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Klimawandel und Energiesicherheit in Ostafrika

Das Olkaria-Geothermie-Kraftwerk im Hell's Gate National Park, Rift Valley, Kenia. Foto: Axel Harneit-Sievers.

Groß-Wasserkraft versus dezentrale erneuerbare Energien

7. August 2009
Axel Harneit-Sievers

Häufige Dürren – die offenbar mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen – gehören zu den großen Herausforderungen in der Region Ostafrika und am Horn von Afrika. Sie treffen nicht nur die Landwirtschaft und die Brauchwasserversorgung der Städte, sondern haben auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Stromerzeugung in der Region. Dürrebedingte Verluste in der Stromerzeugung durch große Wasserkraftwerke sind inzwischen fast zu einer Dauererscheinung geworden. Diese durch den Klimawandel bedingte Energiekrise hat weitreichende Folgen – für die Energieerzeugung selbst und für die Wirtschaft der Region insgesamt. Es ist zu erwarten, dass sich diese Situation in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird, wenn sich die Auswirkungen des Klimawandels verstärken.

Die gängigste Antwort auf dürrebedingte Einbrüche in der Energieerzeugung der Region ist die Einrichtung von Notfall-Kraftwerken auf der Basis fossiler Brennstoffe. Diese Option ist teuer und nicht nachhaltig.

Energiekrise durch Klimawandel

In Uganda führte zwischen 2004 und 2006 das Sinken des Wasserspiegels des Victoria-Sees zu einem Rückgang der Stromerzeugung aus Wasserkraft um 50 MW. Das Wachstum des BIP ging daraufhin von 6,2 Prozent auf 4,9 Prozent zurück. Uganda musste auf kurzfristig importierte Notfall-Stromerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe zurückgreifen, um die Stromknappheit zu kompensieren. Zahlreiche Unterbrechungen in der Elektrizitätsversorgung waren die Folge und der Strompreis stieg.

In Kenia, Tansania, Ruanda und Äthiopien gab es in den letzten Jahren ähnliche dürrebedingte Krisen in der Stromversorgung. Ihre Auswirkungen waren ähnlich wie in Uganda. In Tansania kam es 2006 zu umfangreichen Stromrationierungen, die den industriellen und kommerziellen Sektor sehr negativ beeinflussten.

Bereits die Dürre in Kenia zwischen 1999 und 2002 hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft gehabt, die im Jahr 2000 um 25 Prozent reduziert war. Der daraus resultierende kumulative wirtschaftliche Schaden wurde auf 1 bis 1,5 Prozent des BIP geschätzt.

Dürre lässt Wasserkraft versiegen

Kenias BIP liegt bei 29,5 Mrd. US-Dollar. Die Auswirkungen der Krise in der Energieversorgung in diesen Jahren werden auf einen Verlust von 1,45% des BIP geschätzt, d.h. rund 442 Mio. US-Dollar. Bei geschätzten Investitionskosten von 1,5 Mio. US-Dollar pro MW hätte diese Summe für den Ausbau der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien im Umfang von 295 MW genutzt werden können.

295 MW entsprechen ungefähr dem Dreifachen der Notfallkapazität aus Dieselgeneratoren, die damals kurzfristig eingerichtet wurde. Und es ist ungefähr doppelt so viel wie der tatsächliche Verlust an aus Wasserkraft erzeugtem Strom in Dürrezeiten. Hätte Kenia diese 442 Mio. US-Dollar in erneuerbare Energien investiert, wäre die Krise weitgehend vermeidbar gewesen.

Regierungen und Stromerzeuger in Ostafrika und am Horn von Afrika sollten auf intelligentere, robustere und weniger krisenanfällige Antworten ausweichen, um dürrebedingte Krisen in der Stromversorgung zu bewältigen. Die zentralisierte Elektrizitätserzeugung durch große Wasserkraftwerke stellt zwar auch eine Form der Nutzung erneuerbarer Energie dar, doch hat sie sich in der Region als ausgesprochen krisenanfällig erwiesen.

Dezentrale Technologien tun not

Eine zentrale Antwort auf diese Problematik besteht in der Umorientierung auf ausgereifte, dezentrale Technologien erneuerbarer Energien. Sie halten mehrere Vorteile bereit. Erneuerbare Energien sind ideale Kandidaten zur Ergänzung einer auf großen Wasserkraftwerken basierenden Energie-Infrastruktur. Optionen erneuerbarer Energien – Geothermie, kleine Wasserkraftwerke, Biomasse und Windkraft – sind auch darum attraktiv, weil diese Ressourcen in der Region in erheblichem Umfang vorhanden sind.

Diese Optionen sind nicht nur umweltfreundlich, sondern beinhalten auch aus der Perspektive nationaler Entwicklung zusätzliche Pluspunkte, wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Reduzierung der Kosten für Ölimporte. Vorteile einer Strategie, die auf dezentrale erneuerbare Energien als Vorsorgemaßnahme gegen dürrebedingte Stromversorgungskrisen setzt, sind insbesondere

  • eine verbesserte Energiesicherheit durch breitere Nutzung lokal verfügbarer Energieressourcen wie Geothermie, dezentrale Wasserkraft, Biomasse und Windkraft, die vielfach auch in Dürrezeiten vorhanden sind und dadurch die Versorgungssicherheit erhöhen

  • der höhere Beschäftigungseffekt dezentraler erneuerbarer Energien

  • die Armutsreduzierung, besonders wirksam bei der Investition in lokal produzierte erneuerbare Energietechniken auf Basis von Sonnenenergie und Biomasse, die von lokalen Gemeinschaften zur Einkommensschaffung betrieben werden können

  • die Förderung der ländlichen Entwicklung, da die dafür erforderlichen Ressourcen vor allem in ländlichen Regionen vorhanden sind.

Im Vergleich zu einigen Nachbarstaaten, deren Abhängigkeit von großen Wasserkraftwerken bei der Stromerzeugung ebenfalls bei 50 Prozent und darüber liegt (in Äthiopien sind es sogar rund 85 Prozent), hat Kenia bereits heute ein etwas höheres Niveau an Diversifizierung in der Stromversorgung erreicht. Das Land hat stärker als seine Nachbarn auf Geothermie, Biomasse und (in bislang eher geringem Maße) auf Windkraft gesetzt. Im Ergebnis ist Kenia vergleichsweise weniger stark von dürrebedingten Krisen in der Stromversorgung betroffen.

Potential der Geothermie

Geothermie ist ein gutes Beispiel für die in der Region vorhandenen Potentiale. Knapp über 10 Prozent der kenianischen Stromversorgung werden durch Geothermie-Kraftwerke im Rift Valley gesichert. Während der jüngsten Dürren spielte diese Technik eine kritische Rolle, da sie mit fast hundertprozentiger Auslastung betrieben werden konnte, während viele Wasserkraftwerke im Land dürrebedingt mit stark verringerter Kapazität liefen. Die Kapazität des Olkaria-Geothermie-Kraftwerks in der Nähe von Naivasha wird derzeit weiter ausgebaut. Darüber hinaus ist die Errichtung einer Windkraftanlage in großem Maßstab in der Turkana-Region in Nord-Kenia in Vorbereitung.

Die Insel Mauritius im Indischen Ozean gibt ein gutes Beispiel für die sehr erfolgreiche Nutzung von „Cogeneration“ – der Erzeugung von Strom aus den Nebenprodukten agrarischer Produktion. Cogeneration hat dort Investitionen in ölbetriebene Energieerzeugung begrenzt und die Abhängigkeit des Landes von teuren Ölimporten für die Stromerzeugung entscheidende verringert. Mauritius produziert inzwischen 20 Prozent seiner Elektrizität aus Bagasse, einem bei der Herstellung von Zucker aus Zuckerrohr und Sorghum anfallenden Nebenprodukt.

In der Dekade zwischen 1993 und 2002 stieg die installierte Kapazität von Kraftwerken in der Zuckerindustrie von 43 auf 242 MW. Bereits 1996 wurden 119 GWh Strom aus Cogeneration ins nationale Netz eingespeist. Dies war primär durch Investitionen privater Zuckerfirmen erreicht worden. Bis 2002 wuchs die Stromerzeugung durch Cogeneration signifikant durch Investionen in effizientere Umwandlungsprozesse und eine Vergrößerung der Zahl der Anlagen. Die ins Netz eingespeiste Leistung aus Bagasse-Cogeneration stieg auf 300 GWh, die gesamte von der Zuckerindustrie erzeugte und ins Netz eingespeiste Leistung stieg auf 746 GWh, was im Jahr 2002 43,5 Prozent der gesamten, ins Netz der Insel eingespeisten Leistung ausmachte.

Energie aus Abfall

Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien erlaubt Diversifizierung und stärkt die Energiesicherheit. Länder mit diversifizierter Stromerzeugung können besser mit Dürrekrisen und anderen klimabedingten Unwägbarkeiten fertig werden als solche, deren Stromerzeugung stark von großen Wasserkraftwerken und konventionellen Kraftwerken auf Basis importierter fossiler Brennstoffe abhängt.

Die beschleunigte Umsetzung einer solchen Strategie in Afrika erfordert:

  • Die Einführung attraktiver, langfristig festgesetzter Tarife und von standardisierten Vertragsmustern (Standard Power Purchasing Agreements) für die Einspeisung dezentral erzeugter Energie: Langfristig kalkulierbare Preise und standardisierte Verträge verringern die Risiken, die bislang substanzielleren Investitionen in erneuerbare Energien in der Region im Weg stehen.

  • Die Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle: Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Finanzdienstleistern und Projektentwicklern in der Region sollte beiden Seiten helfen, Wissensdefizite zu überwinden und die Finanzierung für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien bereitzustellen. Finanzdienstleister benötigen ein besseres Verständnis der Rolle und des Potentials erneuerbarer Energie, Investoren ein besseres Verständnis für Finanzierungsmöglichkeiten und -mechanismen. Darüber hinaus können afrikanische Staaten auf verschiedene internationale und regionale Initiativen zurückgreifen, die Mittel für Investitionen im Bereich erneuerbarer Energien bereitstellen, wie die Global Environment Facility (GEF) und der Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls. (Ein inzwischen deutlich gewordener Nachteil des CDM sind seine hohen Transaktionskosten und das große erforderliche Know-How, was bislang die Beteiligung afrikanischer Staaten am CDM sehr begrenzt hat.)

  • Die Entwicklung innovativer Mechanismen zur Teilung der Einnahmen: Eine Möglichkeit, die politische und soziale Unterstützung für den Ausbau erneuerbarer Energien wie den Einsatz von Cogeneration zu vergrößern, ist Gewinnbeteiligung, die auch die Kleinbauern erreicht. In Mauritius ist ein modellhafter Mechanismus entwickelt worden, der alle Beteiligten an den Einnahmen aus dem Verkauf der produzierten Elektrizität teilhaben lässt – einschließlich der Kleinbauern, die das Zuckerrohr für die Fabriken erzeugen. Ähnliche Beteiligungsmechanismen lassen sich als Anreize für den Ausbau geothermaler Ressourcen und anderer erneuerbarer Energien entwickeln und würden die lokale Unterstützung für den raschen Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien in Afrika deutlich verbessern.


Bei diesem Beitrag handelt es sich um Auszüge aus der Studie Large-Scale Hydropower, Renewable Energy Adaptation and Climate Change: Climate Change and Energy Security in East and Horn of Africa, die von einer Autorengruppe um Stephen Karekezi durch AFREPREN/FWD (Nairobi) im Auftrag des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi erstellt wurde und demnächst veröffentlicht wird. Redaktion und Übersetzung: Axel Harneit-Sievers.

Die vollständige Publikation können Sie sich hier herunterladen (PDF, 105 Seiten, 2,3 MB, englisch).

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