Gedanken einer Zionistin

 

Dies sind die Gedanken einer Zionistin, Vorstandsmitglied von Meretz und Peace Now, während einer Demonstration der kommunistischen „Chadasch“-Partei. Ich fragte mich nicht, „was mache hier bei dieser Gruppe?“. Diese Frage habe ich für mich bereits während des Zweiten Libanonkrieges beantwortet. Ich fragte mich vielmehr: „Was tut Israel?“ Wie sind wir an diesen Punkt gekommen, zu einem weiteren Krieg – einem Krieg, dessen Zielsetzung unklar ist, und dessen Folgen uns weder einer Lösung des israelisch-arabischen Konfliktes, noch einer höheren Sicherheit für Israel auch nur einen Zentimeter näher bringen können.

Aber schlimmer noch: Wie sind wir zu einem Punkt gekommen, an dem wir in dicht besiedelte Wohngebiete einrücken, in denen praktisch keine Chance zur Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten besteht, und in denen Unschuldige keine Möglichkeit haben, zu fliehen? Natürlich hat die Hamas eine Rakete nach der anderen auf die israelische Zivilbevölkerung abgefeuert.

Aber wie ist es dazu gekommen? War es nicht das Fehlen jeglicher Anzeichen, dass es wirklichen Fortschritt hin zu einem Ende der Besatzung geben könnte? War es nicht der fortgesetzte Landraub für Siedlungen, die einen palästinensischen Staat verhindert haben? War es nicht auch das Versäumnis, Gefangene freizulassen oder das Joch der Besatzung zu lockern? War es nicht die Verweigerungshaltung gegenüber der aus dem Mekka-Abkommen hervorgegangenen Regierung der nationalen Einheit und die Umwandlung des Gazastreifens in ein riesiges Gefängnis, die – alles zusammengenommen – eine extremistische Gruppe wie die Hamas an die Macht brachte? Hat dies nicht Hamas gestärkt, während es diejenigen Palästinenser geschwächt hat, die in Verhandlungen mit Israel stehen und die auf eine friedliche Lösung des Konfliktes drängen?

Wie dem auch sei: Ich glaube, der eigentliche Ursprung der gegenwärtigen Situation liegt tiefer, liegt nicht nur in unserer Führung – er ist auch in unserer eigene Psyche begründet. Das Problem ist die Wahrnehmung unserer selbst als eines belagerten, von feindlich gesinnten Arabern umgebenen Opfers; völlig ungeachtet der Tatsache, dass die gesamte arabische Welt – vertreten durch die Arabische Liga – uns Frieden und Sicherheit, Normalisierung und ein Ende des Konfliktes angeboten hat. Unsere chauvinistische Gefühlslage geht dahin, dass eine Demonstration von Macht und Stärke wieder einmal auf irgendeine Weise die Botschaft vermitteln soll, wir seien nicht schwache Diaspora-Juden, sondern „echte Männer“. Und worin besteht die Wiedererlangung unserer Abschreckungsfähigkeit, wenn nicht in einer weiteren, aus verletztem Stolz geborenen Demonstration von Macht und Stärke (vielleicht auch für den inneren Gebrauch)?

Aber ist es nicht merkwürdig – aus irgendeinem Grund scheint keiner dazuzulernen, und ebenso wenig können Kollektivbestrafungen die andere Seite jemals von einer Fortsetzung ihres Kampfes abbringen und zu einer Erhebung gegen die eigene Führung aufwiegeln. Würden wir von den Bürgern von Sderot erwarten, dass sie sich unter Beschuss den Reihen der PLO anschließen, um so gegen eine israelische Führung zu opponieren, die weiter über jeden einzelnen Kilometer eines Rückzuges herumstreitet, eines Rückzugs, der eine Lösung des historischen Konfliktes bringen könnte?

Jeder – einschließlich der Armee – weiß, dass es weder für die Qassams noch für den Konflikt eine militärische Lösung gibt. Die einzige Antwort besteht in einem Ende der Besatzung und in einem Friedensabkommen. Ein solches Abkommen wird es mit der Hamas zwar nicht geben; sie wird sich ihm aber sicher nicht verweigern können, sollte es die PLO zustande bringen. Nicht israelische Stärke, sondern nur ein palästinensischer Staat in direkter Nachbarschaft zum Staat Israel kann den Niedergang der Hamas bewirken.

Übersetzung aus dem Englischen: Markus Rutsche

Professor Galia Golan ist akademische Direktorin des internationalen Programms und des Programms für Konfliktlösung an der Lauder School of Government, Diplomacy and Strategy am Interdisciplinary Center, Herzliya und Vorstandsmitglied der Friedensorganisation Peace Now und der Partei Meretz und Mitglied der International Women's Commission for a Just and Sustainable Palestinian-Israeli Peace.

 
 
 

Dossier

Krise in Gaza

Am 27. Dezember 2008 begann mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen Israels Offensive „Gegossenes Blei”. Zwar herrscht seit dem 18. Januar 2009 eine Waffenruhe, aber eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht. Hintergründe und Stimmen zu dem Konflikt finden Sie in unserem Dossier.