„Rund um die Uhr für Sie da.“

Lesedauer: 13 Minuten

Von Sarah Schilliger


In der Schweiz boomt der private Markt für ambulante Pflege und Betreuungs- sowie Haushaltsdienste. Dabei etabliert sich gegenwärtig ein Rotationssystem von Pendelmigrantinnen zur 24h-Betreuung in Privathaushalten. Im Rhythmus von zwei Wochen bis drei Monaten pendeln sie zwischen zwei Haushalten hin und her: ihrem Familien-Haushalt im Herkunftsland und dem Erwerbsarbeits-Haushalt in der Schweiz. Hier umsorgen die Frauen aus Ländern wie Polen, der Slowakei oder Ungarn rund um die Uhr pflegebedürftige Menschen in deren eigenen vier Wänden und füllen damit eine akuter werdende Versorgungslücke im Schweizer Pflegesystem.

«Wir helfen Ihnen, das Leben angenehmer zu gestalten und bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden zu meistern. Wir stellen Ihnen schnell und unkompliziert eine Haushaltshilfe oder Betreuungsperson ganz nach Ihren individuellen Bedürfnissen zur Seite, die rund um die Uhr für Sie da ist.» So wirbt die Schweizer Agentur homecareservice24 auf ihrer Internetseite für ihre Dienste. Das private Care-Arrangement mit Pendelmigrantinnen wird in den Werbebroschüren von Vermittlungsagenturen als «angenehme, hilfreiche und kostengünstige Alternative» zur Pflege in einem Heim präsentiert. Laut der Agentur McCare bieten 24h-Betreuerinnen Unterstützung bei den Aktivitäten des eigenen Lebens, sind rund um die Uhr ansprechbar und können Überlastungen der Familienangehörigen vermeiden. Wie die Firma Pflege-Fee auf ihrer Website ausführt, muss dank der 24h-Präsenz nicht wie bei den herkömmlichen ambulanten Pflegediensten «nach Minuten oder Anzahl der Verrichtungen» einzeln abgerechnet werden. Die Firma Home Instead – ein US-amerikanisches Franchise-Unternehmen, das weltweit rund 900 Filialen (davon 20 in der Schweiz) betreibt – hat sich «zum Ziel gesetzt, pflegende Angehörige zu entlasten»: «Wir beginnen dort, wo die öffentlichen Angebote enden.» Den Spitex-Angestellten bleibe für das Zwischenmenschliche oft zu wenig Zeit. Die «Care-Givers», wie die Mitarbeitenden der Firma genannt werden, «sind Gesprächspartner und Vertraute, helfen im Haushalt, erinnern an Medikamente, kochen Lieblingsspeisen oder erledigen Einkäufe».

Betreuung von Pflegebedürftigen

«Daheim statt ins Heim» – das ist ein steigendes Bedürfnis einer Generation von Seniorinnen und Senioren, die sich mehr Autonomie wünscht. Dazu gehören die Vertrautheit der eigenen Wohnung, die Nachbarschaft, die gewohnte soziale Umgebung im Quartier oder Dorf – und die Gefühle und sozialen Beziehungen, die damit verbunden sind. Die Mehrheit der älteren Menschen möchte heute so lange wie möglich zu Hause leben. «Ambulant vor stationär» – so lautet auch das Credo, das von politischer Seite bezüglich Alterspolitik verfolgt wird – mit dem Ziel, die vergleichsweise teure Pflege in Institutionen zu reduzieren. Die von den Agenturen angepriesenen Vorzüge eines privaten Care-Arrangements mit Migrantinnen deuten zudem auf Überlastungssituationen von Angehörigen hin, auf nicht zufriedenstellende öffentliche Pflegeinstitutionen – und auf die Tatsache, dass Pflege und Betreuung in der Schweiz sehr stark eine Privatangelegenheit ist. Zwar existieren gut ausgebaute professionelle Dienste (Altersheime, ambulante Pflegedienste), doch die staatlich subventionierte Unterstützung beschränkt sich hauptsächlich auf medizinische Pflegeleistungen. Wie eine aktuelle internationale Studie (OECD 2011) aufzeigt, ist die Selbstbeteiligung der privaten Haushalte an den Kosten für die Langzeitpflege in der Schweiz vergleichsweise hoch. Mit der Einführung der neuen Pflegefinanzierung ist der finanzielle Druck auf Pflegebedürftige und ihre Familien weiter gestiegen, weil neu in diversen Kantonen eine Patientenbeteiligung für die Kosten der Spitex-Pflege erhoben wird. Gleichzeitig führen Ökonomisierungstrends im öffentlich (mit-)finanzierten Pflegesektor zu einer Wegrationalisierung zentraler Aspekte der Care-Arbeit, die über eng gefasste Verabreichungen pflegerisch-medizinischer Leistungen hinausgehen. Spitex-Mitarbeitende müssen ihre Tätigkeit mit einer mobilen Stechuhr ausführen und jede einzelne Handlung im Minutentakt abrechnen. Für ein persönliches Gespräch oder die Erfüllung eines Bedürfnisses der pflegebedürftigen Person außerhalb des stark reglementierten Aufgabenkatalogs bleibt da wenig Zeit.

Für die betreuerischen und haushaltsbezogenen Tätigkeiten sind die Angehörigen – in der Mehrheit Frauen – stark gefordert. Häufig kommt es zu einem Care-Patchwork: Die Spitex leistet medizinische Pflege, Angehörige unterstützen in der alltäglichen Lebensführung. Falls es die finanziellen Ressourcen erlauben, werden einzelne Aufgaben an den privaten Dienstleistungsmarkt delegiert.

Innerhalb dieses Marktes hat die Rundum-Betreuung durch Pendelmigrantinnen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. In den Medien wird die Zahl von rund 30 000 Osteuropäerinnen in Schweizer Haushalten herumgereicht. Diese Schätzung ist wohl zu hoch gegriffen. Offizielle Zahlen zur Verbreitung privater Care-Arrangements mit osteuropäischen Pendelmigrantinnen gibt es nicht – nur schon wegen des bedeutenden Anteils an irregulärer Arbeit, die statistisch nicht erfasst werden kann. Denn obwohl seit dem 1. Mai 2011 die Personenfreizügigkeit auf die EU-Ostländer ausgedehnt worden ist und die Betreuerinnen bei Kurzaufenthalten bis zu 90 Tagen keine Bewilligung mehr brauchen, sind viele Arbeitsverhältnisse nicht gemeldet.

Migrieren, um im Herkunftsland bleiben zu können

Die in den Haushalten tätigen Betreuerinnen nutzen die Pendelmigration als eine transnationale (Über-)Lebensstrategie: Sie entscheiden sich, temporär im «Westen» einer Lohnarbeit nachzugehen, weil zu Hause für viele Menschen «die Löhne zu hoch sind um zu sterben und zu niedrig, um davon leben zu können» – wie es Barbara Janowska ausdrückt, die zwischen Polen und der Schweiz hin- und herpendelt.

Bei den interviewten Pendelmigrantinnen aus Polen zeigen sich vielfältige Wege und Motive zur transnationalen Mobilität, unterschiedliche Familienkonstellationen und verschiedene Lebensperspektiven. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mit ihrem Verdienst einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung eines Einkommens für sich und für die Familie in Polen leisten. Die Migrationsmotive zeugen von schwierigen ökonomischen Verhältnissen in der postsozialistischen Transformationsgesellschaft, die durch eine hohe Erwerbslosigkeit und durch Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse geprägt ist.

«Warum ich hier in der Schweiz arbeite?» Anna Nowak reagiert erstaunt auf die Frage nach ihren Motiven, in der Schweiz eine Stelle als Seniorenbetreuerin angetreten zu haben. «Weil wir das liebe Geld brauchen!» Die 44-jährige Mutter von drei Kindern und Großmutter eines Enkelkinds lebt mit ihrer Familie in einem Dorf im oberschlesischen Industriegebiet. Ihr Mann hat als Mineur in einer Grube gearbeitet, die geschlossen wurde. Auch Anna Nowak hat ihre Stelle bei einem Süßwarenunternehmen verloren: «Die Firma, bei der ich früher im Büro arbeitete, gibt es nicht mehr, sie verkaufen jetzt alles über Internet. Mich braucht’s da nicht mehr.» Um ihre Familie zu ernähren, pendelt Anna Nowak jeden zweiten Monat nach Basel, wo sie für eine private Spitex-Firma einen Mann betreut, der auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Die studierte Ökonomin Magdalena Rutkowska arbeitet seit vielen Jahren in der Schweiz, um ihren Kindern eine Universitätsausbildung zu ermöglichen. Für Monika Zielinski ist die Alterssicherung ein wichtiger Antrieb, eine temporäre Arbeit in einem Schweizer Haushalt aufzunehmen. Die 60-jährige alleinstehende Gymnasiallehrerin sagt, dass ihre karge Rente nicht zu einem anständigen Leben reiche. Sie brauche den Verdienst, um Geld für die Zukunft auf die Seite zu legen. Für die 50-jährige Karina Jalowy ist die Pendelmigration eine Strategie, um sich aus einer unglücklichen Ehe zu lösen. «In Polen braucht es für eine Familie zwei Löhne, eine Person arbeitet für die Rechnungen, Miete, Strom, die andere für das Essen.» Das höhere Einkommen in der Schweiz bietet ihr die Möglichkeit, eine eigenständige Existenz aufzubauen.

Das Hin- und Herpendeln zwischen zwei Haushalten steht für eine transnationale Lebenspraxis, die ein Fortführen des Lebens im eigenen Land trotz prekärer Bedingungen ermöglicht und auch zu einem gewissen Autonomiegewinn führen kann. Die Care-Arbeiterinnen richten sich in der Mobilität ein. Sie migrieren dabei nicht, um das Land zu verlassen, sondern um bleiben zu können (Morokvasic 1994).

Prekäre Arbeit, entgrenzte Arbeit

Care-Arbeiterinnen aus Polen übernehmen in den Schweizer Privathaushalten Tätigkeiten, für die sie nach gesellschaftlich konstruierten Vorstellungen eine «angeborene Affinität» haben. Ihre häufig sehr hohen beruflichen Qualifikationen werden dabei nicht anerkannt. Die 63-jährige Jadwiga Mazur sagt, sie hätte in der Schweiz eine «neue Berufskarriere» gestartet, bei der sie täglich vor großen Herausforderungen stehe. «Für diese Arbeit braucht es die Kraft eines Elefanten, die Haut eines Nilpferds und die Zärtlichkeit eines Schmetterlings. Du musst mental sehr stark sein, eine schwache Psyche geht nicht.» Etwas verbittert spricht die studierte Psychotherapeutin über die fehlende Anerkennung, die sie für ihre Arbeit bekomme: «In Polen bin ich wer, wie man so sagt. Ich hier bin auch was: Ich bin nötig.»

Jadwiga Mazur ist über ein polnisches Entsendeunternehmen angestellt und verdient monatlich 1200 Euro – plus Kost und Logis. Ihre Arbeit ist behördlich nicht gemeldet: Die Firma agiert ohne staatliche Bewilligung, denn Personalverleih aus dem Ausland ist in der Schweiz nicht erlaubt (Medici und Schilliger 2012: 19). Jadwiga hat damit keinen Anspruch auf Sozialleistungen in der Schweiz und kann auch nicht auf juristischem Weg den ihr zustehenden Mindestlohn einklagen, da ihre Arbeit als «Schwarzarbeit» gilt. Meist etwas besser bezahlt sind die Care-Arbeiterinnen, die über eine Schweizer Personalverleih-Agentur angestellt sind: Die Löhne schwanken – nach Abzug von Kost und Logis – mehrheitlich zwischen 2500 und 3500 Franken. Das muss im Normalfall für zwei Monate reichen, denn in der Zeit, in der die Pendelmigrantinnen in ihrem Herkunftsland weilen, haben sie kein Einkommen.

Zwar gilt in der Schweiz seit 2011 in der Hauswirtschaft ein Mindestlohn von 18.20 Franken (20 Franken bei mind. 4 Jahren Berufserfahrung). Doch entschädigen die Agenturen die Care-Arbeiterinnen – trotz fast permanenter Anwesenheitspflicht – lediglich zwischen 6 und 9 Stunden täglich. «Keine Hausfrau der Erde arbeitet körperlich täglich mehr als fünf Stunden», gibt eine Agenturleiterin zu Protokoll. Sie deutet damit an, wie die Agenturleiter «Arbeit» in der Sphäre des Haushalts auslegen: Dazu zählen Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen, Waschen, Bügeln oder Pflegeleistungen wie Körperpflege, Hilfe bei Toilettengängen oder Unterstützung bei der Mobilität. Spaziergänge, Gespräche führen, zusammen Kaffee trinken, Spielen, gemeinsam Fernsehen, am Bettrand sitzen – diese Tätigkeiten werden von den Agenturen meist nicht als Leistung gezählt, die entlohnt werden muss. Auch die Präsenzzeit, in der die Care-Arbeiterinnen im eigenen Zimmer auf Abruf anwesend sein müssen – die sogenannten Stand-by-Stunden – sowie Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit werden in den wenigsten Fällen ausbezahlt.

Karina Jalowy deutet an, wie zeitlich und räumlich entgrenzt die Arbeit im Privathaushalt ist, wo Care-Arbeiterin und pflegebedürftige Person Wand an Wand leben. «Es ist ja keine Fabrik, wo man hinein und wieder hinaus geht. Auch wenn du in dein Zimmer gehst, wenn dann die Großmutter schreit oder aus ihrem Zimmer hinausgeht, musst du schauen gehen, was passiert und ob sie vielleicht etwas braucht. Du bist immer auf Abruf.» Wie Barbara Janowska ausführt, ist der Tagesablauf stark geprägt von den Bedürfnissen der Person, deren Wohl an die Präsenz der Betreuerin gebunden ist: «Da hat man Pause und eigentlich hat man auch nicht wirklich Pause. Das ist jeden Tag gleich, am Wochenende auch. Da kann man nicht sagen, jetzt lassen wir diesen Kunden. Der ist doch lebendig!»

Eine emotionale Verbundenheit der Care-Arbeiterin mit der pflegebedürftigen Person ist eine Grundvoraussetzung und fördert die Zufriedenheit beider Beteiligter im Care-Arrangement. Doch gleichzeitig erfordert es einen zeitlich wie emotional fast grenzenlosen Einsatz der Betreuerin, deren Subjektivität und intimste Eigenheiten in Wert gesetzt werden. Arbeitsbeziehung und intime Privatbeziehung verfließen dabei. Karina Jalowy sagt: «Wir müssen immer lächeln, immer mit Freude, immer zu Diensten sein, wir leben nicht unser Leben, nur für die Anderen.»

Win-Win-Win-Lösung?

Das 24h-Betreuungsarrangement wird im öffentlichen Diskurs teilweise als eine Win-Win-Win-Lösung dargestellt, die den Staat entlaste, dem Pflegenotstand entgegenwirke und allen individuell Beteiligten einen Nutzen bringe: Pflegebedürftigen Menschen werde eine umfassende Umsorgung im eigenen Zuhause ermöglicht, gleichzeitig würden Angehörige entlastet und schließlich könnten Migrantinnen dank der Beschäftigung in Privathaushalten den prekären Bedingungen in ihrem Herkunftsland entfliehen, ein Vielfaches ihres Lohns im Herkunftsland verdienen und dabei auch noch Entwicklungshilfe für ihr Land leisten.

Die Vermittlungsagenturen und die transnational agierenden Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Betreuung, die teilweise sehr hohe Gebühren für ihren Service verlangen, bleiben in diesem Win-Win-Win-Diskurs als Gewinner unerwähnt. Nicht thematisiert werden im Win-Win-Win-Diskurs zudem die prekären Arbeitsverhältnisse, mit denen sich Migrantinnen konfrontiert sehen, die den «Gewinn» für die Zielländer mit tiefen Löhnen, geringer Arbeitsplatzsicherheit, eingeschränkter sozialer Sicherheit und äußerst entgrenzten Arbeitszeiten bezahlen. Verschwiegen werden weiter die globalen Enteignungsprozesse, die Arlie Hochschild (2001) mit dem Konzept der «globalen Sorgeketten» verdeutlicht: Reichere Länder füllen ihre Versorgungslücken mit der Aneignung von physischer und emotionaler Care-Arbeit durch Migrantinnen, während in deren Herkunftsländern gleichzeitig neue Lücken und Entbehrungen entstehen. Dies zeigt sich im polnischen Kontext einer äußerst schwach ausgestalteten sozialstaatlichen Infrastruktur im Bereich der Altenpflege beispielsweise darin, dass die Absenz der Töchter zu einem Pflege-Defizit führen kann. In Polen werden die meisten Pflegebedürftigen informell durch deren Familie betreut. Die Care-Arbeiterinnen, die in der Schweiz arbeiten, sind häufig in einem Alter, in dem sie Eltern haben, die betreut werden müssen. So auch Barbara Janowska, die sich in der Schweiz rund um die Uhr um einen Senior kümmert, um mit dem erwirtschafteten Einkommen die Ausbildung ihrer Tochter zu finanzieren. Ihre beiden bettlägerigen Eltern leben zu zweit in einem 9-Quadratmeter großen Zimmer in einem privaten Pflegeheim im Osten Polens, wo wegen des Pflegenotstands dreißig pflegebedürftige Betagte von gerade mal zwei Betreuerinnen umsorgt werden.

Ausgeblendet werden im Win-Win-Win-Diskurs schließlich auch die Implikationen dieser neuen internationalen Organisation der Care-Arbeit für die Geschlechterverhältnisse und den niedrigen Status, welcher der Care-Arbeit als typisch weibliche Arbeit dabei (erneut) zugewiesen wird. Die Care-Arbeiterin wird hier nicht primär als «Arbeiterin» (mit sozialen Rechten und einem gesellschaftlichen Status), sondern als Hilfskraft in der Familie abgewertet und aus der öffentlichen Sphäre ausgeschlossen.

Gleichzeitig ist jedoch auch ein skandalisierender Diskurs über «moderne Sklaverei», wie er teilweise in den Medien geführt wird, nicht angemessen. Denn dies versetzt die Care-Arbeiterinnen in einen Objektstatus, womit ihnen jegliche Handlungsfähigkeit abgesprochen wird. Jüngste Organisierungsprozesse zeigen eindrücklich, dass Care-Arbeiterinnen keineswegs passive Spielbälle der Migrations- und Arbeitsmarktpolitik sind, sondern handlungsmächtige Akteurinnen, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen und sich zunehmend auch kollektiv gegen Ausbeutungsverhältnisse engagieren. So zogen im Raum Basel Care-Arbeiterinnen jüngst zwei private Spitex-Unternehmen vor Gericht, um sich mit Lohnklagen gegen unbezahlte Überstunden und fehlende Freizeit zu wehren. Die im Frühling 2013 gegründete Gruppe namens «Respekt» – ein Netzwerk polnischer Care-Arbeiterinnen in der Schweiz – hat sich zum Ziel gesetzt, durch Selbstorganisation aus der sozialen Isolierung im Privathaushalt auszubrechen und mehr Respekt, bessere Arbeitsbedingungen und soziale Rechte einzufordern. Barbara Janowska, die das Respekt-Netzwerk mitlanciert hat, will dafür sorgen, dass sich kein prekärer Sonderarbeitsmarkt für Migrantinnen etabliert: «Wir leisten unsere Arbeit gern, aber wir sind nicht mehr bereit, uns ausnützen zu lassen, wir wollen faire Löhne und Arbeitsbedingungen nach den hier geltenden Gesetzen.»

Alle Namen der zitierten Personen sind Pseudonyme.


Literatur

  • Hochschild, Arlie Rusell 2001, Globale Betreuungsketten und emotionaler Mehrwert. In: Hutton, Will; Giddens, Anthony (Hg.): Die Zukunft des globalen Kapitals. Frankfurt am Main/New York: Campus, 157-176.
  • Medici, Gabriela und Sarah Schilliger, 2012, Arbeitsmarkt Privathaushalt. Pendelmigrantinnen in der Betreuung von alten Menschen. In: Soziale Sicherheit CHSS, 17-20.
  • Morokvasic, Mirjana, 1994, Pendeln statt auswandern. Das Beispiel der Polen. In: Morokvasic, Mirjana; Rudolph, Hedwig (Hg.), Wanderungsraum Europa. Menschen und Grenzen in Bewegung. Berlin: sigma, 166-187.
  • OECD, 2011, Help Wanted? Providing and Paying for Long-Term Care. OECD, May 2011.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde zunächst veröffentlicht in terra cognita – Schweizer Zeitschrift zu Integration und Migration. Heft 23/2013: Demografie und Migration, S. 102-105

Audio-Podcast: In diesem Interview, dass mit Sarah Schilliger am Rande der Tagung "Deutschland im Pflegenotstand – Perspektiven und Probleme von Care Migration" in der Heinrich-Böll-Stiftung am 11. März 2014 geführt wurde, erläutert Schilliger die Besonderheiten der Care Migration in der Schweiz und zieht Vergleiche zur Situation in Deutschland.