Am 14. März 2004 wählte Russland einen neuen Präsidenten - formal. Tatsächlich steht der Sieger, Wladimir Putin, bereits fest und hat schon begonnen, seine neue Regierung zu bilden. Unser Überblick stellt Ihnen die weiteren Kandidaten vor. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Russland.
Wladimir Putin
Der alte und neue Präsident Russlands wird allen Prognosen zufolge Wladimir Putin heißen. Erst im Dezember 2003 erzielte die ihm nahestehende Partei „Einiges Russland“ einen überwältigenden Sieg bei der Dumawahl.
Geb. 7.10.1952 in Leningrad und auch dort aufgewachsen, Jurist, Karriere im Sowjet-Geheimdienst KGB, u.a. in Dresden, Anfang der 90er Jahre stellv. Bürgermeister von St. Petersburg, 1996 Wechsel nach Moskau in die Präsidentenadministration, 1998 Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, August 1999 Wahl zum Premierminister auf Vorschlag des damaligen Präsidenten Boris Jelzin. In dieser Eigenschaft nach Jelzins Rücktritt am 31.12.1999 kommissarischer Präsident, am 26. März 2000 zum Präsident der Russischen Föderation gewählt.
Sergej Glasjew
Geb.1.1.1961 in Saporoschje, Ukraine, Wirtschaftsabschluss an der MGU, Professor der Wirtschaftswissenschaften, 1992 Minister für außenwirtschaftliche Beziehungen, unterstützte im Herbst 1993 die Gegner im Weißen Haus gegen Präsident Jelzin, seit 1993 immer wieder Abgeordneter in der Staatsduma, Ende 2003 zum Fraktionsvorsitzender von „Heimat“ gewählt, Co-Vorsitzender der Partei „Russische Regionen“, von 2000 bis 2003 Vorsitzender des Komitees für Wirtschaftspolitik und Unternehmertum, wohnhaft in Moskau.
Der Stern des früheren KP-Politikers Glasjew ging im Dumawahlkampf im vorigen Herbst auf. Mit seinem linksnationalistischen Wahlblocks Heimat („Rodina“) erhielt er aus dem Stand fast 10 Prozent der Stimmen. Seine Kanidatur hat allerdings zum Zerwürfnis mit dem zweiten starken Mann von Rodina, Dmitrij Rogosin geführt. Der kremltreue Rogosin wollte den ehemaligen Zentralbankchef Wiktor Geraschtschenko zum Präsidentschaftskandidaten von „Rodina“ machen. Anfang März setzte auf Rogosins Betreiben eine Mehrheit der Duma-Fraktion von Heimat Glasjew als Fraktionsvorsitzenden ab und spaltete damit den Block.
Irina Chakamada
Geb. 13.4.1955 in Moskau, Irina Chakamadas Vater war ein japanischer Kommunist, der 1939 in die UdSSR auswanderte, Ende der 80er Jahre Mitgründerin der ersten Warenbürse in der damals noch existierenden Sowjetunion, Wirtschaftsabschluss an der „Patrice Lumumba-Universität“, 1993 – 1997 Dumaabgeordete, Mitglied des Komitees für Wirtschaftspolitik in der Staatsduma, wiedergewählt im Dezember 1999.
Bis zur Dumawahl im Dezember 2003 war Chakamada stellv. Vorsitzende der „Union Rechter Kräfte“ (SPS). Ihre jetzige Präsidentschaftskandidatur wird jedoch von der SPS nicht unterstützt. Inhaltlich steht Chakamada für die Verankerung der Demokratie, der Menschenrechte und der Freien Marktwirtschaft in Russland. Zudem tritt sie für tief greifende Militärreformen ein und lehnt die autoritären Tendenzen in Russland ab.
Nikolaj Charitonow
Geb. 30.10.1948 bei Novosibirsk, 1972 Hochschulausbildung als Agrarwissenschaftler in Novosibirsk, seit 1990 Volksdeputierter im Obersten Sowjet der RSFSR, seit 1993 Mitglied des Komitees für Agrarfragen und Abgeordneter der Staatsduma, Vorsitzender der Agroindustriellen Union/Kommunistische Partei der Russ. Föderation, von 1999 bis 2003 Mitglied des Dumarates, wohnhaft in Moskau.
Laut Umfragen wird Caritonow bei den Präsidentschaftswahlen den zweiten Platz hinter Putin belegen, allerdings kaum mehr als 10 Prozent der Stimmen erhalten. Der frühere Geheimdienstoberst wurde von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) aufgestellt. Seine Kandidatur war ein Kompromiss um die nach der Dumawahlniederlage angeschlagene KPRF vor der Spaltung zu bewahren. Charitonow ist für die Verstaatlichung von „Boden, Forste und Bodenschätzen“. In der vorigen Legislaturperiode ist er vor allem durch große Verehrung für Stalin und Tscheka-Gründer Felix Dserschinskij aufgefallen.
Oleg Malyschkin
Geb. 7.4.1951 im Rostovgebiet, Hochschulabschluss im Bergbauingeneurwesen. Bergmann, Fußballtrainer, Box-Champion, Leibwächter Schirinowskis. Malyschkin ist seit 1991 Mitglied der rechtsextremen LDPR, 2001 Leiter des Zentralapparates der LDPR, heute Abgeordneter der Staatsduma und Mitglied des Obersten Rats der LDPR, wohnhaft in Tazinskaja (Gebiet Rostov).
Auch als Präsidentschaftskandidat lässt Wladimir Schirinowskis seinen Leibwächter wenig mehr als Leibwächter sein. Mit dieser absurden Kandidatur zeigt Schirnowskij erneut (und spricht es klar und deutlich anstelle seines Kandidaten aus), was er von Wahlen und Demokratie hält: nichts! Seinen medienwirksamsten Auftritt hatte Malyschkins im November 2003 während des Dumawahlkampfs, als er vor laufenden Kameras im Studio des Fernsehsenders NTW eine eine Schlägerei anzettelte. Alles nur um die Ehre seines Chefs zu verteidigen, wie er später zu Protokoll gab.
Iwan Rybkin
Geb. 20.10.1946 in Semigorovka, Gebiet Woronesch, Hochschulabschluss 1968 am Landwirtschaftlichen Institut in Woronesch, von 1993 bis 1995 Vorsitzender der 1. Staatsduma, scheiterte 1995 kläglich beim Versuch mit einem „Block Iwan Rybkin“ in die zweite Staasduma einzuziehen, er selbst wurde als Direktkandidat gewählt, 1996-1998 Sekretär der Staatssicherheitsrates und bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten in Tschetschenien, 1998-2000 bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten der RF in den GUS-Staaten, Präsident der Regionalen öffentlichen Stiftung zur Förderung der russischen Sprache als Mittel internationaler Kommunikation, wohnhaft in Moskau.
Rybkin ist Führungsmitglied der Partei "Liberales Russland", die vom im Londoner Exil lebenden „Oligarchen“ Boris Beresowski finanziert wird. Anfang Februar verschand er für einige Tage. Nach seinem Wiederauftauchen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew behauptete er, nur einige Tage Urlaub gemacht zu haben. Später gab er an unter dem Vorwand, einen Vertreter von Tschetschenenpräsident Maschadow zu treffen nach Kiew gelockt worden zu sein. Dort habe man ihn betäubt und im bewusstlosen Zustand kompromittierende Videoaufnahmen mit Prostituierten von ihm gemacht, mittels derer er zur Aufgabe seiner Kandidatur gewzwungen werden sollte. Anfang März, nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in London, zog Rybkin seine Kanidatur zurück.
Sergej Mironow
Geb. 14.2.1953 in Puschkin, Leningrader Gebiet, Hochschulabschluss 1980 am Plechanow-Institut für Geophysik, 1992 Technische Universität St. Petersburg, seit 1994 politisch aktiv, 1997 Russische Präsidiale Staatsdienstakademie, 1998 Staatsuniversität St. Petersburg, seit Dezember 2001 Vorsitzender des Föderationsrates. Vorsitzender der „Russischen Partei des Lebens“. Wohnhaft in St. Petersburg. Warum Sergej Mironow kandidiert, ist eine der undurchschaubaren Fragen des Präsidentenwahlkampfs 2004, denn Mironow erklärt seine Kandidatur als Unterstützung seines Konkurrenten Wladimir Putin. Möglich ist jedoch, dass der Putin-Fan Mironow „für alle Fälle“ als Ersatzkandidat fungiert, sollte mit Putin etwas unvohergesehenes geschehen.