Stellungnahme zum Artikel "Das Stiftungssystem" in der WAMS: Viel Lärm, wenig Substanz

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Die "Welt am Sonntag" wartete am 5. Oktober mit einem groß aufgemachten "Enthüllungsartikel" gegen die deutschen politischen Stiftungen und die Praxis der Stiftungsfinanzierung auf. Bei Lichte betrachtet, kocht der Artikel im Wesentlichen bereits bekannte und längst geklärte Vorwürfe neu auf.

Die Stoßrichtung ist klar: Die politischen Stiftungen sollen in die Ecke der Selbstbedienung, des lockeren Umgangs mit Steuermitteln und der indirekten Parteienfinanzierung geschoben werden. Das ist nicht nur in der Sache falsch – es diskreditiert auch die vom Bundesverfassungsgericht bekräftigte Kernaufgabe der politischen Stiftungen: die demokratische Bildungsarbeit im In- und Ausland.

Politische Stiftungen sind Institutionen zur Förderung von politischem Engagement und internationaler Zusammenarbeit. Sie tragen zur politischen Willensbildung bei, betreiben Begabtenförderung und unterstützen zivilgesellschaftliche Projekte im In- und Ausland. In diesen Funktionen sind sie heute so nützlich und notwendig wie in der Vergangenheit.

Wir weisen die beiden Generalvorwürfe des Artikels entschieden zurück:

  1. Von einer weitgehend unkontrollierten Mittelverwendung kann keine Rede sein. Das Finanzgebaren der politischen Stiftungen wird vielfach und detailliert geprüft, sowohl durch die Zuwendungsgeber (Ministerien) wie durch unabhängige Wirtschaftsprüfer. Wir legen darüber hinaus schriftlich und auf unseren Internetseiten detailliert Rechenschaft über unsere Arbeit ab.
  2. Ebensowenig trifft es zu, dass die politischen Stiftungen bevorzugt aus dem Bundeshaushalt bedient würden. Die Steigerung unserer Globalmittel im Bundeshaushalt 2014 kompensiert lediglich die unterdurchschnittliche Entwicklung unserer Grundfinanzierung über die letzten beiden Legislaturperioden. Höhere Zuwendungen haben wir nur in Bereichen erhalten, deren Aufwuchs durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird: bei den Mitteln für internationale Entwicklungs­zusammenarbeit und bei den Stipendienprogrammen des Bildungsministeriums – so hat sich beispielsweise die Zahl der Stipendien, die die Heinrich-Böll-Stiftung nach einem strikt geregelten Verfahren vergibt, in den letzten Jahren fast verdoppelt.

Zur spezifischen Erwähnung der Heinrich-Böll-Stiftung in dem WamS-Artikel:

Die Landesstiftungen der Heinrich-Böll-Stiftung wurden 2006 vom Bundesrechnungshof überprüft. Gegenstand waren Projekte der Jahre 2004–2006. Nach eingehender Bewertung des Prüfberichts kam das BMI im Februar 2010 für alle vom Bundesrechnungshof problematisierten Veranstaltungen zu der Schlussfolgerung, dass sie förderungswürdig waren. Rückzahlungen wurden deshalb nicht verlangt. Nur in einem einzigen Fall stand überhaupt eine Rückforderung im Raum, auf die das BMI wegen Geringfügigkeit verzichtete: Bei einer Informationsveranstaltung zur Zwangsarbeit im Dritten Reich wurden ehemaligen Zwangsarbeitern aus Osteuropa als Zeitzeugen Blumensträuße überreicht – es ging um rund 20 Euro. Diese Tatsache war auch der Welt am Sonntag bekannt.

Darüber hinaus stellte das Ministerium in seinem abschließenden Bericht fest, dass ein erhebliches Bundesinteresse bereits darin bestehe, „dass die politischen Stiftungen im Rahmen ihrer gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit ein möglichst vielfältiges politisch-gesellschaftliches Themenspektrum abdecken und den Teilnehmern ihrer Veranstaltungen eine offene und pluralistische Auseinandersetzung mit diesen Themen ermöglichen.“

Die Einschätzungen des BMI decken sich mit den zentralen Aspekten der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den politischen Stiftungen aus dem Jahr 1986.

 

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