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Ein Industriestandort macht’s vor: Klimaschutzgesetz in NRW schafft Wettbewerbsfähigkeit von Morgen

 NRW leitet zahlreiche Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen ein. Hier ein Windrad in Alstedde. Foto: Awaya Legends. Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

8. Februar 2011
Wibke Brems
Von Wibke Brems

Die Klimaverhandlungen in Kopenhagen, aber auch in Cancún haben die Schwierigkeit aufgezeigt, auf internationaler Ebene ambitionierte und vor allem verbindliche Klimaschutzziele zu vereinbaren. Getreu dem Motto „think global, act local“ wird das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) dem langsamen Vorankommen der internationalen Klimapolitik ein deutliches Zeichen entgegensetzen: In den nächsten Monaten soll ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden, das zum ersten Mal Ziele verbindlich festschreibt. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 25% gesenkt werden und bis 2050 sogar um 80 bis 95% gegenüber 1990.


Pro-Kopf in NRW doppelt so viele Emissionen

Auf den ersten Blick mögen diese Ziele im Vergleich zu denen der deutschen  Bundesregierung wenig ambitioniert klingen (Reduktion um 40% bis 2020 und 80 bis 95% bis 2050). Doch mit seiner traditionell fossilen Energieerzeugungsstruktur und vielen energieintensiven Betrieben ist NRW, ähnlich wie Michigan, Ohio oder Pennsylvania, von einer Energiewende bisher weit entfernt. Die Treibhausgas-Emissionen pro Kopf sind in NRW vergleichbar hoch wie im Mittleren Westen der USA und damit fast doppelt so hoch wie im deutschen Durchschnitt.  Effektive Klimapolitik ist daher gerade in Nordrhein-Westfalen eine Herausforderung.

Und so lokal, wie man meinen könnte, wirkt diese policy gar nicht. Flächenmäßig entspricht NRW ungefähr dem US-Bundesstaat Maryland. Aufgrund seiner industriellen Wirtschaftsstruktur werden jedoch 44% der Treibhausgasemissionen Deutschlands in NRW emittiert. Wäre NRW ein Nationalstaat, wäre es gemessen am BIP die 7. größte Volkswirtschaft in der EU und auf Platz 20 der Weltrangliste. Daher kann NRW mit einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik Vorbild und Beispiel sein, gerade auch für industriell-geprägte Räume mit einem hohen Pro-Kopf-Ausstoß.


Konkrete Maßnahmen

Neben dem Festschreiben der Reduktionsziele wird das Klimaschutzgesetz die Erstellung eines Maßnahmenplans, die jährliche Evaluation der Maßnahmen und die Schaffung eines Klimaschutzrates beinhalten, der die Klimapolitik des Landes aktiv begleitet. Auch werden die Klimaschutzziele als Ziele der Raumordnung festgeschrieben, wodurch langfristig Investitionssicherheit für neue Projekte in relevanten Bereichen erreicht werden soll. Außerdem werden die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die Begrenzung der negativen Auswirkungen des Klimawandels Bestandteil des neuen Gesetzes sein.

Damit wird in NRW ein Rechtsrahmen geschaffen, der weitergehende konkrete Maßnahmen ermöglicht.  Diese nach Sektoren aufgeschlüsselte Ausgestaltung der zunächst allgemeinen Ziele wird in einem Klimaschutzplan festgeschrieben. Ein jährliches Monitoring wird die Einhaltung der Ziele und Maßnahmen gewährleisten. Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan bilden damit ein schlagfertiges und effizientes Instrument für effektiven Klimaschutz.


Clean Tech als Stabilisator in der Krise

Damit macht NRW vor, was in vielen Ländern bisher nicht erreicht wird. Ambitionierte Ziele für Treibhausgas-Reduktionen oder den Ausbau von Erneuerbaren bleiben viel zu häufig reine Lippenbekenntnisse. Obwohl mehr als 70 Länder weltweit Minderungsziele bekannt gegeben (pledges) haben, steigen die Emissionen weltweit weiter an. Ein Grund dafür liegt in der Tiefe des Eingriffs in innere Angelegenheiten, die Emissionsreduktionen einfordern. Während klassische Bereiche internationaler Vereinbarungen in der Vergangenheit mehr die Außenbeziehungen betrafen wie beispielsweise Vereinbarungen über Zölle, Standards oder Sicherheitsfragen, so verlangt der Klimaschutz tiefe Veränderungen in bisher von internationalen Regulierungen wenig berührten Bereichen. Ein massiver Umbau der Wirtschaftsstruktur und insbesondere der Energieversorgung, und damit Kernbereich der nationalstaatlichen Souveränität, sind eben auch Teil einer effektiven Klimapolitik.

Dabei bleibt jedoch viel zu häufig unbeachtet, welche positiven Effekte dieser Umbau haben kann. Mit einem ökologischen Strukturwandel steigt die Wettbewerbsfähigkeit moderner Ökonomien, die Investitionsquoten wachsen und bedeutende Chancen liegen in der Entwicklung und Vermarktung von Clean Tech. Zweitgrößter Abnehmer der Stahlindustrie in Deutschland ist mittlerweile  die Windenergiebranche. In Deutschland sind bereits mehr als 340.000 Menschen im Bereich erneuerbare Energien tätig.  Die Bereiche Clean Tech und Erneuerbare Energien Technologien haben sich gerade in Krisenzeiten als stabilisierenden Faktor für die deutsche Wirtschaft herausgestellt.


Strukturwandel durch Klimaschutz

Und dies gilt nicht nur für ehemals strukturschwache Regionen. Gerade für einen industriell geprägten Raum wie NRW bietet eine ehrliche Klimaschutzpolitik die Chance eines echten Strukturwandels, von Altindustrien hin zu modernen Wachstumsbranchen. Während die Beschäftigtenzahlen im produzierenden Gewerbe in NRW von 2001 bis 2009 um 32% gesunken sind, konnten die Arbeitsplätze im Erneuerbaren Energien-Sektor um durchschnittlich 6% steigen. 2008 wurden 6,6 Mrd. € in diese Branche in NRW umgesetzt. Die derzeit schon steigende Tendenz wird durch die Maßnahmen des Klimaschutzgesetzes und weiterer Anstrengungen bei der Unterstützung der Erneuerbaren Energien wahrscheinlich noch stärker wachsen als bisher. In vielen vom Sterben der Altindustrien betroffenen Kommunen kann nun ein Teil der Einnahmen durch die Gewerbesteuer durch den Betrieb von neuen Windkraftanlagen kompensiert werden. Auch die in Deutschland geförderte energetische Gebäudesanierung schafft Arbeitsplätze im Handwerk vor Ort und entlastet Haushalte von der sogenannten „Zweite Miete“, den Energiekosten. Universitäten und Forschungseinrichtungen in NRW sind führend bei der Entwicklung von smartgrids-Technologien wie SmartMeter-Systemen, mit denen in Zukunft eine Optimierung von Stromnachfrage und Angebot erreicht werden kann.

NRW zeigt: Klimapolitik ist kein Kompromiss von Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit. Sie muss da stattfinden, wo am meisten emittiert wird. Sowohl Einsparpotentiale, als auch die Verantwortung für die Klimaveränderungen sind hier am größten. NRW stellt sich dieser Herausforderung mit verbindlichen Zielen und konkreten Maßnahmen die dien Wirtschaftsstandort stärken. Denn eins ist sicher: Lippenbekenntnisse schaffen weder Klimaschutz noch Arbeitsplätze!

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1981 geboren studierte Wibke Brems von 2000 bis 2004 Elektrotechnik und arbeitet bis 2010 im Bereich kommunale Energieberatung und Photovoltaik. Seit Mai 2010 ist sie Landtagsabgeordnete in NRW und Sprecherin für Klima- und Energiepolitik der Grünen Fraktion.

Dieser Text ist ein Beitrag zu einem zweijährigen Dialog Programm der HBS Büros Brüssel, Prag und Washington: The Climate Network-Transatlantic Solutions for a Low Carbon Economy erarbeitet Strategien für den Ausbau Erneuerbarer Energien und nachhaltiges Wachstum in energieintensiven Schlüsselregionen in Europa und den USA. Mehr Informationen unter www.TheClimateNetwork.org
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