
Hitzewellen sind längst keine harmlosen Sommerphänomene mehr, sondern eine tödliche Gefahr. Mit steigenden Temperaturen wachsen die Herausforderungen: Städte kämpfen gegen Wärmeinseln, Kommunen entwickeln Aktionspläne. Doch wie viel Grün und Vorsorge reicht aus, um Leben zu schützen?

Das Wort „Hitzewelle“ hatte einmal einen guten Klang: In der Schule gab es hitzefrei, auf der Arbeit gab es kostenlos Getränke, Familien fuhren am Wochenende in den Schrebergarten oder an den See. Inzwischen muss vor „Hitzewellen“ gewarnt werden. Es gibt „Hitzeknigges“ und Hitzeaktionspläne. Für Schulen wird die Ausrüstung mit Klimaanlagen gefordert und für Krankenhäuser auch. Der Grund für den Wandel liegt am Klima. In Deutschland erhöhte sich in den letzten 150 Jahren die Temperatur um knapp 2 Grad. Dieser über Jahrzehnte gemittelte Wert täuscht aber: Im Jahr 2023 war es laut Deutschem Wetterdienst bereits um 2,4 Grad wärmer als in der Vergleichsperiode 1961 bis 1990. Und auch dieser Wert täuscht: Denn in Städten speichern Häuser, Straßen und Autos zusätzlich Wärme und bilden sogenannte „Wärmeinseln“. Diese sind nochmals um einen Grad wärmer - besser gesagt: heißer.
Nicht nur die Temperatur, auch die Anzahl heißer Tage steigt. In den 1950ern gab es in Deutschland etwa drei Tage im Jahr, an denen die Lufttemperatur bei oder über 30 Grad Celsius lag. Jetzt sind es im Schnitt schon elf Tage. Halten die 30 Grad über drei Tage an, sprechen wir von einer Hitzewelle. »Wenn wir früher in Deutschland alle zehn Jahre eine Hitzewelle hatten, haben wir sie mittlerweile jedes Jahr«, erklärt Dr. Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Uni Leipzig.
Hitzetage und -rekorde kann man genau messen, ihre schlimmste Folge aber nicht. Diese ist gewissermaßen „unsichtbar“, zumindest in Industrieländern wie Deutschland. Hierzulande kippen Menschen nicht einfach auf der Straße um oder sterben in aller Öffentlichkeit an Hitzschlag – im Unterschied zu Ländern des Globalen Südens, wo die Hitze mittlerweile bis an die 50-Grad-Grenze steigen kann. In Deutschland wirkt extreme Hitze zunächst unbemerkt: Der Organismus versucht, die Temperatur zu regulieren; doch der Stress, den die Hitze im Körper auslöst, kann zur Hitzeerschöpfung und sogar zum Tod führen. Besonders gefährdet sind Ältere, Geschwächte und Kinder, aber auch psychisch Erkrankte.
Viele Details sind noch unbekannt, das zeigen Daten des Robert-Koch-Instituts. Für 2024 ermittelten die Mediziner bis zum Herbstanfang bundesweit 1.600 bis 4.500 Hitzetote – eine große Spannbreite. Obwohl die Zahl nach wie vor hoch ist und die Temperaturen weiter angestiegen sind, hatte Deutschland zuletzt weniger Hitzetote zu beklagen. Zu verdanken ist das größerer Aufmerksamkeit für das Thema und besserer Vorsorge. Heute erschöpft sich Hilfe auch nicht mehr in Ratschlägen des „Hitzeknigges“, obwohl diese natürlich weiter ratsam sind: An heißen Tagen ist es wichtig, ausreichend zu trinken, körperliche Aktivitäten in den Morgen oder Abend zu verlegen, Fenster, Jalousien und Vorhänge tagsüber geschlossen zu halten sowie weite, leichte und atmungsaktive Kleidung zu tragen - und sich einen Ventilator in den Raum zu stellen. Hinzu kommt, dass nun immer mehr Kommunen umfassende Anti-Hitze-Maßnahmen ergreifen und Hitzeaktionspläne aufstellen. Diese soll es 2025 – allerdings in einem nicht bindenden Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz – flächendeckend in Deutschland geben. Zu so einem Plan gehören unter anderem Hitzewarnsysteme, die Öffnung kühlender Räume in öffentlichen Gebäuden und besondere Vorsorge für Risikogruppen.
Städte wollen auch das Problem ihrer „Wärmeinseln“ lösen. Dazu gehören die Schaffung und Pflege von Grünanlagen, städtische Wasser- und Versickerungsflächen, helle Fassaden sowie klimaangepasste Baum- und Pflanzenarten. Ebenso wichtig ist die Förderung von Mischbeständen und Artenvielfalt in Wäldern und Parks. Doch die meisten Städte stehen dabei noch am Anfang: Laut der Kommunalbefragung Klimaanpassung 2023 haben erst zwölf Prozent der Landkreise, Städte und Gemeinden ein Klimaanpassungskonzept. Oft fehlen finanzielle Mittel und personelle Ressourcen. Gegen „Wärmeinseln“ helfen auch Korridore für Frischluft aus angrenzenden Wald- oder Feldgebieten sowie Grünflächen an oder auf Häusern. Wird eine asphaltierte Oberfläche durch Vegetation ersetzt, kann die Temperatur um bis zu fünf Grad gesenkt werden, erklärt die Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez. Mehr Grün kann also die Hitzewelle nicht brechen, aber doch deutlich abmildern.