Welche Zukunft wollen wir?

Lili Fuhr, Bild: Stephan Röhl, Quelle: Flickr Lizenz: Creative Commons BY-SA 2.0

14. März 2012

„The Future We Want“ – die Zukunft, die wir wollen – ist das Motto der großen UN-Konferenz, die im Juni anlässlich des 20. Jahrestages des Erdgipfels ebenfalls wieder in Rio stattfindet. Während Rio+20 vor zwei Jahren noch als großartige Idee daherkam und alle feierten, dass es den Staaten gelungen war, sich in der UN-Generalversammlung auf das Thema „Green Economy“ zu einigen, werden inzwischen auf allen Seiten die Erwartungen erheblich gesenkt. Welchen Fortschritt können wir von einem dreitägigen Treffen der Staats- und Regierungschefs erwarten, die gerade vollauf damit beschäftigt sind, sich aus dem derzeitigen Krisensumpf selbst an den Haaren herauszuziehen?

Der im Januar veröffentlichte Zero Draft – der erste Entwurf für eine Abschlusserklärung des Gipfels – gibt eine Ahnung davon. Beim Lesen fällt als Erstes auf, dass die Schuldzuweisung sehr leicht fällt: Klar, die letzten 20 Jahre sind nicht optimal gelaufen. Schuld daran sind aber nicht etwa politische Entscheidungen oder große Wirtschaftsakteure, sondern die „multiplen Krisen“. Das klingt logisch: Wegen der Finanz-, Wirtschafts-, Energie- und Ernährungskrise haben wir es nicht geschafft, Armut und Hunger zu beseitigen. Andersherum würde es aber eher der Wahrheit entsprechen.

Der Rio+20-Gipfel hat zwei größere Themenstränge. Der eine heißt „Green Economy im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung“, der andere dreht sich um die Reform der UN-Institutionen, die sich um Umwelt und nachhaltige Entwicklung kümmern.

Green Economy soll hier als Mittel zum Zweck dienen, und der Zweck bleibt nachhaltige Entwicklung. Können also die KritikerInnen aufatmen? Wohl nicht, denn das Konzept ist so vage, dass jeder und jede alles darunter verstehen kann und soll. Es wird nicht einmal definiert, was nicht dazugehört. Das ist alarmierend, denn für einige Staaten zählen auch Atomkraft, Gentechnik oder Megastaudämme zur Green Economy. Unter dem Begriff findet sich im Zero Draft die Idee der EU für eine Green Economy Roadmap mit Indikatoren und einem Umsetzungsprozess bis 2030 genauso wieder wie der Vorschlag für Sustainable Development Goals. Solche Nachhaltigkeitsentwicklungsziele sollen bis 2015 entwickelt werden und die UN-Millenniumsziele ergänzen. Auch wirklich gute und wichtige Ideen wie die Aufwertung des UN-Entwicklungsprogramms UNEP tauchen im Zero Draft auf, ihre Umsetzung ist aber keineswegs sicher.

Drei politische Großtrends, die sich durch das ganze Dokument ziehen, sind besonders problematisch:

- das Setzen auf freiwillige Selbstverpflichtungen statt rechtlicher Verbindlichkeit, hier etwa beim Waldschutz und generell bei der Umsetzung der nationalen Green-Economy-Pläne;

- das fast blinde Vertrauen auf Investitionen des Privatsektors, um die große Transformation zu finanzieren, da öffentliche Gelder ja angeblich knapp sind – was bei der Banken- und Eurorettung aber offenbar nicht gilt;

- die Verwandlung von natürlichen Ressourcen wie Wald, Boden oder Biodiversität in „Naturkapital“, das damit handelbar wird und sich in Finanzmarktprodukte umbauen lässt. Das soll nicht nur die Umwelt retten, sondern auch die Finanzwirtschaft.

Zur Klimakrise sagt der Zero Draft dagegen sehr wenig, und das auch nur in Klammern. Man verlässt sich auf die Umsetzung der Ergebnisse des Gipfels von Durban. Für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad wird das zwar nicht reichen, denn in Durban wurde ein neuer globaler Vertrag auf 2020 verschoben. Aber das scheint die Staats- und Regierungschefs wenig zu kümmern. Vorfreude ist bekanntlich die größte Freude.

Aus: umwelt aktuell – Infodienst für europäische und deutsche Umweltpolitik, Ausgabe 2.2012 

» Sie können den gesamten Entwurf als pdf herunterladen.

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Die Geografin Lili Fuhr ist Referentin für Internationale Umweltpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Sie betreibt das Blog klima-der-gerechtigkeit.boellblog.org.

Dossier

20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel wird sich die Weltgemeinschaft vom 4. bis 6. Juni 2012 erneut in Rio de Janeiro treffen. Für die Stiftung ist Rio 2012 Anlass und Gebot, sich aktiv in die politischen Debatten und die Suche nach Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit einzumischen.