"Ich denke nicht, dass Hun Sen sich ernsthaft auf demokratische Reformen einlassen wird"

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Seit Anfang der Neunziger Jahre finden nun im Juli zum 5. Mal Parlamentswahlen in Kambodscha statt. Haushoher Favorit ist der seit Jahrzehnten regierende Premierminister Hun Sen. Sein Politikstil wird international als autoritär und korrupt kritisiert und ist geprägt von mangelnder Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit.

Welche Erwartungen stellen Sie an die kommenden Wahlen und an Hun Sen, der aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren die Politik seines Landes prägen wird?

Es ist nicht im Geringsten zu erwarten, dass die Wahlen im Juli frei, fair und unabhängig verlaufen werden. Jegliche Appelle an Hun Sen und seine Regierungspartei CPP, demokratische Reformen durchzuführen, sind von der kambodschanischen Regierung ignoriert worden. Die EU und VN haben entschieden, im Gegensatz zu den vergangenen Wahlen, dieses Jahr keine Wahlbeobachter zu schicken, und die VN hat dies damit begründet, dass ihre Empfehlungen nach den letzten Wahlen nicht befolgt wurden und eine Mission daher sinnlos wäre. Dies spricht Bände. Die Medien sowie das nationale Wahlkomitee sind größtenteils von der CPP kontrolliert. Es wurden Irregularitäten bei der Wählerregistrierung festgestellt, Bestechungen und Einschüchterungen von traditionellen nicht-CPP Wählern sind ebenfalls bekannt geworden. Erst vor Kurzem hat Hun Sen die wenigen verbleibenden Oppositionspolitiker aus dem Parlament geworfen. Ich denke nicht, dass Hun Sen sich ernsthaft auf demokratische Reformen und die tatsächliche Umsetzung aller Menschenrechtskonventionen, die Kambodscha unterzeichnet hat, einlassen wird. Und wenn dann müsste er das unverzüglich tun und noch vor der Wahl seine Drohungen, was geschehen wird, wenn er und die CPP die Wahl verlieren sollten, öffentlich zurückziehen.


Der Fokus der deutsch-kambodschanischen Entwicklungspartnerschaft liegt u.a. auf der Förderung der ländlichen Entwicklung sowie der Förderung von Demokratie. Diese Kooperation soll im Rahmen des Menschenrechtskonzepts des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stattfinden das ausdrücklich Bezug auf die extraterritorialen Verpflichtungen zur Umsetzung der Menschenrechte und die verpflichtende Wirkung von Menschenrechtsverträgen auf einzelne Staaten festlegt.
 
Verschiedene Ausschüsse und Organe der Vereinten Nationen zeigen sich seit Jahren sehr besorgt über die massiven Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Landsektor und der daraus resultierenden Verarmung weiter Bevölkerungskreise. Dabei hob der VN-Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Jahr 2009 dezidiert hervor, dass die kambodschanischen Behörden selbst aktiv an dem gewaltsamen Landraub beteiligt sind und fordert ein unmittelbares Ende dieser Praxis. Derselbe Ausschuss zeigte sich im Rahmen seiner Analyse der extraterritorialen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 besorgt, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im kambodschanischen Landsektor an Projekten beteiligt war, die zur Verletzung ökonomischer, sozialer und kultureller  Rechte der Bevölkerung führten. 

Der Ausschuss hat der deutschen Regierung die Ausarbeitung von Richtlinien und Strategien empfohlen, die eine zukünftige Verletzung dieser Menschenrechte im Landsektor ausschließen. Wie sollte das BMZ konkret auf diese Empfehlungen der VN reagieren?

Wenn sich ein VN-Ausschuss so über ein Programm der Entwicklungszusammenarbeit äußert, dann sollte dies sehr ernst genommen werden. Ich denke, es ist aber wohl eher der Kontext, in dem das GIZ-Vorhaben umgesetzt wird, als das Projekt selbst, dass große Bedenken aufkommen lässt. In den bilateralen Regierungsverhandlungen von 2011 hatte die Bundesregierung mit der kambodschanischen Seite verschiedene Meilensteine (bestimmte Verpflichtungen) vereinbart, die für eine weitere Zusammenarbeit zu erfüllen sind. Obwohl viele davon nicht eingehalten wurden, ist die schwarz-gelbe Regierung bisher nicht von einer weiteren finanziellen und technischen Kooperation abgerückt.

Nun hat die Bundesregierung diverse Studien zu den Auswirkungen des Landtitelprogramms und zur menschenrechtlichen Situation in den Projektgebieten in Auftrag gegeben, was sehr lobenswert ist. Allerdings wurden viele dieser Untersuchungen lange unter Verschluss gehalten; eine von der GIZ in Auftrag gegebene Studie von 2005 wurde z.B. erst jetzt zur Verfügung gestellt, nach wiederholter Anfrage von Parlamentariern und Zivilgesellschaft. Auch jetzt sollen Informationen aus dieser und weiteren Studien nicht verbreitet werden, weil sie als hoch sensibel für die weitere deutsch-kambodschanische Zusammenarbeit angesehen werden. Eine solche Politik der Informationszurückhaltung gegenüber dem Bundestag halte ich für extrem problematisch. Um den Empfehlungen der VN zu folgen, könnte das BMZ deutlich mehr tun.

Mit Blick auf die im Herbst 2013 anstehenden deutsch-kambodschanischen Regierungsverhandlungen – wie sollte der Rahmen einer zukünftigen Kooperation, v.a. mit Blick auf den kambodschanischen Landsektor aussehen?

Sollten die Wahlen so verlaufen, wie bisher befürchtet und unter den Umständen, wie Frau Dr. C. Kek Pung sie im Interview des Webdossiers der Heinrich-Böll-Stiftung beschrieben hat, ist die weitere Zusammenarbeit mit der Regierung Hun Sen unter einen großen Vorbehalt zu stellen. Besonders die Landregistrierungskampagne (Directive 01) von Hun Sen beobachte ich mit großer Besorgnis. Zwar ist die grundlegende Idee, sichere Landtitel an ärmere Bevölkerungsschichten zu vergeben, durchaus unterstützenswert. Doch es ist offensichtlich, dass die Umsetzung dem zuwiderläuft. Die Kampagne wurde ohne jegliche Konsultation mit der Zivilgesellschaft oder den Betroffenen gestartet, ist von der CPP und mit ihr verbandelten Unternehmen finanziert, wird vom Sohn des Premiers koordiniert und von einer freiwilligen Jugendorganisation in militärischen Uniformen durchgeführt. Dieses Vorhaben ist völlig von dem Willen des Premiers und seiner Verbündeten abhängig und bewegt sich außerhalb des Rechts. So haben Human Rights Watch und andere NROs bereits verschiedene Fälle dokumentiert, in denen nicht kleinbäuerliche Familien Landtitel erhielten, sondern jene, die über Verbindungen zur politischen Elite verfügen. Auch das Moratorium des Premiers, keine weiteren wirtschaftlichen Landkonzessionen mehr zu vergeben wird nicht eingehalten – im Gegenteil: seitdem wurden 15 weitere solcher Konzessionen erteilt.

Es ist offensichtlich, dass Directive 01 als Wahlkampfinstrument dient – nicht umsonst hat Hun Sen gedroht, alle darunter vergebenen Landtitel wieder zurückzuziehen, sollte er die Wahl nicht gewinnen. Angesichts dieser gravierenden Lage ist es mir rätselhaft, wie die Bundesregierung zu einer „vorsichtig optimistischen“ Einschätzung der Lage kommt, wie sie uns mitteilte.

Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie in den bilateralen Verhandlungen im Herbst deutlich macht, dass die staatliche Kooperation in diesem Bereich nur dann fortgeführt wird, wenn die Landregistrierungskampagne des Premiers entweder beendet oder sehr weitgehend umgestaltet wird. Zu einer Reform müsste u.a. gehören, dass die Kampagne in ein institutionalisiertes, unabhängiges Programm überführt wird und dass die Zivilgesellschaft und die Betroffenen frühzeitig mit einbezogen werden. Außerdem braucht es einen unabhängigen Beschwerdemechanismus und klare Ziele und Kriterien, die sich an Menschenrechten und Armutsminderung orientieren.

Die deutsche Kooperation mit Kambodscha konzentriert sich überwiegend auf staatliche Institutionen.
Könnten mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen durch regierungsnahe Stellen alternative Partnerschaften in Betracht gezogen werden – z.B. auf zivilgesellschaftlicher Ebene?

Sollte sich die kambodschanische Seite in den Regierungsverhandlungen nicht auf die oben genannten (und weitere demokratische) Reformen einlassen, wäre eine Aussetzung der staatlichen Zusammenarbeit und stattdessen eine gezielte Unterstützung der Zivilgesellschaft nur eine logische Konsequenz. Die Bundesregierung sollte sich diese Option dringend offenhalten. Diverse deutsche und kambodschanische NROs sowie politische Stiftungen betreiben bereits seit Jahrzehnten exzellente Arbeit in Kambodscha, nicht zuletzt im Landsektor. Hier könnte eine verstärkte Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft anknüpfen.


Nicht nur Staaten, vor allem auch Unternehmen sowie Banken und Investmentgesellschaften gelten als die großen Player im internationalen Landgrabbing. Deutsche aber auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie FIAN und Global Witness werfen deutschen Firmen und deutschen Banken vor, sich am globalen Landraub zu beteiligen.

Welche Rolle kann die Politik und vor allem die Bundesregierung spielen, um deutsche Akteure stärker in die Pflicht zu nehmen, Menschenrechtsstandards einzuhalten und Menschenrechte zu schützen?

2012 hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der VN (FAO) ein sehr progressives Instrument, die „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern im Rahmen der nationalen Ernährungssicherheit“, verabschiedet. Nun gilt es diese Leitlinien verbindlich umzusetzen, damit sie nicht ein zahnloser Tiger bleiben. In unserem gerade in den Bundestag eingebrachten Antrag für eine kohärente Politikstrategie zur Überwindung des Hungers haben wir u.a. hierzu konkrete Vorschläge gemacht. So sollte die Förderung durch internationale Entwicklungsbanken, in denen Deutschland bedeutendes Mitspracherecht besitzt (wie z.B. der Weltbank) von der Umsetzung der Leitlinien abhängig gemacht und deutsche oder in Deutschland registrierte Investoren durch Gesetze zur Umsetzung der Leitlinien verpflichtet werden. Auch sollte die von der FAO vorgeschlagene Fazilität zur Umsetzung der Leitlinien mit finanziellen Mitteln gefüllt werden. Nachdem die Bundesregierung sich aktiv in die Erarbeitung der Leitlinien eingebracht hat, ist bisher leider wenig Engagement zu verspüren, was diese konkreten Schritte zur Umsetzung angeht.