Israelische und palästinensische Unterhändler sitzen in Amman an einem Tisch – das war in den letzten Wochen bereits Meldungen wert, auch wenn von Fortschritten keine Rede war. Über ein Jahr lang fanden keine direkten Gespräche statt, da sich die israelische Regierung weigerte, einem Siedlungsstopp in den besetzen Gebieten zuzustimmen.
Auch US-Präsident Obama, vor zweieinhalb Jahren mit seiner gefeierten Rede in Kairo noch mit großen Hoffnungen in der Region angetreten, biss sich an dem Thema die Zähne aus. Weder das Angebot großzügiger Unterstützungspakete noch sanfter diplomatischer Druck konnten die Regierung Netanyahu überzeugen, den Ausbau der Siedlungen einzufrieren. Dass sich die Palästinenser nun also dennoch auf Gespräche einließen, kann durchaus als Überraschung gelten, hatte Präsident Abbas doch zuletzt eher auf unilaterale Aktionen wie die Aufnahme Palästinas in die UN gesetzt.
Vielleicht wollte Abbas demonstrieren, dass die Palästinenser sogar ohne Sielungsstopp verhandlungsbereit bleiben, denn die Zeit für ein Abkommen drängt. Mehr als ein artiges Lob europäischer Politiker bei seiner jüngsten Reise sprang dabei nicht heraus. Als Erfolgserlebnis bräuchte er zumindest konkrete Aussagen zu den strittigen Kernthemen; vor allen Dingen den zukünftigen Grenzen eines Staates Palästina, den Grenzen von 1967. Unterstützt wird er dabei unter anderem von der EU. Aber die Regierung Netanjahu hat bereits mehrfach deutlich gemacht – unter anderem bei einer Rede im amerikanischen Kongress Anfang 2011 – dass sie dazu unter keinen Umständen bereit ist. Für Netanjahu sind Verhandlungen komfortabel, so lange er keine Zugeständnisse machen muss und sogar den Ausbau von Siedlungen im Westjordanland und in Jerusalem fortsetzen kann. Denn mit konkreten Aussagen zu den Themen Grenzen und Sicherheit würde er seine rechten Parteifreunde und Koalitionspartner vor den Kopf stoßen. Stattdessen präsentiert er zusätzliche Vorbedingungen, zum Beispiel die Anerkennung Israels als jüdischen Staat. Das erschwert das konstruktive Gespräch über die Kernthemen Sicherheit und Grenzen, über die eigentlich verhandelt werden soll.
Zugleich wächst der Druck der Hamas aus Gaza, gestärkt durch die islamistischen Wahlsiege in der Region, die Verhandlungen abzubrechen. Dies gefährdet den fragilen Aussöhnungsprozess zwischen Hamas und Fatah. Eine Einigung ist aber Voraussetzung für überfällige Wahlen und eine Wiedervereinigung der de facto getrennten Gebiete Gaza und Westbank. An einer gemeinsamen Position der zerstrittenen Parteien in Palästina hat wiederum Israel kein Interesse, ist doch die Spaltung der Palästinenser ein strategischer Vorteil.
In den USA gerät das Thema in den Sog des Wahlkampfs, im November stehen wieder Präsidentschaftswahlen an. Im Zuge der republikanischen Vorwahlen überbieten sich die Kandidaten mit Solidaritätsbekundungen für Israel und einem hartem Kurs gegen den Iran. Newt Gingrich schockierte gar mit der Behauptung, die Palästinenser seien ein erfundenes Volk. Präsident Obama selbst ist, nicht zuletzt nach den Wirren des arabischen Frühlings, auf Erfolgsnachrichten aus Nahost angewiesen, seien sie auch noch so klein.
Auch international wird nun die Fortsetzung der Gespräche über die bisherige Frist des 26. Januar hinaus gefordert, obwohl die Hoffnungen auf Erfolg gering sind. Das Nahostquartett und insbesondere die EU sollten daher nicht nur Gespräche unterstützen, sondern auch auf deren Substanz achten und den Siedlungsstopp einfordern. Halbherzige Vorverhandlungen nach Jahren des gescheiterten Oslo-Prozesses sind kein Fortschritt, sondern schwächen massiv Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, solange er mit leeren Händen dasteht. So kann kein Einstieg in ernsthafte Endstatusverhandlungen gelingen. Ein Prozess allein macht noch keinen Frieden.
Dr. René Wildangel leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah, Palästinensische Gebiete.
Dieser Artikel ist zuerst in der Südwest Presse erschienen.