Wir sind Deutschland: Nein zu Rassismus und Rechtsextremismus!

Lesedauer: 5 Minuten
Bild: Steve Snodergrass Lizenz: Creative Commons BY 2.0 Original: flickr.

22. November 2011

Über ein Jahrzehnt wütet eine Neonazi-Organisation unbemerkt in unserem Land, tötet zahlreiche Menschen auf brutalste Weise. Täglich kommt es zu neuen Enthüllungen. Diese werfen aber immer mehr Fragen auf und man fragt sich, wo waren unsere Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren? Seit der Wiedervereinigung sind 182 Menschen Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt geworden. Das dürfen und das können wir nicht hinnehmen.

Wir, das sind türkeistämmige Abgeordnete im Europaparlament, im Deutschen Bundestag und in den Länderparlamenten,  fordern eine lückenlose Aufklärung der rechtsradikalen Morde und eine gründliche Untersuchung der rechtsradikalen Gewalt der letzen Jahre. Hoffentlich haben wir es nicht mit der Spitze des Eisbergs zu tun. Wir fordern auch eine lückenlose Aufklärung der Rolle der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutzämter diverser Länder. Es ist unsere Aufgabe als Demokraten in den Parlamenten, in den Parteien und der Zivilgesellschaft, alles zu tun, damit sich rassistische und menschenfeindliche Morde in unserem Lande nicht wiederholen!

Rechtsextreme Einstellungen finden wir heute mitten in der Gesellschaft. Nicht nur primär bei verwirrten Jugendlichen sondern als Folge einer Haltung, die gerade auch Erwachsene an den Tag legen. Weit über zehn Prozent der Bevölkerung vertreten rechtsextreme Meinungen. Diese zu ändern und zu bekämpfen bedarf es einer deutlichen Ächtung und einer Vielzahl von Maßnahmen. Dabei kommt den Schulen und der Jugendarbeit ein große Bedeutung zu. Es ist aber ein Irrglaube, davon auszugehen, dass allein ein Mehr an Jugendarbeit das Problem lösen könne. Nicht quantitative sondern qualitative Jugendarbeit ist nötig. Die ursprüngliche Intention, rechtsextreme Jugendliche durch spezielle Angebote zu erreichen und ihnen demokratische näher zu bringen, ist an vielen Orten ad absurdum geführt worden.

Viele Jugendclubs im Osten der Republik wurden inzwischen von Rechtsradikalen übernommen, so dass demokratische Jugendliche keinen Zugang mehr haben. Oft wird auf demokratische Wertevermittlung verzichtet, das Hören rechtsradikaler Musik oder das Verbreiten rechtsextremer Propaganda allzu oft geduldet. Eine gute Jugendarbeit aber erfordert im Umgang mit Rechtsextremismus geschultes Personal, das demokratische Werte glaubhaft verteidigt und vermittelt. Die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus gibt es nicht zum Nulltarif. Es müssen mehr Mittel zur Bekämpfung rechtsextremer, rassistischer und menschenfeindlicher Gruppen und Personen im Bundeshaushalt und in den Länderhaushalten bereitgestellt werden. Eine Kürzung dieser Mittel ist nicht nur kontraproduktiv, sondern lebensgefährlich!

Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. Deshalb sind bei der Bekämpfung von rechtsradikalen Tendenzen Schulen und Jugendeinrichtungen von besonderer Bedeutung. Hier müssen gezielt Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen stattfinden. Es geht nicht um ein Nebeneinander, sondern um ein Miteinander, das es zu fördern gilt. Gemeinsam aufwachsen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, das frühzeitige Erlernen anderer Sprachen, das Wissen um interkulturelle Sitten und Gebräuche verschafft Respekt und Achtung unter Menschen verschiedener Kulturen. Interkulturelle Bildung und Erziehung lässt Grenzen in den Köpfen erst gar nicht entstehen. Im Gegenteil - sie fördert den Dialog und baut Ängste ab. Daher muss die interkulturelle Bildung und Erziehung endlich aus ihrem Nischendasein heraus und in allen Kitas und Schulen der Republik - insbesondere in den neuen Bundesländern zur dauerhaften Einrichtung werden. Schulen besitzen hier eine wichtige gesellschaftliche Funktion.

Gerade da, wo Eltern ihrer Aufgabe zu demokratischer Werteerziehung nicht nachkommen können oder wollen. Schule hat die Pflicht, Wissen und Werte zu vermitteln, die den gegenseitigen Respekt fördern und gemeinschaftliches Handeln anregen. Von Schule wird erwartet, individuelle und kulturelle Unterschiede anzuerkennen und für jeden Schüler ein Klima der Geborgenheit und Identifikation zu schaffen. Die Realität der Einwanderungsgesellschaft muss sich im Curriculum, im Unterricht, in der Lehreraubildung und in den Schulbüchern wiederfinden. Das ist unser erklärtes Ziel für alle Eltern und Schüler. Es gilt, den Bildungsauftrag Demokratie zu verwirklichen - nicht mehr und nicht weniger.

Wir müssen uns als Demokraten gemeinsam fremdenfeindlichen und rassistischen Tendenzen stellen, die nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft existieren, sondern in Mitten der Gesellschaft vorzufinden sind. Es geht um die Zukunft unseres Landes, das geben wir nicht her und das lassen wir von niemanden kaputt machen. Wir sind Deutschland – nein zu Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus!

Unterzeichner/innen:

  • Özcan Mutlu, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin (Bündnis 90/Grüne)
  • Ismail Ertuĝ, Mitglied des Europaparlaments (SPD)
  • Hakan Taş, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin (Die Linke)
  • Ekin Deligöz, Mitglied des Deutschen Bundestages (Bündnis 90/Grüne)
  • Mehmet-Ali Seyrek, Mitglied des Bürgerschaft Bremen (SPD)
  • Arif Ünal, Mitglied des Landtags NRW (Bündnis 90/Grüne)
  • Filiz Polat, Mitglied des Landtags Niedersachsen (Bündnis 90/Grüne)
  • Evrim Baba-Sommer, Mitglied des Abgeordnetenhauses v. Berlin (Die Linke)
  • Serpil Midyatli, Mitglied des Landtags Schleswig-Holstein (SPD)
  • Cindi Tuncel, Mitglied der Bremer-Bürgerschaft (Die Linke)
  • Filiz Demirel, Mitglied des Bürgerschaft Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Ali Atalan, Mitglied des Landtags NRW (Die Linke)
  • Sülmez Doĝan, Mitglied des Bürgerschaft Bremen (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Ülker Radziwill, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin (SPD)
  • Ilkin Özışık, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin (SPD)
  • Kazim Abacı, Mitglied des Bürgerschaft Hamburg (SPD)
  • Mustafa Kemal Öztürk, Mitglied des Bürgerschaft Bremen (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Ali Şimşek, Mitglied des Bürgerschaft Hamburg (SPD)
  • Muhterem Aras, Mitglied des Landtags BaWü (Bündnis 90/Die Grünen)
  • u.a.
Dieser Text steht unter einer Creative Commons-Lizenz.