen auf neue Gruppen von Bewohnern und Besuchern. Das bedeutet schlichtweg, dass das israelische Militär an Ort und Stelle Aktivisten und Ortsansässige inhaftieren, deportieren oder unmittelbar ausweisen kann.
Wer ist davon betroffen und wer gilt als Eindringling?
Die Regelungen zielen dieses Mal auf Personen aus dem Gazastreifen, die im Westjordanland leben. Das ist eine Verletzung der Oslo-Abkommen, für die das Westjordanland und der Gazastreifen ein und dieselbe Territorialeinheit sind. Außerdem hat man es auf Palästinenser abgesehen, die sich ohne gültige israelische Erlaubnis, Visa oder Aufenthaltsgenehmigung in den besetzten Gebieten aufhalten. Die Zahl der Menschen, die sich laut Medienberichten somit illegal im Westjordanland aufhalten, liegt bei 60.000.
Sind auch Ausländer betroffen?
Ausländische Bewohner und Besucher, einschließlich derer, die im Westjordanland oder im Gazastreifen arbeiten, Palästinenser mit ausländischen Pässen und Aktivisten, die kommen, um die Palästinenser zu unterstützen, sind ebenfalls betroffen.
Muss man die Regelungen vor dem Hintergrund israelischer Sicherheitsbedenken betrachten?
Ich sehe keinen wirklichen sicherheitsrelevanten Grund für die Regelungen, sondern eher eine Form von Paranoia und Rassismus, der Palästinenser und ihre Gesellschaft als illegitim ansieht.
Welche Absicht steht hinter den israelischen Neuregelungen?
Die Regelungen sind eindeutig ein weiterer Schritt in Richtung Aufhebung der Osloer Friedensabkommen. Sie bedeuten, dass Israel jetzt nach Belieben Leute ins Visier nehmen kann. Sie sind darüber hinaus auch eine Verletzung internationalen Rechts. Die Regelungen räumen Israel Gerichtsbarkeit in Gebieten ein, die als palästinensisch verwaltet gelten. Sie trennen den Gazastreifen vom Westjordanland, Jerusalem von beiden und geben dem Militär das Recht, willkürlich all jene zu inhaftieren und auszuweisen, derer man sich gerne entledigen würde. Sie sind vereinfacht gesagt ein weiteres israelisches Gesetz, das darauf abzielt, die ethnische Säuberung von Palästinensern schrittweise voranzutreiben.
Das Interview führte Bernd Asbach, Referent Naher und Mittlerer Osten in der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin.