Am 22. Januar 2013 geht Israel zur Wahl. Zu erwarten ist kein Erdbeben - noch sitzen Benjamin Netanjahu und seine Mitte-Rechts-Regierung fest im Sattel. Doch erste Zeichen eines längerfristigen Wandels, wie ihn viele nach den Sozialprotesten prophezeit haben, deuten sich an.
Hintergrund: Warum wird gewählt?
Regulär sollten die Wahlen erst im Herbst 2013 stattfinden. Bereits im Juni 2012 stand Netanjahu kurz davor, Neuwahlen auszurufen. Ziel war, sich vor den US-Präsidentschaftswahlen neue Legitimation zu verschaffen und Stärke zu beweisen. Doch bevor sich die Knesset auflösen konnte, sprang Kadima-Chef Shaul Mofaz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Netanjahu-Regierung ein, in der Hoffnung, sich und seine Partei vor einem Wahldebakel im Herbst zu retten. Offiziell hieß es, man wolle in einer Regierung der nationalen Einheit die drängende Frage des Militärdienstes für Ultra-Orthodoxe klären. Mofaz versprach sich auch Einfluss darauf, einen israelischen Militärschlag gegen den Iran zu verhindern. Doch die Rechnung ging nicht auf: Nach nur einem Monat scheiterte nicht nur die Einigung über den Militärdienst, sondern Kadima schied auch gleich wieder aus der Regierung aus. Seither kämpft die Partei mit Zerfallserscheinungen und einem nachhaltigen Einbruch in den Umfragen: In der aktuellen Knesset noch stärkste Fraktion, in den Umfragen stabil bei nur noch acht Sitzen.
Dieses Mal heißt es offiziell, die derzeitige Regierung hat keine Mehrheit für den nationalen Haushalt. Von einer Regierungskrise war jedoch wenig zu spüren. Neuwahlen sollen nun für eine notwendige Mehrheit sorgen. Doch auch jetzt ist davon auszugehen, dass der Premierminister, unangefochten auf dem politischen Feld, sich den deutlichen Auftrag des Volkes holen will, um einem wiedergewählten Präsidenten Obama gestärkt Paroli bieten zu können. Wenn Mitt Romney als Sieger aus der Wahl hervorgehen sollte, mit welchem das Verhältnis Israels und den USA leichter zu kitten sein wird, kann sich Netanjahu zumindest sicher sein, einige Jahre länger im Amt zu bleiben.
Der Wahlkampf startet mit der Mannschaftsaufstellung: Politiker und Parteien formieren sich
Seit dem Sommer wussten die Israelis, dass es früher oder später vorzeitige Wahlen geben würde. Politiker und Parteien begannen, sich in Stellung zu bringen. Wenig Veränderung ist in Netanjahus Likud, Liebermans Yisrael Beiteinu und in den kleinen Parteien am rechten und religiösen Rand zu erwarten. Bislang musste der Premierminister nur auf einen beliebten und charismatischen Minister, Moshe Kahlon, verzichten, der sich vorübergehend aus der Politik verabschiedet. Große Auswirkungen wird dieser Verlust nicht haben.
Dramatisch ist die Aufstellung von Kadima. Von 28 Abgeordneten müssen die meisten um eine Wiederwahl bangen. Junge Talente, wie Shlomo Molla und Nino Abesadze, die im Sommer gegen die nationale Einheitsregierung rebelliert hatten, werden sich voraussichtlich eine neue Heimat suchen müssen. Shaul Mofaz, der Kadima erst im Frühjahr von Tsipi Livni übernommen hatte und sich taktisch verkalkuliert hat, ist bereit, seine Spitzenkandidatur und den Vorsitz an Ehud Olmert abzutreten, sollte dieser sich entschließen, wieder für Kadima anzutreten. In der Tat, vor wenigen Wochen von einer Reihe von Korruptionsvorwürfen freigesprochen, spekuliert Olmert wieder, in die Politik zurückzukehren. Im Jahr 2009 war er Netanjahu nach den Libanon- und Gaza-Kriegen (2006 und 2008) unterlegen und aus der Politik ausgestiegen. Auch Tsipi Livni denkt über ein Comeback nach; im Duett mit Ehud Olmert. Ob sie allerdings für Kadima antreten oder eine neue Partei gründen, ist noch offen. Ehud Olmert scheint rehabilitiert und wird aktuell geradezu zu einem Heilsbringer stilisiert. Umfragen zeigen ihn als einzigen israelischen Politiker, der Netanjahu gefährlich werden könnte. Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen kann jedoch keine Rede sein. Es spricht nur dafür, dass das übrige Feld ausgesprochen schwach ist.
Größte Gewinnerin der Wahlen könnte die bereits totgesagte Arbeitspartei werden. Seit den Sozialprotesten, zu deren Höhepunkt die Sozialpolitikerin Shelly Yachimovich den Vorsitz übernahm, erlebt sie ein Revival sondergleichen. Nach jahrelangem Sinkflug und der Spaltung im Januar 2011, als Ehud Barak und einige Minister aus der Fraktion ausstiegen, könnte die Arbeitspartei zweitstärkste Fraktion in der Knesset werden. Yachimovich ist, von den Wellen der Sozialproteste getragen, zur Lichtfigur der israelischen Linken geworden. Sogar einige Führungspersönlichkeiten der Sozialproteste wollen für die Arbeitspartei antreten: Die junge Stav Shaffir, die gemeinsam mit Daphni Leef als Gründerin der Proteste gilt, und der Studentenführer Yitzik Shmueli haben ihre Hüte bereits in den Ring geworfen. Sie wären die jüngsten Abgeordneten der Knesset. Der Soziologe Yossi Yona hat seine Entscheidung noch nicht offiziell bekannt gegeben. Er leitete gemeinsam mit Avia Spivak die alternative Kommission zur Lösung der sozialen Fragen und wurde damit zum intellektuellen „Master Mind“ der Sozialbewegung. Auch der Vater von Gilad Shalit hat vor längerer Zeit angekündigt, mit der Arbeitspartei in die Politik einsteigen zu wollen. Zuletzt hat sogar der Vorsitzende der Friedensorganisation „Peace Now!“, Yariv Oppenheimer, seine Kandidatur angekündigt. Der frische Wind der Zeltstädte und des Tel Aviver Rothschild-Boulevards verleihen der Arbeitspartei damit neuen Sex-Appeal. Wie viel neue Politik wirklich dahinter steckt, ist eine große Frage.
Aufgemischt werden könnten die Wahlen durch die Partei der sephardischen Juden, Shas. Unter deren Vorsitzenden und Innenminister Eli Yishai ist die Partei weit nach rechts gerückt. Der ehemalige Vorsitzende Aryeh Deri, der wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt aufgeben musste und zwischenzeitlich eine Gefängnisstrafe aussaß, hat sein Comeback angekündigt. Ihm sagen die Kommentatoren großen Einfluss und hohes Potential voraus. Unter seiner Führung könnte Shas sich durchaus einer zentristischen Regierung anschließen, die Netanjahu doch noch gefährlich werden könnte.
Die einzig neue Partei mit Aussicht auf einen Einzug in die Knesset ist „Yesh Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) des Medienstars Yair Lapid. Sie liegt in Umfragen zwischen zehn und 15 Sitzen und könnte das Auffangbecken für ehemalige Kadima-Abgeordnete und -Wähler/innen werden. Der Sohn von Tommy Lapid, der in den 90er Jahren mit der liberalen Partei Shinui erfolgreich war, tritt auch thematisch in die Fußstapfen seines Vaters. Er will den demokratischen, liberalen und säkularen Charakter Israels verteidigen. Damit sagt er den an Einfluss gewinnenden ultra-orthodoxen Parteien den Kampf an. Sei es bei der Frage der Wehrgerechtigkeit oder dem Einfluss von Religion auf das öffentliche Leben. Vielen Wähler/innen wird er mit seiner bisweilen anti-religiösen Rhetorik jedoch zu weit gehen, denn auch viele säkulare Juden glauben zwar, dass fundamentalistische Auswüchse der Ultra-Orthodoxen, wie die Segregation in einigen Bussen Jerusalems, eine Gefahr für Israels Demokratie sind; sie sehen in ihnen jedoch keinen Feind. Sie wünschen sich vielmehr religiösen Pluralismus und die Anerkennung des konservativen und Reformjudentums.
Die arabische Bevölkerung, gut 20 Prozent des Landes, sind durch drei Parteien in der Knesset vertreten. Die Wahlbeteiligung im arabischen Sektor hat in den vergangenen zwanzig Jahren dramatisch abgenommen. Vor jeder Wahl wird ein Wahl-Boykott debattiert. In der Knesset werden die Parteien Ra’am Ta’al, Balad sowie Hadash, eine jüdisch-arabische Partei, zur linken Opposition gerechnet, obwohl sie nicht alle eindeutig links einzuordnen sind. Führenden Köpfe, wie die Balad-Abgeordnete Haneen Zoabi und Ahmad Tibi von Ra’am Ta’al, wird immer wieder gedroht, sie könnten von den Wahlen ausgeschlossen werden. Ihnen wird Staatsfeindlichkeit vorgeworfen. Als nicht-zionistische Verteter/innen der israelischen Araber ist nicht davon auszugehen, dass sie selbst einer Mitte-Links-Regierung beitreten würden. Dennoch sind sie die einzige, indigene Interessenvertreter/innen der arabischen Bevölkerung. Sie führen auch interne Debatten ähnlich der jüdischen Mehrheitsbevölkerung zwischen einer zunehmenden Politisierung der Religion durch die islamischen Bewegungen und einem säkularen und demokratischen Modell. Im gegenwärtigen Wahlgang könnte es sein, dass die arabisch-israelischen Parteien gemeinsam antreten.
Die Partei „The Green Movement“ ist eine von zwei grünen Parteien in Israel, die im Jahr 2009 zum ersten Mal bei Knesset-Wahlen angetreten ist und knapp an der 2-Prozent-Hürde scheiterte. Seither hat sie sich mit kommunalen Abgeordneten aus rund 20 Gemeinden der ursprünglichen grünen Partei zusammengeschlossen und vor allem im Zuge der Sozialproteste ihre Mitgliederbasis ausgebaut. Thematisch setzen ihre Vorsitzenden Racheli Tidhar-Caner und Alon Tal auf einen „Green New Deal“ für Israel. Auf eigene Faust werden sie einen Einzug in das israelische Parlament kaum schaffen. Schon als es im vergangenen Sommer um vorzeitige Wahlen ging, führten sie Gespräche mit Meretz, der Arbeitspartei, und auch Yesh Atid, über gemeinsame Listen. Damals schien Shelly Yachimovich durchaus offen für eine Kooperation. Aktuell eruiert das „Green Movement“, ob sie mit einer Reihe kleinerer Parteien, die zum Teil aus den Sozialprotesten entstanden sind, eine Allianz eingehen; darunter auch die neue Formierung „Eretz Hadaschah“ (Neues Land), des ehemaligen Netanjahu-Beraters Eldad Yaniv. Auch wenn ein Einzug über eine solche Liste keineswegs gesichert wäre, böten sie eine Alternative für diejenigen Wähler/innen der israelischen Linken, die in der wiederbelebten Arbeitspartei keine Option sehen. Sie wäre tatsächlich die einzig neue und frische Kraft im linken Spektrum. Offen ist, ob auch die Meretz-Partei sich einer solchen Liste anschließen würde. In Umfragen pendeln sie zwischen zwei und vier Sitzen. Damit befindet sich die große Friedenspartei der 90er Jahre von Yossi Beilin durchaus in einem Existenzkampf.
Wahlkampfthemen: Iran vs. Soziale Gerechtigkeit?
Inhaltlich ist der Wahlkampf noch nicht in vollem Gange. Kommentatoren gehen davon aus, dass Premierminister Netanjahu ganz auf Sicherheit setzen wird und den Urnengang zu einem Referendum über einen Iran-Angriff macht. Die Sicherheit Israels ist Netanjahus großes Pfund. Während seiner Regierungszeit ist es, außer regelmäßigen Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen, weder zu einem Krieg, noch zu schweren Terroranschlägen gekommen. Der letzte Libanon-Krieg (2006) und die Operation „Gegossenes Blei“ im Gaza-Streifen (2008) geschahen zu Ehud Olmerts Regierungszeit. Lediglich das Versagen der Behörden beim großen Waldbrand bei Haifa im Dezember 2010 geschah unter Netanjahu, der die Schuld daran jedoch weitestgehend auf Innenminister Eli Yishai (Shas) abwälzen konnte. Ein Angriff auf den Iran ist hoch umstritten. Quasi die gesamte Militär- und Geheimdienstführung ist dagegen; auch die öffentliche Meinung spricht sich mehrheitlich gegen einen Angriff aus. Dennoch gilt Netanjahu als der einzige, der Israel vor der Bedrohung einer iranischen Atombombe schützen kann.
In anderen Politikfeldern hat die Netanjahu-Regierung weniger vorzuweisen. Zwar ist die globale Wirtschafts- und Finanzkrise weitgehend an Israel vorbeigezogen, doch verschlechtern sich die Wirtschaftsdaten allmählich auch hier, obgleich das Wirtschaftswachstum noch deutlich höher liegt als im Rest der OECD. Die Staatsverschuldung steigt und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich zunehmend. Am Image des Ministerpräsidenten kratzen diese Entwicklungen kaum. Er ist ein talentierter Taktiker. Schon im vergangenen Jahr hat er die Sozialproteste geschickt ausgehebelt, indem er zunächst eine Kommission unter dem Wirtschaftsprofessor Manuel Trachtenberg einberief, deren Empfehlungen zwar den Protestierenden den Wind aus den Segeln genommen hatten, jedoch dann nicht in eine andere Politik mündeten. Netanjahu konnte sogar die Steuern erhöhen, ohne dass sich im Umkehrschluss für die Bevölkerung etwas verbessert hätte.
Grundsätzlich steigt der Druck auf die israelische Wirtschaft und Gesellschaft. Die Bevölkerung wächst, vor allem unter den Ultra-Orthodoxen, die verhältnismäßig wenig zur wirtschaftlichen Entwicklung beisteuern. Der staatliche Haushalt überdehnt sich aufgrund hoher Kosten für Militär und Sicherheit, aufgrund der Pensionen für ehemalige Militärangehörige und dadurch, dass hunderttausende Ultra-Orthodoxe von Sozialhilfe leben. Die Wirtschaft wird von wenigen Großunternehmern geprägt, welche die Preise vorgeben können. Deren Höhe wird zudem von der enormen Importabhängigkeit des Landes beeinflusst. Nahezu alle Energieressourcen müssen von weither ins Land gebracht werden. Ein Grund: durch den ungelösten Konflikt mit den Palästinensern bleibt Israel im Nahen und Mittleren Osten isoliert und kann, abgesehen von ägyptischem Gas, das seit dem Regimewechsel am Nil auch nicht mehr zuverlässig fließt, nicht auf regionale Kooperation und Handel setzen. Ein Ende dieser Spirale ist nicht in Sicht.
Genau hier will sich Shelly Yachimovich als Alternative anbieten und ganz auf das Thema der sozialen Gerechtigkeit setzen. Ihre Sorgen sind der wachsende Druck auf die israelische Mittelklasse und enorme Preissteigerungen, die es sogar gut verdienenden Familien zunehmend unmöglich machen, in der Metropolregion um Tel Aviv noch Wohnungen und Häuser zu kaufen. Wie sie damit jedoch gegenüber einem Ministerpräsidenten Netanjahu bestehen will, der mit allen Registern einen sicherheitspolitischen Wahlkampf führen wird, bleibt ein Rätsel.
Was fehlt: Der israelisch-palästinensische Konflikt.
Einzig und allein Meretz setzt im Wahlkampf noch auf eine Lösung des Nahost-Konflikts. Die Vorsitzende Zehava Galon hat noch im September einen eigenen Friedensplan vorgelegt, der jedoch auf wenig Resonanz stieß. Ansonsten spielt die Besatzung der palästinensischen Gebiete in der israelischen Innenpolitik nahezu keine Rolle. Sie ist ein Randgruppenthema geworden. Die Regierung wird es nicht thematisieren und auch Shelly Yachimovich macht einen großen Bogen darum. Die breite Mehrheit der Bevölkerung Israels spürt durch die Fortsetzung der Besatzung auch keine Nachteile. Es gibt keine Terroranschläge und keinen Krieg. Der Wirtschaft geht es bis dato verhältnismäßig gut, und aufgrund der Mauer ist die tatsächliche Entwicklung in den palästinensischen Gebieten aus dem Blickfeld gerückt. Dass die zunehmende soziale Ungerechtigkeit innerhalb Israels auch mit den hohen Kosten für das Aufrechterhalten der Besatzung und mit Investitionen in Siedlungen, und nicht diesseits der grünen Linie, zu tun haben könnte, ist selbst unter den führenden Kräften der Sozialproteste umstritten. Für die wachsende, internationale Isolierung Israels werden linke Menschenrechts- und Friedensorganisationen und ihre internationalen Partner verantwortlich gemacht. Gleichwohl auch die palästinensische Seite derzeit, aufgrund der inneren Spaltung zwischen Fatah und Hamas und des dramatischen Ansehensverlusts von Mahmut Abbas sowie der palästinensischen Autonomiebehörde, nicht in der Lage ist, große Schritte auf Israel zuzugehen, zeigen auf israelischer Seite Pläne, illegale Siedlungen zu legalisieren und den Ausbau von Siedlungen um Jerusalem voranzutreiben, dass zumindest die aktuelle Regierung nicht an eine baldige Erreichung einer Zwei-Staaten-Lösung denkt.
Was bleibt: Ein neuer Diskurs?
Ob der Wahlkampf noch wirklich spannend wird, hängt in den kommenden Wochen davon ab, wie sich das politische Feld letztlich aufstellt: Tritt Ehud Olmert tatsächlich in einer aussichtsreichen Formation an? Kann Arieh Deri die Shas-Partei neu in Richtung Mitte ausrichten? Gelingt es Yair Lapid, sich als wirkliche Alternative anzubieten? Und verleihen die Neuzugänge aus den Sozialprotesten wirklich kräftigen Rückenwind für die Arbeitspartei?
Auch außerparlamentarisch könnte dieser Wahlkampf stärker geprägt werden als zuvor. Der Sommer 2011 hat eine neue Protestkultur und neue Kreativität hervorgebracht, die sich auch auf die Wahlen auswirken könnte. Bereits jetzt ist die neue wachsende Rolle der sozialen Medien sichtbar. Nicht nur Parteien werden auf Online-Wahlkampf setzen. Aktivist/innen und Initiativen führen bereits jetzt Kampagnen auf Facebook und Twitter durch, initiieren Debatten und begleiten den Wahlkampf mit ideenreichen und humorvollen „Memes“ (Bild-Collagen auf Facebook und Twitter). Es bedarf keiner Parteien oder Nichtregierungsorganisationen mehr, sondern lediglich kreativer und talentierter Köpfe, um die Internet-Generation zu erreichen.
Aus dem Spektrum der Sozialproteste ist eine überparteiliche „Get out the vote“-Kampagne geplant, die dem dramatischen Rückgang der Erstwähler/innen und der arabischen Bevölkerung entgegentreten will. Insbesondere im Mitte-Links-Spektrum Israels ist die Wahlbeteiligung in den vergangen zehn Jahren - seit der 2. Intifada und dem Zusammenbruch des Verhandlungsprozesses mit den Palästinensern - zurückgegangen. Die Initiatoren sagen, es helfe nicht, über den Zustand der israelischen Demokratie und des Parteiensystems zu lamentieren. Das mindeste, was die Menschen tun könnten, sei zur Wahl zu gehen.
Nicht auszuschließen ist, dass es in der heißen Wahlkampfphase im Januar auch wieder zu größeren Demonstrationen kommt; vor allem, wenn zu erkennen ist, ob und wie die etablierten Parteien auf die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen in Israel eingehen. Es kann also durchaus sein, dass der heiße Sommer von 2011 erste Früchte trägt und die Politik Israels doch noch nachhaltig beeinflusst.