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Grünes Eigentor? Die Klimabilanz der Weltmeisterschaft und inwieweit daran etwas geändert werden kann

Lesedauer: 15 Minuten

7. Juni 2010

Von Anton Cartwright

Eine Reihe kürzlich erschienener Berichte haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den von der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 erzeugten „Carbon Footprint“ gelenkt. In diesen Berichten geht es um die geschätzten 2,7 Millionen zusätzlicher Tonnen von kohlendioxidäquivalenten (CO2-e) Treibhausgasen, die durch die Veranstaltung des Mega-Events freigesetzt werden. 2,7 Millionen ist eine hohe Zahl. Im Vergleich zu ähnlichen Aktivitäten wird prognostiziert, dass die südafrikanische Weltmeisterschaft über achtmal kohlenstoffintensiver als die vorhergehende Veranstaltung in Deutschland sein wird. Doch 2,7 Millionen Tonnen Treibhausgase sind auch weniger als 0,7 Prozent der Emissionen, für die Südafrika jedes Jahr verantwortlich ist. Wie bei allen Klimawandelanalysen, kann Hintergrundwissen sehr hilfreich sein, insbesondere wenn, wie es bei der erwähnten Berichterstattung der Fall zu sein scheint, Informationen dazu benutzt werden, eine Meinung über den Nutzen der Austragung der Weltmeisterschaft in Südafrika zu formulieren.

Berechnungen von CO2-Bilanzen, insbesondere wenn sie im Vorhinein für komplexe und noch nie dagewesene Veranstaltungen vorgenommen werden, sind immer von Prämissen abhängig. Daher sind die Zahlen, die bei solchen Schätzungen zustande kommen, im besten Falle Anhaltspunkte; sie dienen als Referenzpunkte auf der Skala des Problems und als Leitlinie für Gegenmaßnahmen. Jede CO2-Bilanz kann angezweifelt werden: Wären die Lichter in einem Hotel sowieso an gewesen, auch wenn WM-Touristen nicht dort gewesen wären? Sollte man die Wirkungen von Wasserdampf, der von Flugzeugen ausgestoßen wird, mitberücksichtigen, in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Dampf zwar Wärme in der Atmosphäre einfängt, jedoch nicht sehr lange in der Atmosphäre verbleibt? Wie viele Einheimische werden wegen der WM-Staus nicht zur Arbeit pendeln oder in Urlaub fahren? Dies sind schwierige Fragen, die sich nicht ohne weiteres definitiv beantworten lassen, auch wenn sich akzeptierte Normen rund um diese Probleme zunehmend durchsetzen. Soweit man Berechnungen überhaupt trauen kann, war die Prognose von 2,7 Millionen CO2, die von Randall Spalding-Fecher (einem erfahrenen und respektierten Fachmann für Klimawandel in Südafrika), und seinen Kollegen von der Umweltberatungsfirma Econ Pöyry im Februar 2009 ermittelt wurde, so umfassend und ausgewogen, wie man es sich nur wünschen kann. Die Studie schlüsselte Emissionen für sechs verschiedene veranstaltungsbezogene Aktivitäten auf, legte ihre Prämissen klar dar und wandte international anerkannte Konventionen für die Erstellung ihrer Schätzungen an. In vielerlei Hinsicht verdienen Südafrika und die norwegische Regierung, die die Studie sponserte, Hochachtung für die Durchführung eines so gründlichen ersten Schritts. Insbesondere sollten sie dafür gelobt werden, dass erstmals internationale Reisen zu und von der Veranstaltung in die Analyse mit einbezogen wurden. In der südafrikanischen Studie machen internationale Reisen über 67 Prozent aller Emissionen aus, und die Miteinbeziehung dieser Emissionsquelle ermöglicht eine weitaus umfassendere Klimabilanz-rechnung. Darüber hinaus schafft sie ein wichtiges Bewusstsein rund um die Auswirkungen von Entscheidungen, wie wir unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil gestalten, auf den Klimawandel. Die anderen in der Analyse genannten Faktoren waren zwischenstädtischer Transport (17,6 Prozent), innerstädtischer Transport (1,4 Prozent), Stadionbau und -material (0,6 Prozent), Energieverbrauch in Stadien und Umgebung (0,5 Prozent) sowie Energieverbrauch im Gastgewerbe (12,4 Prozent).  

Selbst wenn man internationale Reisen ignoriert, scheint die Weltmeisterschaft in Südafrika deutlich mehr Treibhausgasemissionen freizusetzen als Deutschland 2006 oder, gemessen an der Intensität, alle vorangegangenen Olympischen Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften. Ist dies die Schuld der Weltmeisterschaft? Ein weiterer Grund für Afroskeptiker zur Hinterfragung der Argumente für die Austragung einer solchen Veranstaltung in Südafrika? Um diese Fragen zu beantworten, muss man einen Blick über die Weltmeisterschaft hinaus und auf die Art und Weise, wie Südafrika seinen Strom erzeugt, seine Menschen und Waren zwischen und innerhalb von Städten transportiert und seine Infrastruktur baut, werfen. Tatsächlich muss man sich sogar eingehender mit den gesamten makroökonomischen Voraussetzungen befassen, unter welchen sich Südafrika zur Berichtigung der sozialen und materiellen Ungerechtigkeiten aus seiner Vergangenheit bemüht. Während der Apartheid hing Südafrika massiv von seinem Bodenschätzen und der Erzeugung eigener Energie zur Aufrechterhaltung seiner Wirtschaft angesichts der zunehmenden internationalen Isolierung ab. So beutete das Land seine üppigen aber schmutzigen Kohleressourcen aus, um seine Minen mit billiger Energie zu versorgen. Zudem baute es Industriegiganten wie SASOL auf, um Öl aus Steinkohle zu synthetisieren. SASOL garantierte der Apartheidregierung damit ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit von Erdöl, doch gleichzeitig wurde Südafrika dabei für die weltgrößte punktuelle Quelle von Treibhausgasverschmutzung, die Raffinerie in Secunda, verantwortlich. Südafrikas erste demokratische Regierung machte sich zunächst daran, diese Situation zu berichtigen, mit der Absicht, die Energieressourcen zu diversifizieren und die Umweltauswirkungen zu minimieren (DME, 1998), wurde jedoch schon bald durch hinter dem Status quo stehenden Interessensgruppen davon abgebracht. Als Folge betreibt das Land bis heute eine der treibhausgasintensivsten Volkswirtschaften der Welt (WRI, 2009). Der Weltmeisterschaft die Schuld an einer hohen CO2-Bilanz zuzuschieben hieße also, die entscheidenden Faktoren zu übersehen, nämlich, dass es in Wahrheit Südafrikas unmodernisierte Energie- und Transportsektoren sowie seine Entfernung von den meisten international reisenden Fußballfans sind, die diese Bilanz erzeugen. Im Grunde genommen wäre im Vergleich zu den meisten anderen Ländern schon die Veranstaltung eines Flohmarkts in Südafrika schädlich für die Umwelt. Es ginge gar nicht anders: jede Weltmeisterschaft in Südafrika würde automatisch eine massive Klimabelastung mit sich bringen, und dem Ereignis die Schuld daran zu geben, hieße, die Symptome mit den Ursachen zu verwechseln. Daher sollten wir unsere Aufmerksamkeit lieber den Ursachen für diese Klimabilanz zuwenden und uns auf Abhilfemaßnahmen konzentrieren.

Hat FIFA abschätzen können, dass die Vergabe der Weltmeisterschaft 2010 nach Südafrika zu einer solch großen Emissionsbilanz führen würde? Sicherlich. Und in diesem Sinne könnte FIFA, die voraussichtlich über 3 Milliarden Euro an Profiten aus 2010 einnehmen wird, eine gewisse Verantwortung für die CO2-Bilanz einer Veranstaltung, die sie ansonsten an einer sehr kurzen Leine hält, übernehmen. Dies gilt insbesondere angesichts des Beharrens von FIFA, das Südafrika fünf neue und große Stadien baut, sowie der Emissionen, die aus dem in diesen Stadien verbauten Beton, Eisen und Stahl entstehen (bei dieser Komponente halte ich Econ Pöyrys Schätzung für zu vorsichtig). In einer aus der Klimawandel¬perspektive idealen Welt gäbe es eine Auseinandersetzung mit diesem Problem, gefolgt von Entscheidungen, Mega-Events an jene Länder mit der niedrigsten Treibhausgasintensität zu vergeben. Doch die Realpolitik des internationalen Fußballs ist alles andere als ideal und wird nicht von Klimawandelerwägungen geleitet. Und so wird der Wettbewerbsvorteil bei der Vergabe von Mega-Events bis auf weiteres nicht von der relativen CO2-Intensität der Volkswirtschaften der Anwärterländer bestimmt. Stattdessen hält die FIFA, in Berücksichtigung von Fragen des Klimawandels, Gastgeberländer dazu an, einige ihrer CO2-Emissionen durch Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Bezeichnenderweise schließt die FIFA dabei keine bindenden Verträge mit Gastgeberländern zu diesen Kompensationen in derselben Weise ab, wie sie es in Fragen der Sicherheit, Stadien und Unterbringung tut. Allerdings hat die FIFA ihre interne CO2-Bilanz aus der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 durch ein Klimaschutzprojekt in Letaba, Südafrika, kompensiert.

Davon ausgehend, dass Südafrika FIFAs Ermunterung und Beispiel folgen wird, stellt die umfassende Schätzung, die nunmehr abgeschlossen wurde, einen notwendigen und positiven ersten Schritt in einem Prozess dar, bei dem es um die Reduzierung der CO2-Bilanz über den Emissionshandel geht. Bei diesem darauf folgenden Schritt jedoch, nämlich der Reduzierung seiner WM-Bilanz, ist Südafrika den Erwartungen nicht gerecht geworden und, was noch kritischer ist, hat eine große Chance vertan. Klimakompensationen beinhalten Transaktionen, bei denen Verschmutzer in Projekte investieren, die Treibhausgasemissionen reduzieren oder aufheben, im Austausch für das Recht, sich diese Einsparungen auf ihre eigene CO2-Bilanz in Form von Gutschriften (Emissionszertifikaten) anrechnen zu lassen. Insgesamt bilden diese Transaktionen – die formell oder informell sein können – den Emissionshandel, ein Markt mit einem Gesamtwert von über 90 Milliarden Euro im Jahr 2008 (Point Carbon, 2009).  Südafrika ist bisher noch kein bedeutender Akteur auf diesem Markt, weder als Investor noch als Investitionsempfänger, wobei sich dies momentan verändert. Die Kosten für eine Tonne CO2-Gutschrift variieren, doch es würde etwa 20 Millionen Euro kosten, um die gesamte CO2-Bilanz der Weltmeisterschaft 2010 zu kompensieren. Ob nun Zuschauer, FIFA, Südafrika oder kommerzielle Sponsoren diese Kosten tragen sollten, darüber kann man sich streiten. Es gibt gute Argumente dafür, die Verantwortung aufzuteilen und aus südafrikanischer Perspektive stellt das Ignorieren dieser Verantwortung einen Mangel an strategischem Weitblick dar. 20 Millionen Euro sind sehr viel Geld, doch nur ein Bruchteil der Kosten für das billigste neue Stadion in Südafrika und durchaus tragbar im Rahmen des 3-Milliarden-Euro-Budgets, das Südafrika für die Weltmeisterschaft 2010 bereitgestellt hat. Südafrika könnte CO2-Gutschriften kaufen und sie entweder selbst behalten oder sie an seine WM-Partner einschließlich FIFA weiterverkaufen. Würde Südafrika dies tun, hätte es den berechtigten Anspruch, das erste CO2-neutrale Mega-Event ausgetragen zu haben, ein Status, der das Land sofort und automatisch vom Klimawandel-Bummler zum Klimawandel-Vorreiter katapultieren würde. Daneben würde es einen wegweisenden Präzedenzfall für zukünftige Veranstaltungen setzen und somit ein positives Vermächtnis für die Weltmeisterschaft 2010 sichern, noch bevor sie überhaupt begonnen hat.

Die Mittel aus dieser Kompensation würden reinvestiert. Als Käufer wäre Südafrika in einer Position, den Standort und die Art der Projekte zu bestimmen, von denen es seine CO2-Gutschriften erwerben möchte, und könnte dadurch sicherstellen, dass seine Investition im Land, oder im Sinne der ursprünglichen Absicht, ein „afrikanisches Event“ zu veranstalten, auf dem Kontinent verbleibt. Als Käufer könnte Südafrika auch sicherstellen, dass sich die Investition an den lokalen Bedürfnissen orientieren. Auf diese Weise würde Südafrika eine rege lokale Emissionshandelsindustrie ins Leben rufen und Anbieter und Anwender genau jener Art von erneuerbaren Energien und energieeffizienten Technologien fördern, die es dem Land ermöglichen würden, sich auf einen Kurs zu einer nachhaltigeren Industrieentwicklung zu begeben; einem Kurs, der der Wirtschaft und der Gesellschaft des Landes sehr zugute käme vor dem Hintergrund einer Zukunft, in der der Klimawandel eine zunehmende Sorge sein wird. Ein solcher Ansatz würde modernen Forschungserkenntnissen über die Frage Rechnung tragen, wie Gastgeberländer lokale Entwicklung durch Mega-Events stimulieren können. Studien in diesem Bereich legen nahe, dass es von entscheidender Wichtigkeit für den Erfolg von Mega-Events ist, sicherzustellen, dass diese lokalen Prioritäten nützen und gleichzeitig die Forderungen von Dachverbänden wie FIFA erfüllen (Baade et al, 2002; Cartwright und Cristando, 2008; Kuper und Szymanski, 2009). Dieser Ansatz spielte eine zentrale Rolle bei Barcelonas erfolgreicher Ausrichtung der Olympischen Spiele 1992 und Deutschlands Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, und war bei den wirtschaftlich weniger erfolgreichen Olympischen Spielen in Athen und den Weltmeisterschaften in Japan und Südkorea nicht vorhanden.

Wichtig ist: Projekte müssen nicht existieren oder vollendet sein, damit ein Investor eine Gutschrift kaufen kann. Es ist möglich, CO2-Gutschriften „in die Zukunft gerichtet“ zu erwerben, obwohl natürlich ein geringeres Risiko besteht, wenn Gutschriften bereits vollendet oder nahezu vollendet sind. Es wäre demnach legitim für Südafrika, die Weltmeisterschaft 2010 mithilfe von Projekten zu kompensieren, die noch vollendet werden, oder Projekte speziell zum Zweck von Kompensationen anzustoßen.

Leider gab es nur ein unzureichendes öffentliches Verständnis in Südafrika dafür, welch ungeheure internationale Marketingchance die Inangriffnahme der CO2-Bilanz von 2010 darstellt. Angesichts des garantierten Nutzens wären 20 Millionen Euro (und es könnte weniger sein) extrem weise angelegtes Kapital, doch alles spricht dafür, dass diese Transaktion nicht vor der Veranstaltung stattfinden wird. Es ist möglich, die Weltmeisterschaft auch nach ihrer Veranstaltung zu kompensieren, doch damit wäre die offensichtliche Marketing-Plattform vertan, die die Vorbereitungszeit und eigentliche Veranstaltung darstellt. Ende 2009 veröffentlichte das Umwelt- und Tourismusministerium (DEAT) eine Ausschreibung für Projekte, die die Flugreisenkomponente der Weltmeisterschaft 2010 und späterer Veranstaltungen kompensieren könnten, vergab danach jedoch keinen Vertrag. Stattdessen scheint es nun den Gastgeberstädten überlassen zu sein, „Green Goals“ zu schießen, und mit einigen wenigen Ausnahmen waren sie dabei ungefähr so erfolgreich wie die südafrikanische Nationalmannschaft beim Schießen echter Tore während der letzten Freundschaftsspiele. Die meisten sogenannten „Green Goal“-Projekte konzentrierten sich auf das Pflanzen von Bäumen. Bäume entziehen der Atmosphäre bei ihrem Wachstum CO2 und bieten weitere potenzielle Vorteile – Schatten, Nahrung und Viehfutter, Baumaterial, Brennstoff, bessere Wasserinfiltration und fördern die Artenvielfalt. Als Mittel zum Kompensieren der Treibhausgase im Zuge einer Fußball-Weltmeisterschaft sind sie allerdings nur recht begrenzt geeignet. Nicht nur wird eine ungeheure Anzahl an Bäumen benötigt, um 2,7 Millionen Tonnen CO2 zu kompensieren, sondern es kann auch sehr schwierig sein zu ermitteln, wie viele genau benötigt werden. Abgesehen davon sterben Bäume früher oder später und geben den Großteil ihres CO2 bei der Zersetzung wieder an die Luft ab, und es bestehen Bedenken, dass Bäume sich bei zunehmendem Anstieg der Temperaturen als äußerst labiles Verschlussmedium für atmosphärische Treibhausgase erweisen könnten. Kurz gesagt ist es zwar eine gute Idee nach der Weltmeisterschaft 2010 ein paar Bäume zu pflanzen, aber der Versuch, alle Emissionen aus Kohle- und Ölverbrennung in Wäldern aufzufangen, stellt nicht nur eine sehr teure Idee dar, sondern birgt auch erhebliche Risiken und dürfte damit ein fragliches Unterfangen sein. Sinnvoller ist, Kompensationsinvestitionen für eine Auswahl von Projekten einzusetzen, wie Solarthermen, Solarzellen, Windräder sowie energieeffiziente Gebäude und öffentliche Verkehrsmittel, die allesamt eigene soziale Nutzeffekte mit sich bringen.
 
Wie ist es dazu gekommen, dass Südafrika die Chance seine CO2-Bilanz zu kompensieren, die sich durch die Austragung der Weltmeisterschaft 2010 bot, vertan hat? An der Oberfläche hat die Antwort mit einem Mangel an öffentlichem Bewusstsein und institutioneller Fähigkeit zum Erkennen und Ergreifen dieser Chance, das Klima zu schützen, zu tun. Dies  wiederum ist auf eine Denkweise zurückzuführen, die sich auf Schwerindustriesektoren zur wirtschaftlichen Entwicklung verlässt, trotz der klaren Beschränkung dieser Sektoren für die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Vermögensumverteilung. Dieselbe Denkweise berücksichtigt Umweltkosten nicht als echte Kosten, obwohl diese zu einem unverhältnismäßig hohen Teil von den Armen getragen werden, und erkennt die Verbindung zwischen Umweltzerstörung (einschließlich Klimawandel) und der anhaltenden Armut der marginalisiertesten Bevölkerungsschichten Südafrikas nicht an. Diese Denkweise herrscht nicht nur  innerhalb der Regierung, sondern auch in vielen Bereichen der südafrikanischen Gesellschaft vor. Sie beruht auf dem Konzept der Umwelt als Luxusgut, ein Konstrukt des weißen Mannes, ein Ort, den reiche Leute in Geländewagen besuchen, ein Ort, der geschützt werden sollte nachdem, und erst nachdem, wir uns um die menschlichen Bedürfnisse gekümmert haben. In Wirklichkeit ist es jedoch die Umwelt, die Wasser, Luft, Brennstoff, Nahrung und sogar die Stabilität, die uns am Leben erhält, liefert. Es ist die Umwelt, in der ein Großteil unserer Kultur, Geschichte und Spiritualität wurzelt, und es ist die Umwelt, die bei Störungen Ausbrüche jener Krankheiten mit sich bringt, die uns befallen. Doch vielleicht am wichtigsten, es ist die Umwelt, die sowohl die Grundlage als auch die Mittel und Inspiration liefert, mit denen Menschen der Armut entkommen können. Wie wir diese Umwelt verwalten und mit ihr umgehen, bildet die Grundlage unserer volkswirtschaftlichen Strategie.

Doch vielleicht ist noch nicht alles verloren. Obwohl die Chance vertan wurde, sich vor einem weltweiten Publikum beim Anstoß zur Weltmeisterschaft als Gastgeber des ersten CO2-neutralen Mega-Events zu präsentieren, ist es möglich eine Veranstaltung auch nachträglich zu kompensieren.  Der Klimawandel bleibt Realität und Südafrika wird vor, während und nach der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 im kritischen Rampenlicht stehen. Das Land könnte noch, auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo, die gesamte oder einen Teil der von der Weltmeisterschaft erzeugten CO2-Bilanz kompensieren. Dies würde ihm die wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Belohnungen einbringen, die mit dem aufstrebenden globalen erneuerbaren Energiesektor einhergehen. Es würde auch einen kleinen aber erheblichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten und ein glorreiches, wenn auch leicht verspätetes Vermächtnis für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 sichern.  

In der Zwischenzeit müssen Beobachter anerkennen, dass die hohe Bilanz, die durch die Weltmeisterschaft 2010 entsteht, weniger die Schuld der Veranstaltung ist, sondern vielmehr ein Symptom für die Art und Weise, wie Südafrika Strom und Transport bereitstellt, sowie der Entfernung zwischen dem Land und den meisten reisenden Fußballfans, ganz zu schweigen von der Entfernung zwischen den einzelnen Stadien zuzuschreiben ist. Kritik wegen der CO2-Bilanz sollte die Entscheidung der FIFA berücksichtigen, die Veranstaltung an einen treibhausgasintensiven Gastgeber zu vergeben, und FIFA ermuntern, Emissionen bei zukünftigen Entscheidungen ernster in Erwägung zu ziehen, um so Anreize für die Einführung erneuerbarer Energien unter Gastgeberanwärtern zu schaffen. Was Südafrika anbelangt, sollte es sich darauf konzentrieren, was zu diesem späten Zeitpunkt noch getan werden kann, um die enorme CO2-Belastung durch Projekte und Technologien zu kompensieren, die die Emissionen des Landes reduzieren und Armut bekämpfen. Dies ist die einzige Weise, ein Vermächtnis der Weltmeisterschaft zu schaffen, das noch von zukünftigen Generationen gefeiert wird.   


Literatur

Baade, R.; Vail, J. & Matheson, V. (2002). The Quest for the Cup: assessing the economic impact of the world cup, Department of Economics, Williams College, USA.

Cartwright, A. & Cristando, J. (2008). Linking the 2010 Soccer World Cup with Local Economic Development, InWent 2010-LED training module: background paper (29.10.2007). 

Department of Minerals and Energy (DME) (1998). White Paper on Energy Policy for South Africa, Pretoria. 

Kuper, S. und Szymanski, S. (2009). Soccernomix, Nation Books, England. 

Point Carbon (2009). Carbon Market Monitor January 2009: a review of 2008, verfügbar unter: http://www.pointcarbon.com/research/carbonmarketresearch/monitor/1.1034635 

World Resources Institute (WRI) (2009). Climate Analysis Indicators Tool, verfügbar unter http://cait.wri.org  

Anton Cartwright

ist Entwicklungsökonom mit einem besonderen Interesse an dem Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Armut. Seine Tätigkeiten umfassen sowohl Projekte als auch Forschungarbeiten in den Bereichen Handel, Finanzen, Klimawandel und ländliche Entwicklung. In Kapstadt betreibt Anton die Beratungsfirma Econologic. Darüber hinaus ist er als Forscher für das Stockholmer Institut für Umwelt tätig und Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation „Promoting Access to Carbon Equity“ (PACE).