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1967 – 1991: Oliver Reginald Tambo

Niemand ist so lange ANC-Präsident wie Oliver Tambo; er ist es, der den Widerstand gegen die Apartheid in den internationalen Schlagzeilen hält und in mühsamer Exilarbeit das internationale Renommée der Organisation aufbaut und festigt.

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Niemand ist so lange ANC-Präsident wie Oliver Tambo; er ist es, der den Widerstand gegen die Apartheid in den internationalen Schlagzeilen hält und in mühsamer Exilarbeit das internationale Renommée der Organisation aufbaut und festigt.

Oliver Reginald Tambo wird am 27. Oktober 1917 im Dorf Kantolo im Eastern Cape geboren.
Im Alter von zehn Jahren kommt er mit seinem Bruder Alan nach Flagstaff auf die Missionsschule des Anglican Holy Cross; zwei Nonnen helfen, sein Schulgeld zu finanzieren. An der St. Peter’s Secondary School in Johannesburg besteht Tambo 1936 sein Junior-Certificate-Examen gemeinsam mit einem zweiten Schüler mit Auszeichnung – die beiden sind die ersten Afrikaner, die das schaffen.

Oliver Tambo geht an die Universität von Fort Hare, engagiert sich in der Studentenschaft und wird 1942 deswegen ausgeschlossen. Von 1943 bis 1947 unterrichtet er Mathematik und Physik an seiner alten Schule.

Nebenbei engagiert Tambo sich weiter politisch. 1944 gehört er zu den Gründungsmitgliedern der ANC Youth League (ANCYL) und wird ihr erster Generalsekretär. 1947 wird er in das National Executive Committee des ANC gewählt.

Am 24. Juli 1951 besteht Tambo das Anwalts-Examen, ein Jahr später eröffnet er mit Nelson Mandela in Johannesburg ein Anwaltsbüro – das erste schwarze Anwaltsbüro in Südafrika. Als die Regierung Walter Sisulu bannt und seine öffentliche politische Arbeit für den ANC unmöglich macht, übernimmt Tambo 1954 das Amt des ANC-Generalsekretärs. Wenig später wird auch er gebannt. Den „Congress of the People“ (COP) in Kliptown im Juni 1955, den er selbst mit angeregt und vorbereitet hat, kann Tambo nur versteckt von einem Fenster im Nachbarhaus aus mitverfolgen.

Perspectives Afrika: In dieser englischsprachigen Publikationsreihe wollen wir Fachleuten aus Afrika eine Plattform bieten, ihre Ansicht zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen ihrer Regionen zu veröffentlichen. Perspectives Africa legt dabei den Fokus auf Standorte im Süden, Osten und Westen des Kontinentes an denen die Heinrich-Böll-Stiftung mit Regionalbüros vertreten ist.

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1957 wird Tambo stellvertretender ANC-Präsident. Auf der nächsten Jahres-Konferenz muss er den Auszug der „Afrikanisten“ und damit die Spaltung der Organisation erleben. Die ANC-Verfassung wird von einer Arbeitsgruppe unter seiner Leitung überarbeitet – die neue Version erhält intern den Namen „Tambo-Verfassung“.

Am 27. März 1960 verlässt Oliver Tambo heimlich Südafrika und geht ins Exil; seine Frau Adelaide und die drei Kinder folgen ihm und erreichen nach einer wochenlangen Reise am 15. September London. Während Adelaide, eine Krankenschwester, mühsam den Lebensunterhalt für die Familie erwirtschaftet, reist Tambo durch die Welt und versucht überall, Unterstützung für den Kampf gegen die Rassentrennung zu mobilisieren; von den zwei Pfund Spesen, die ihm der ANC pro Woche zubilligt, zwackt er manchmal das Porto für die Postkarten an die Kinder ab.

Tambos Arbeitspensum ist enorm. Er muss sich um die steigende Zahl der ANC-Exilanten kümmern, organisiert die MK-Ausbildungslager, wirbt um finanzielle und moralische Unterstützung, errichtet ANC-Büros, ist Lobbyist bei Regierungen und internationalen Institutionen. Nach dem Unfalltod von Albert Luthuli (1967) wird Tambo amtierender ANC-Präsident. 1969, auf einer ANC-Konferenz in Morogoro im tansanischen Exil, wird er offiziell im Amt bestätigt und 1985 wiedergewählt.

Es gelingt Tambo, geheime Kommunikationskanäle mit Nelson Mandela über die Jahre aufrecht zu erhalten. Nach den Schülerunruhen von Soweto ist der ANC-Präsident im Exil der erste Vertreter einer Befreiungsbewegung, der vor dem Sicherheitsrat der Vereinten sprechen darf (1977). Zu seinen Landsleuten kann er über einen Radiosender reden, den der ANC von Sambia aus betreibt: „Radio Freedom“. Seinen dramatischsten Appell richtet er am 8. Januar 1985 an seine Hörer, nachdem die Unruhen zugenommen und die weiße Regierung den Ausnahmezustand verhängt hat: „Macht Südafrika unregierbar!“ Weiße und Schwarze sollten die Apartheidpolitik unterlaufen und neue Strukturen aufbauen.

1989 erleidet Tambo einen ersten Schlaganfall und verliert die Sprache. Ein Jahr später – er erholt sich noch davon und kann nur stockend reden - gibt es für ihn in Schweden nach 30 Jahren ein bewegendes Wiedersehen mit Nelson Mandela. Im Dezember 1990 kehrt die Familie Tambo nach Südafrika zurück.

Für Nelson Mandela tritt Tambo von seinem Amt als ANC-Präsident zurück und bekleidet das neu geschaffene – vor allem repräsentative - Amt des Nationalen Vorsitzenden. Mandela würdigte Oliver Tambo bei seinem Rückzug: „Er hat den Weg nach vorn mit Gold gepflastert, dem Gold seiner Menschlichkeit, seiner Warmherzigkeit, seinem demokratischen Geist, seiner Toleranz und vor allem seines intellektuellen Scharfsinns, der letztendlich die Rassisten in diesem Land ausstach.“

Am 23. April 1993 stirbt Oliver Tambo nach einem Herzanfall in Johannesburg. Er erhält ein Staatsbegräbnis. Auf dem Grabstein stehen seine eigenen Worte: „Es ist unsere Verantwortung, trennende Barrieren zu durchbrechen und ein Land zu schaffen, in dem es weder Weiße noch Schwarze, sondern nur Südafrikaner gibt, frei und vereint in Verschiedenheit.“