Gesundheitsmonitor 5/2013 der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Editorial

In Berlin pokern die Koalitionäre in spe noch immer um gemeinsame Positionen. Einige Themen wie Pkw-Maut und Mütterrente halten sich beständiger, als zu Beginn der Verhandlungen zu vermuten war. Die Maut basiert dabei wohl vor allem auf einer regionalpolitischen  Interessenlage. Bei der Mütterrente ist das anders: Sie hat ihre Wurzeln sowohl in dem Wunsch, künftiger Altersarmut zu begegnen, als auch in dem Gedanken, die Lebensleistung der Kindererziehung zu goutieren, die für unsere Gesellschaft mit ihren sozialen Sicherungssystemen zentrale Bedeutung hat.

Gleichzeitig sind sich alle einig, dass diese Rente ein Tropfen auf den heißen Stein eines viel größeren Problems ist. Die Altersarmut nimmt zu und vor allem künftige Generationen ohne große Vermögenswerte werden ein Versorgungsproblem haben. Dies vergrößert sich noch ganz erheblich, wenn jemand pflegebedürftig wird. Doch wie viele Menschen haben sich mit dem Risiko der (eigenen) Pflegebedürftigkeit überhaupt schon beschäftigt?

Von wem erwarten Frauen und Männer im Alter Unterstützung? In welchen Strukturen wollen die Bürger später leben – und ist das unter den gegebenen Rahmenbedingungen realistisch? Diesen Fragen widmen sich die Autorinnen und Autoren des aktuellen Newsletters. Es sind Themen, denen sich auch eine neue Bundesregierung wird stellen müssen, wenn sie tragfähige Lösungen für die Zukunft dieses Landes erarbeiten will.

Die im Text angegebenen Tabellen und Schaubilder finden Sie in der Diashow am Ende des Artikels

Das Risiko der Pflegebedürftigkeit: Pflegeerfahrungen und Vorsorgeverhalten bei Frauen und Männern zwischen 18 und 79 Jahren

Von Adelheid Kuhlmey, Ralf Suhr, Stefan Blüher, Dagmar Dräger

Der demografische Wandel hat die Pflegebedürftigkeit in den Alltag der Menschen gebracht. Pflegebedürftig zu werden, ist kein Einzelschicksal mehr, sondern ist zu einem allgemeinen Lebensrisiko vor allem für sehr alte Menschen geworden.

Pflegebedürftigkeit ist ein Zustand höchster sozialer, psychischer und körperlicher Vulnerabilität, dem meist langjährige Krankheitsprozesse vorgeschaltet sind oder der durch ein Ereignis – wie etwa einen Schlaganfall – ausgelöst wird. Letztlich ist heute nicht bekannt, an welchem Kumulationspunkt körperlicher Leiden, psychischer Einbußen und sozialer Konstellationen dieser qualitativ andere Gesundheits- bzw. Krankheitszustand entsteht.

Die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf ist nicht nur eine Aufgabe für die Gesundheitsberufe, sondern auch für immer mehr Familien in Deutschland. Von den etwa 2,5 Mio. Menschen mit einer Pflegebedürftigkeitsstufe werden drei Viertel zu Hause versorgt (StatBA 2013). Eine Allensbach-Umfrage (Institut für Demoskopie 2012) zeigt, dass dadurch heute schon etwa 10 Mio. Familien einen zu pflegenden Angehörigen in ihrem Kreis haben und in zehn Jahren voraussichtlich 27 Mio. Menschen hierzulande Erfahrungen mit einem Pflegefall in der Familie haben werden.

Somit stellt die Pflege vor allem alter Familienmitglieder eine Herausforderung dar, die in diesem Ausmaß historisch neu ist. Erstmals in der Geschichte ist die familiale Unterstützung vor allem hochaltriger Menschen ein erwartbarer Regelfall im Familienzyklus und keine Ausnahmesituation. Solche kollektiven Erfahrungen, so ist anzunehmen, werden die Lebensplanungen nachfolgender Generationen beeinflussen. Das Vorsorgeverhalten könnte sich verändern, wenn immer mehr Frauen und Männer persönlich in Pflegekontexte eingebunden werden, diese erleben oder miterleben.

Jüngst zeigte eine Umfrage (TNS Infratest 2012), dass die Angst vor einer Pflegebedürftigkeit hierzulande schon relativ weit verbreitet ist. So gab jede/r zweite Befragte die Antwort, dass sie oder er von einer kostenlosen Assistenz beim Freitod Gebrauch machen würde, um dem Schicksal der Pflegebedürftigkeit zu entgehen. Vergleichbar damit sind die Ergebnisse der Generali Altersstudie (2013): Im Sorgenkatalog der befragten 65- bis 85-Jährigen stand ganz oben in der Rangfolge die Aussage: „Dass ich pflegebedürftig werde, dauerhaft auf Pflege angewiesen bin“.

Solche Ängste sind zweifelsohne auf einen höheren Betroffenheitsgrad zurückzuführen, zeigen aber auch eine Zunahme von Erfahrungen mit Pflegebedürftigkeit und mehr Öffentlichkeit für das Thema Pflege generell. Ob diese Entwicklungen auch schon im Vorfeld des Eintritts eines Pflegebedarfs Handlungen auslösen, ist bislang wenig untersucht. Daher wurde das Thema Vorsorgeverhalten in die Befragungswelle des Gesundheitsmonitors 2012 aufgenommen. Auf Basis der Befragungsergebnisse befasst sich dieser Beitrag damit, ob das Erleben der Pflegebedürftigkeit, die Situation, selbst pflegende Angehörige zu sein, und die größere Öffentlichkeit des Themas Pflege schon zu einer anderen Antizipation dieses „neuen“ Lebensrisikos geführt haben und dazu, dass jüngere Generationen mehr Vorsorge betreiben bzw. eine solche kritische Lebensphase absichern.

Ursachen und Risiken von Pflegebedürftigkeit

Das Pflegerisiko steigt im Alter deutlich an: Sind bei den 60- bis unter 80-Jährigen nur etwa 3,5 Prozent pflegebedürftig, so ist mit 80 Jahren etwa jede/r Fünfte betroffen, mit 85 Jahren jede/r Dritte und bei den über 90-Jährigen sind es insgesamt mehr als 60 Prozent (Büscher und Wingenfeld 2008). Frauen sind sehr viel stärker von Pflegebedürftigkeit betroffen und ihr Pflegebedarf wächst im Alter deutlich schneller als bei Männern. Die Gesamtlebenszeitprävalenz zeigt realistisch an, wie groß das Risiko ist, im Laufe seines Lebens pflegebedürftig zu werden: 67 Prozent der Frauen und 47 Prozent der Männer waren im Jahr 2009 vor ihrem Versterben pflegebedürftig (Rothgang et al. 2010).

Der Sachverständigenrat zur Beurteilung der Entwicklungen im Gesundheitswesen hat eine Prognose zur Entwicklung der Zahl Pflegebedürftiger bis zum Jahr 2050 vorgelegt. Diese nennt für 2050 eine Zahl von 4,35 Mio. Ein Überblick über alternative Prognosen zeigt, dass die Vorausberechnungen des Rates mit den Größenordnungen vergleichbarer Schätzungen weitgehend übereinstimmen (SVR 2009).
Pflegebedürftigkeit beruht auf multifaktoriell verursachten chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. Zu den häufigsten Erkrankungen, die zur Pflegebedürftigkeit führen, gehören neben Frakturen (häufig nach Unfällen) besonders Hirngefäßerkrankungen (Schlaganfälle), andere chronische Erkrankungen der inneren Organe und des Bewegungsapparats, schwere rheumatische Erkrankungen, Krankheiten des Skelett- und Bewegungsapparats, psychische Erkrankungen sowie Beeinträchtigungen der Sinnesorgane. Ein wesentliches Merkmal ist die vor allem bei älteren Pflegebedürftigen oft auftretende Überlagerung von chronisch-degenerativen und psychischen Erkrankungen, womit sehr häufig kognitive Einschränkungen verbunden sind. Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der stark wachsenden Zahl sehr alter Menschen nimmt damit besonders die Bedeutung von Demenzerkrankungen als Ursache von Pflegebedürftigkeit zu.

Insgesamt gesehen kann kein Zweifel bestehen, dass das Risiko der Pflegebedürftigkeit die Gesundheitspolitik, das Versorgungssystem, die Familien und nicht zuletzt alle alt werdenden Frauen und Männer mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert und immer mehr Menschen selbst pflegebedürftig werden oder ein pflegebedürftiges Familienmitglied versorgen müssen.

Daraus resultiert die Annahme, dass die zunehmende Konfrontation mit dem Risiko Pflegebedürftigkeit auch zu verändertem Vorsorgeverhalten und zu anderen Risikoabsicherungen bei künftig alt werdenden Generationen führt. Diese Annahme wurde über folgende Fragestellungen operationalisiert:

Verändert sich der Informiertheitsgrad rund um das Thema Pflege in der deutschen Bevölkerung?

  • Inwieweit beeinflussen Pflegeerfahrungen Haltungen und Meinungen zur familialen Pflege?
  • Von wem erwarten Frauen und Männer in Deutschland im Alter hauptsächlich Unterstützung?
  • Wie wird die Qualität der eigenen Vorsorge für den Fall einer Pflegebedürftigkeit eingeschätzt?
  • Mit welchen Aspekten der Vorsorge setzen sich Frauen und Männer unterschiedlicher Altersgruppen auseinander?
  • Wie entwickelt sich die Bereitschaft zur privaten Vorsorge im Hinblick auf das Risiko Pflegebedürftigkeit?

Insgesamt wurden 895 Frauen und 900 Männer (n = 1.795) im Alter zwischen 18 und 79 Jahren befragt. Die schriftliche, postalische Befragung fand im Dezember 2012 statt; die Responserate betrug 78 Prozent. Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 51 Jahren.

Die Ergebnisse der Befragung

Wer pflegt?

Immer mehr Menschen sind mit dem Thema Pflege in unterschiedlicher Weise konfrontiert. Weit über die Hälfte der Befragten (60 Prozent) geben an, bereits mit dem Thema Pflegebedürftigkeit in Berührung gekommen zu sein. Darunter hat jede/r Fünfte (21 Prozent) zu einem früheren Zeitpunkt bereits eine/n Angehörige/n oder eine nahestehende Person gepflegt bzw. versorgt derzeit ein Familienmitglied.

Erwartungsgemäß sind in der Gruppe der befragten 18- bis 79-Jährigen nur sehr wenige Personen selbst pflegebedürftig. So bestätigt auch dieser Befund, dass der Pflegebedarf jenseits des 80. Lebensjahres steil und kontinuierlich ansteigt, die meisten älteren und alten Frauen und Männer bis zum 80. Lebensjahr jedoch einen zufriedenstellenden Gesundheitszustand haben (Kuhlmey 2008).

Mit Blick auf die pflegenden Angehörigen zeigt sich einerseits, dass die Versorgungslast in den Altersgruppen sehr unterschiedlich verteilt ist. Am stärksten sind die 50- bis 64-Jährigen in die Pflege involviert (31 Prozent), gefolgt von den 65- bis 79-Jährigen (28 Prozent). Nur 13 Prozent der 35- bis 49-Jährigen und 6 Prozent der 18- bis 34-Jährigen haben selbst einmal gepflegt oder sind derzeit in die Versorgung eines Familienmitglieds eingebunden.

Andererseits wird deutlich, dass über alle Altersgruppen hinweg ein hoher Anteil – durchschnittlich 39 Prozent – der Befragten bereits mit dem Thema Pflege in Kontakt gekommen ist. So geben 42 Prozent der 18- bis 34-Jährigen und sogar 45 Prozent der 35- bis 49-Jährigen an, über den Bekannten- und Verwandtenkreis mit dem Thema konfrontiert worden zu sein (Abb. 1).

Die Angehörigenpflege ist in Deutschland noch immer weiblich. Diese Tatsache zeigt sich signifikant auch in den Daten des Gesundheitsmonitors. In der Gruppe der über 1.700 Befragten gaben 363 Befragte an, selbst zu pflegen oder gepflegt zu haben – unter ihnen waren 211 Frauen. Während also von den Frauen 24 Prozent Pflegende sind oder waren, sind es bei den Männern 17 Prozent. Allerdings verteilt sich die Zahl derer, die bislang keine Berührung mit dem Thema haben, gleich auf den männlichen und weiblichen Teil der Befragten (rd. 40 Prozent). Interessant ist, dass ein größerer Teil der männlichen Befragten (42 Prozent) angibt, bereits über den Kreis der Familie mit dem Thema Pflege konfrontiert zu sein. Frauen geben dies zu 36 Prozent an.

Während in der Gruppe der Personen mit einem Hauptschul- oder Volksschulabschluss 28 Prozent pflegen oder gepflegt haben, sind es in der Gruppe mit Fachhochschulreife oder Abitur lediglich 15 Prozent. Allerdings zeichnen sich diese Bildungsabschlüsse dadurch aus, dass sie in besonders hohem Maß über den Bekannten- und Verwandtenkreis  mit dem Thema zu tun haben. Hier könnte angenommen werden, dass es in den höheren Bildungsmilieus mehr Interesse und eine größere Bereitschaft gibt, das Thema Pflege wahrzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen.

Bezeichnend ist, dass von den Personen, die früher eine berufliche Tätigkeit im Gesundheitssektor ausgeübt haben oder diese derzeit noch ausüben, ein signifikant höherer Anteil auch privat pflegt oder gepflegt hat. So sind oder waren 32 Prozent der ehemaligen sowie 26 Prozent der heute in einem Heilberuf Arbeitenden auch pflegende Angehörige. Die Frauen und Männer, die nicht im Gesundheitssektor arbeiten, geben zu 19 Prozent an, im privaten Bereich zu pflegen oder gepflegt zu haben.

Geht es um den Zusammenhang von Familienstand und Übernahme einer privaten Pflegeaufgabe, so zeigt sich eindeutig, dass in der Gruppe der Ledigen und Geschiedenen der größte Teil keine eigene Pflegeerfahrung hat. Von den Ledigen geben 46 Prozent an, mit dem Thema nicht konfrontiert zu sein, und nur 12 Prozent pflegen oder haben selbst gepflegt. Ähnlich ist es bei den Geschiedenen: 43 Prozent verweisen darauf, keine Berührung mit dem Thema zu haben, und 17 Prozent waren oder sind in die Versorgung eines Pflegebedürftigen involviert. Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich für verwitwete und verheiratete Frauen und Männer: Bei den Verheirateten pflegten oder pflegen 23 Prozent, und gar die Hälfte der Verwitweten (52 Prozent) gibt an, selbst gepflegt zu haben.

Von den insgesamt 363 ehemals oder aktuell pflegenden Angehörigen ist die Mehrzahl verheiratet (Abb. 2). Dies verweist auf die zunehmende Bedeutung der Partnerpflege, weil immer mehr Frauen und Männer gemeinsam alt werden – von den 60- bis 79-Jährigen leben heute noch 60 Prozent der Frauen und beinahe 80 Prozent der Männer in einer Ehe (DZA 2013). Diese Verhältnisse verändern sich zugunsten anderer Lebensformen auch in den höheren Lebensjahren, in denen Pflegebedürftigkeit vermehrt auftreten kann, sodass hier zu fragen ist, wie sich die Tragfähigkeit der Partnerpflege entwickeln wird.

Wie gut sind die Menschen über das Thema Pflege informiert?

Angesichts einer zunehmenden Zahl Pflegebedürftiger und einer großen Gruppe von Frauen und Männern, die mit dem Thema der Versorgung eines Pflegebedürftigen konfrontiert sind, ist die Frage interessant, wie gut sich Menschen in Deutschland über das Thema Pflege ganz allgemein informiert fühlen. Einmal davon abgesehen, dass fast 4 Prozent der Befragten sagen, gar keine Informationen zum Thema zu haben, lässt sich das Maß der Informiertheit in zwei nahezu gleich große Gruppen der sehr gut und gut Informierten (27 Prozent) sowie der schlecht und sehr schlecht Informierten (25 Prozent) unterteilen (Abb. 3).

Erwartungsgemäß zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen selbst erbrachter Pflegeleistung und dem Informationsstand.  So fühlen sich in der Gruppe der pflegenden Angehörigen 50 Prozent gut oder sehr gut informiert; hingegen berichten von den Befragten ohne Pflegeerfahrung nur 15 Prozent, dass sie sich gut oder sehr gut informiert fühlen.

Werden auch diejenigen, die angeben, zufriedenstellend informiert zu sein (45 Prozent), als Personen betrachtet, die Wissen und Kenntnisse zum Thema haben, kann der Informiertheitsgrad als insgesamt relativ hoch angesehen werden.

Diese Bewertung wird besonders durch den Vergleich mit der Bevölkerungsumfrage des Gesundheitsmonitors 2004 gestützt. Acht Jahre zuvor schätzte die Bevölkerung ihren Informationsstand in Bezug auf Pflege wie folgt ein: Gut oder sehr gut informiert fühlten sich nur 13 Prozent; hingegen bezeichneten 52 Prozent ihren Informationsstand als schlecht oder sehr schlecht. Als zufriedenstellend informiert sahen sich damals 35 Prozent. Auffallend ist zudem, dass im Unterschied zu den aktuellen Ergebnissen, die einen wesentlich höheren Informiertheitsgrad in der Gruppe der Selbstpflegenden zeigen, damals keine der Betroffenheitsgruppen einen signifikant höheren Informiertheitsgrad im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufwies (Amhof 2006).

„Familienangehörige sollten ihren Beitrag zur Pflege leisten“ – ja / nein

In Deutschland werden drei Viertel aller Pflegebedürftigen zu Hause von Angehörigen versorgt. Immer wieder wird prognostiziert, dass das familiale Pflegepotenzial in den nächsten Jahren, etwa aufgrund einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen oder der Zunahme kinderloser Paare, rückläufig sein wird. Dem gegenüber stehen die Einstellungen zur familialen Fürsorgepflicht.

Die Daten zeigen eine beeindruckend hohe Zustimmung von 89 Prozent zur Aussage „Familienangehörige sollten ihren Beitrag zur Pflege leisten“ und eine hohe Ablehnung (67 Prozent) der Position „Die Pflege durch die Familie passt nicht mehr in unsere Zeit und ist Aufgabe professioneller Pflegeanbieter“ (Abb. 4).

Prüft man, ob es Bevölkerungsgruppen gibt, die eine Pflege durch Familienangehörige besonders oft befürworten oder auch ablehnen, ergibt sich als Ergebnis multivariater Analysen (logistische Regression) folgendes Bild: Eine Ablehnung der Familienpflege mit Hinweis auf veränderte  gesellschaftliche Rahmenbedingungen („… passt nicht mehr in unsere Zeit“) wird besonders stark beeinflusst (in Klammern: Odds-Ratio; Referenzgruppe; Signifikanzniveau)

  • vom Lebensalter bzw. von der Zugehörigkeit zur Altersgruppe 18–34 (OR 1,76; Ref.: 50- bis 64-Jährige; p<0,05),
  • von bislang nicht vorhandenen Pflegeerfahrungen (OR 1,30; Ref.: mit Pflegeerfahrungen; p<0,05),
  • von der Zugehörigkeit zur Unterschicht (OR 0,61; Ref.: Oberschicht; p<0,05),
  • von der (religiösen) Gläubigkeit (OR 0,39; Ref.: Nichtgläubige; p<0,001).

Parallel dazu beeinflusst Gläubigkeit besonders deutlich eine allgemeine Zustimmung zur Pflege durch Familienangehörige („… sollten ihren Beitrag zur Pflege leisten“): Das OR im Vergleich zu Nichtgläubigen beträgt hier 2,60 (p<0,001). Der Familienstand „geschieden“ wirkt sich umgekehrt besonders deutlich auf die Ablehnung dieser Maxime aus (OR 0,50; Ref.: Verheiratete; p<0,05).

Von wem wird welche Unterstützung im Alter erwartet?

Entsprechend den Einstellungen zur familialen Unterstützung erwarten die Befragten mehrheitlich (64 Prozent) von der Familie und den Verwandten konkrete Hilfe im Alter. Diese Erwartung ist im Zehnjahresvergleich konstant geblieben (Gesundheitsmonitor 2004: 65 Prozent) (Abb. 5). Allerdings ist erkennbar, dass professionelle Dienstleister zunehmend akzeptiert werden. Fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) und sogar 58 Prozent der Frauen und Männer ab dem 65. Lebensjahr erhoffen Hilfe von Pflegediensten und weitere 23 Prozent von kommunalen Einrichtungen und Sozialstationen. Damit nennen 11 Prozent mehr als in der Befragung zum Gesundheitsmonitor 2004 Pflegedienstleister als mögliche Unterstützungsinstitutionen.

Eine geringere Bedeutung haben neuere Wohn- und Versorgungsangebote, wie sie etwa in einem Mehrgenerationenhaus erbracht werden. Für eine solche Vorsorge mit wechselseitiger Unterstützung und sozialer Einbindung entscheiden sich gerade mal 8 Prozent der Befragten. Doch auch hier ist der Trend steigend.

Mit Blick auf eine älter werdende Bevölkerung und einen zunehmenden Versorgungsbedarf werden ehrenamtliche und nachbarschaftliche Netzwerke vielfach als Ressourcen diskutiert. Glaubt man dem Trend der Befragungen des Gesundheitsmonitors, geht dieses mögliche Unterstützungspotenzial zurück: Nur noch 5 Prozent sehen die Unterstützung von Nachbarn, Freunden oder Bekannten als mögliche Ressource; in der Befragung 2004 sahen noch 19 Prozent der Befragten darin ein Potenzial.

Während mehr als die Hälfte der Befragten eine persönliche Unterstützung von der Familie erhoffen, ist die Bereitschaft, einen pflegebedürftigen Verwandten im eigenen Haushalt aufzunehmen, geringer. Nur 33 Prozent der Befragten können sich dies vorstellen; davon würden 11 Prozent auf jeden Fall diese Hilfe leisten. Eher ablehnend sind immerhin 42 Prozent, wobei jede/r Zweite zu enge Wohnverhältnisse als Hinderungsgrund nennt.

Ein Viertel der Befragten ist hier noch unentschlossen und würde die Aufnahme eines pflegebedürftigen Familienmitglieds von der Situation oder den Rahmenbedingungen abhängig machen. Zum Zeitpunkt der Befragung sind die alltäglichen Belastungen der Arbeit und eine zu lange Arbeitszeit (42 Prozent), die Verpflichtungen im Haushalt und gegenüber der eigenen Familie (17 Prozent) Hinderungsgründe für die Aufnahme eines pflegebedürftigen Verwandten. Darüber hinaus ist die Sorge über eine zu große emotio- nale Belastung ein weiterer wichtiger Grund (37 Prozent), dies abzulehnen. Jede/r fünfte Befragte sieht in der Versorgung eines Verwandten im eigenen Haushalt eine zu starke Veränderung des eigenen Lebens (Abb. 6).

Die Bereitschaft (und eventuell die Möglichkeit), einen pflegebedürftigen Verwandten aufzunehmen, sinkt im höheren Alter. Nur noch 30 Prozent der über 65-Jährigen können sich dies vorstellen, jedoch 41 Prozent der unter 34-Jährigen. Grund der Ablehnung ist hier vor allem die emotionale Belastung (40 Prozent) neben den unzureichenden Wohnverhältnissen. In jungen Jahren ist vor allem die hohe Arbeitsbelastung  (63 Prozent) wie auch die Verpflichtung in Haushalt und Familie (25 Prozent) ein Hinderungsgrund. Männer (46 Prozent) lehnen es im Vergleich zu Frauen (38 Prozent) häufiger ab, einen Verwandten als Pflegefall aufzunehmen.

Das Vorsorgeverhalten – und seine Determinanten

Die Bereitschaft, sich mit dem eigenen Pflegebedürftigkeitsrisiko auseinanderzusetzen, scheint zu steigen: Ein Fünftel aller Befragten (20 Prozent) gibt an, darüber bereits mit Angehörigen gesprochen zu haben. Menschen ohne Pflegeerfahrungen setzen sich allerdings seltener mit diesem Risiko auseinander: Während in dieser Gruppe knapp 13 Prozent der Befragten darüber im Familienkreis sprechen, thematisieren 35 Prozent derjenigen, die selbst pflegen oder gepflegt haben, die eigene mögliche Pflegebedürftigkeit mit ihren Angehörigen.
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Pflegebedürftigkeitsrisiko steigt erwartungsgemäß mit zunehmendem Alter. So gibt bei den 18- bis 34-Jährigen jede/r Fünfzehnte (7 Prozent), bei den 35- bis 49-Jährigen gut jede/r Zehnte (11 Prozent) an, mit Angehörigen darüber gesprochen zu haben. In der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen liegt dieser Anteil bei 25 Prozent und bei den 65- bis 79-Jährigen bei über einem Drittel (36 Prozent) der Befragten.

Der Blick auf den Zusammenhang von Familienstand und Auseinandersetzung mit der eigenen Pflegebedürftigkeit zeigt, dass Ledige und Geschiedene sich am wenigsten mit der Thematik beschäftigen. Bei den Ledigen gibt etwa jede/r Zehnte (9 Prozent) an, mit den Angehörigen über die Möglichkeit der Pflegebedürftigkeit gesprochen zu haben, bei den Geschiedenen jede/r Siebte (15 Prozent). In der Gruppe der verheirateten Männer und Frauen haben dies über ein Viertel der Befragten (26 Prozent) getan, bei den Verwitweten knapp ein Drittel (29 Prozent).

Befragt man Frauen und Männer in Deutschland nach der Einschätzung der eigenen Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit, sind die Aussichten düster: Der größte Teil (42 Prozent) schätzt seine Vorsorge als schlecht bis sehr schlecht ein; 26 Prozent können ihre Absicherung nicht beurteilen. Nur ein Drittel der Befragten (32 Prozent) gibt an, gut oder sehr gut vorgesorgt zu haben.

Bei genauer Analyse der Einflussfaktoren mithilfe multivariater Regressionsmodelle sind es vor allem die Geschiedenen (Odds-Ratio 0,50), die im Vergleich zu Verheirateten mit einer deutlich geringeren Chance ihre Pflegevorsorge pessimistisch einschätzen. Ein negatives Bild bzw. das Risiko, die eigene Vorsorgesituation nicht positiv einzuschätzen, geht auch mit der sozialen Schicht einher: Verglichen mit der Oberschicht (Odds-Ratio 3,13) meinen die Befragten der Mittelschicht (Odds-Ratio 0,59) und noch weniger die der Unterschicht, genügend Vorsorge für den eigenen Pflegefall getroffen zu haben.

Der Zusammenhang zwischen Familienstand und Vorsorge für die eigene Pflegebedürftigkeit zeigt sich bivariat noch deutlicher: In der Gruppe der Geschiedenen geben mehr als die Hälfte (52 Prozent) an, schlecht oder sehr schlecht für den Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit abgesichert zu sein. Ähnlich sehen Ledige ihre Situation: 47 Prozent schätzen die eigene Vorsorge negativ ein. Von den Verheirateten dagegen sagen 39 Prozent, von den Verwitweten weniger als ein Drittel (28 Prozent), schlecht oder sehr schlecht vorgesorgt zu haben.
Entscheidenden Einfluss hat auch das Merkmal einer eigenen Berufstätigkeit im Gesundheitswesen. Eine ausgeübte Tätigkeit im Gesundheitswesen erhöht deutlich die Chance, die eigene Vorsorge als ausreichend zu bewerten (Odds-Ratio 1,42); bei Personen, die nicht im Gesundheitswesen arbeiten, ist das Odds-Ratio mit 0,70 ungünstiger. Hier wird deutlich, dass die berufliche Nähe und damit die Vertrautheit mit Pflegesituationen und Pflegesettings die Einschätzung positiv beeinflussen, gut oder sehr gut für die eigene Pflegebedürftigkeit vorgesorgt zu haben.

Von den Befragten, die nicht angeben, gut oder sehr gut abgesichert zu sein, wollen mehr als ein Drittel (38 Prozent) auch zukünftig keine Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Knapp die Hälfte zeigt sich bei dieser Frage noch unentschieden (46 Prozent). Lediglich 17 Prozent geben an, in nächster Zeit Maßnahmen durchführen zu wollen. Hierbei zeigt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dieser Vorsorgeabsicht und dem Vorhandensein von Pflegeerfahrung: Während 11 Prozent der Männer und Frauen ohne Pflegeerfahrung angeben, demnächst Vorsorgemaßnahmen ergreifen zu wollen, planen dies 24 Prozent der pflegenden Angehörigen.

Im Vordergrund der Auseinandersetzung mit der Vorsorge für das hohe Alter stehen für die über 1.700 befragten Männer und Frauen finanzielle Aspekte: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) geben an, sich mit der Höhe der eigenen Rente auseinandergesetzt zu haben. Ein Drittel hat sich mit einer zusätzlichen privaten Vorsorge zur Finanzierung der Pflegebedürftigkeit beschäftigt und ein Viertel hat bereits über die Kosten der Pflegebedürftigkeit nachgedacht.

Daneben geht es für die Befragten um Aspekte des Wohnens im Alter: Ein knapes Fünftel gibt hier an, sich mit dem betreuten Wohnen (18 Prozent), dem Leben im Pflegeheim (18 Prozent) und dem altersgerechten Umbau der Wohnung (17 Prozent) auseinandergesetzt zu haben. Notrufdienste (13 Prozent), das Zusammenziehen mit den eigenen Kindern (10 Prozent), eine Hausgemeinschaft mit älteren Personen (Alten- WG: 8 Prozent) oder das Leben in einem Mehrgenerationenhaus (7 Prozent) sind dagegen Optionen, über die die Befragten weniger häufig nachdenken. 3 Prozent geben an, sich mit den Möglichkeiten eines Umzugs ins Ausland beschäftigt zu haben.

Für Befragte, die selbst pflegen oder gepflegt haben, stehen die Kosten der Pflegebedürftigkeit stärker im Fokus als für diejenigen ohne Pflegeerfahrung: So hat sich ein Drittel der pflegenden Angehörigen (33 Prozent) bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt – gegenüber 20 Prozent bei den Befragten ohne Erfahrung in der Pflege.

Die Beschäftigung mit den finanziellen Aspekten einer Pflegebedürftigkeit nimmt in den höheren Altersgruppen zu: Während sich bei den 18- bis 34-Jährigen 16 Prozent damit auseinandersetzen, sind es bei den 65- bis 79-Jährigen 35 Prozent der Befragten. Pflegende Angehörige berichten häufiger davon, sich mit dem altersgerechten Umbau der Wohnung (26 Prozent), dem betreuten Wohnen (22 Prozent), dem Leben in einem Pflegeheim (21 Prozent) oder Notrufdiensten (19 Prozent) zu befassen.

In der Gruppe ohne Pflegeerfahrung spielt der altersgerechte Wohnungsumbau dagegen für 15 Prozent, das betreute Wohnen für 17 Prozent, ein Umzug ins Heim für 15 Prozent und die Beschäftigung mit Notrufdiensten für ein Zehntel (11 Prozent) eine Rolle. Pflegeerfahrung führt damit zu einer stärkeren Beschäftigung mit den verschiedenen Aspekten einer möglichen eigenen Pflegebedürftigkeit Angesichts einer zunehmenden Informiertheit zum Thema Pflegebedürftigkeit und der im Vordergrund stehenden Auseinandersetzung mit den finanziellen Risiken des hohen Alters ist es interessant, ob und in welcher Höhe die Befragten schon heute bereit wären, zusätzliche Versicherungsbeiträge zu leisten, um die potenzielle eigene Pflegebedürftigkeit vollständig finanziell abzusichern.

Betrachtet man hierbei unabhängig von der Höhe eines solchen Beitrags die Zustimmung zu einer Zusatzversicherung, zeigen sich mehr als die Hälfte (56 Prozent) der über 1.700 Befragten bereit, für den möglichen Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit finanziell vorzusorgen. Etwa jede/r Zwölfte (8 Prozent) gibt an, durch eine Zusatzversicherung bereits vollständig abgesichert zu sein. Ein Drittel (34 Prozent) lehnt einen zusätzlichen Vorsorgebeitrag ab. Insgesamt zeigen die Ergebnisse damit, dass die Befragten durchaus motiviert sind, privat in die Absicherung ihrer Pflegebedürftigkeit zu investieren. Ungünstiger stellt sich dies dar, wenn zusätzlich nach der konkreten Höhe der etwaigen Beiträge gefragt wird (Abb. 7).
Die Gesundheitsmonitorbefragung des Jahres 2012 zeigt die empfundene finanzielle Grenze für die private Zusatzvorsorge auf: Die größte Zustimmung gibt es für einen monatlichen Zusatzbeitrag von bis zu 20 Euro: 34 Prozent der Befragten wären bereit, diesen zur Absicherung einer eigenen Pflegebedürftigkeit zu zahlen. Für bis zu 50 Euro im Monat stimmen 17 Prozent. Ein Anteil von 6 Prozent der befragten Männer und Frauen gibt an, monatlich bis zu 100 Euro bezahlen zu wollen. Weniger als 1 Prozent würde mit einem monatlichen Beitrag von über 100 Euro das eigene Pflegebedürftigkeitsrisiko zusätzlich absichern (Abb. 7). Die monetäre Grenze für einen zusätzlichen Versicherungsbeitrag scheint damit für den Großteil der Befragten bei rund 20 Euro pro Monat zu liegen.

Die Ergebnisse des aktuellen Gesundheitsmonitors zeigen deutlich, dass die Höhe einer zusätzlichen finanziellen Absicherung vom Alter der Befragten abhängt: So gibt von den befragten 18- bis 34-Jährigen der größte Teil an (43 Prozent), mit bis zu monatlich 20 Euro absichern zu wollen. 13 Prozent stimmen einem Beitrag von bis zu 50 Euro zu, 3 Prozent von bis zu 100 Euro. Von den befragten 65- bis 79-Jährigen zeigen sich jeweils knapp ein Viertel bereit, bis zu 20 Euro (26 Prozent) oder bis zu 50 Euro (23 Prozent) zu bezahlen. Mit einem Beitrag von bis zu 100 Euro monatlich wollen 11 Prozent der Männer und Frauen in dieser Alterskohorte absichern.

Die stärkste Ablehnung der zusätzlichen Vorsorge zeigt sich in der Sandwichgeneration der 35- bis 49-Jährigen: 40 Prozent der Befragten in dieser Altersklasse lehnen eine Zusatzversicherung ab. Hierin könnte sich die finanzielle Doppelbelastung – Erziehung der eigenen Kinder und Sorge für die Eltern – dieser Alterskohorte abbilden. In der Gruppe der 50- bis 69-Jährigen findet sich der größte Anteil (12 Prozent) an Männern und Frauen, die bereits eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen haben. In den anderen Altersklassen geben jeweils rund 6 Prozent der Befragten an, zusätzlich für den Fall ihrer Pflegebedürftigkeit vorgesorgt zu haben.

Einkommensstärkere Schichten sind erwartungsgemäß in höherem Maße bereit, in die Vorsorge zu investieren. Betrachtet man auch hier unabhängig von der Beitragshöhe die Zustimmung zu einer Pflegezusatzversicherung, ist diese in der einkommensstärkeren Schicht deutlich ausgeprägter: Hier geben zwei Drittel (68 Prozent) an, durch zusätzliche monatliche Beiträge vorsorgen zu wollen – gegenüber 49 Prozent in der einkommensschwächeren sozialen Schicht. Dennoch will sich auch ein Drittel (34 Prozent) der Befragten in dieser Schicht monatlich mit bis zu 20 Euro zusätzlich absichern. In der Oberschicht bildet sich eine größere Bereitschaft ab, auch höhere Beiträge zu leisten: 22 Prozent der Befragten geben an, sich mit bis zu 50 Euro im Monat absichern zu wollen, 14 Prozent wären bereit, bis zu 100 Euro pro Monat zusätzlich zu bezahlen. In der Gruppe der Geschiedenen und bei den Ledigen zeigt sich die geringste Bereitschaft zur Zusatzversicherung: Bei den Geschiedenen verneinen 41 Prozent einen zusätzlichen monatlichen Beitrag, bei den Ledigen 36 Prozent. Dagegen lehnen weniger Verheiratete und Verwitwete (je 34 Prozent) eine zusätzliche Absicherung ab. Verwitwete sind bereit, höhere monatliche Beiträge zu zahlen. 11 Prozent dieser Befragten geben an, bereits heute bis zu 100 Euro pro Monat für eine gute Versorgung im Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit bezahlen zu wollen. Bei den Verheirateten liegt dieser Anteil bei 7 Prozent, bei den Ledigen bei 4 Prozent und bei den Geschiedenen bei 3 Prozent.

Welche Leistungen würden Männer und Frauen in Deutschland versichern, um bei Pflegebedürftigkeit – aus ihrer Sicht – gut versorgt zu sein? Die Ergebnisse der aktuellen Befragungswelle zeigen deutlich, dass der Wunsch nach dem Verbleib in der eigenen Häuslichkeit das stärkste Motiv für die private Zusatzversicherung ist. Für 41 Prozent der Befragten hätte daher die Absicherung von Haushaltsleistungen erste Priorität: die Unterstützung beim Einkaufen, beim Kochen, beim Waschen und bei der Wohnungsversorgung.

Ein weiteres Ergebnis zeigt, wie eng der Gedanke an eine Zusatzvorsorge mit dem Wunsch verbunden ist, auch als Pflegebedürftige/r weiterhin zu Hause leben zu können: Gut 25 Prozent der Angaben entfallen darauf, Leistungen abzusichern, die im Fall der Pflegebedürftigkeit eine umfassende Rund-um-die-Uhr-Betreuung garantieren. An dritter Stelle stehen Angaben zur Versicherung von praktischer Hilfe und Unterstützung  (18 Prozent), etwa bei Behördengängen und Anträgen oder bei der Organisation von spezieller Freizeitgestaltung. 14 Prozent der Angaben beziehen sich darauf, eine umfassende Beratung für den Pflegefall abzusichern (Abb. 8).

Fazit und Diskussion

Die Befunde bestätigen, dass sehr viele Befragte bereits mit dem Thema Pflegebedürftigkeit in Berührung gekommen sind. Jede/r Fünfte hat sogar selber gepflegt oder tut dies aktuell. Die Gruppe der aktuell oder ehemals Pflegenden kann als eher älter (über 50 Jahre), weiblich, mit Haupt- oder Volksschulabschluss und verheiratet  bzw. verwitwet charakterisiert werden (vgl. auch Schneekloth 2005; Blüher et al. 2011). Auffällig ist zudem, dass sich unter den Pflegenden ein signifikant höherer Anteil von Personen mit einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheitssektor findet.

Zunehmende unmittelbare oder über den Verwandten- und Bekanntenkreis vermittelte Pflegeerfahrung schlägt sich deutlich im allgemeinen Informiertheitsgrad nieder. Dass das Thema Pflege mittlerweile in weite Bevölkerungskreise vorgedrungen ist, zeigt sich besonders auch im Vergleich zur Gesundheitsmonitorbefragung 2004 (Amhof 2006). So nahm der Anteil der „Informierten“ in knapp zehn Jahren deutlich zu: von 48 auf rund 72 Prozent.

Wie wichtig die ausreichende Information aller Beteiligten für das Gelingen von häuslichen Pflegearrangements ist, kann dabei – etwa mit Blick auf die Einbeziehung professioneller Unterstützung – gar nicht hoch genug eingeschätzt werden (Schaeffer und Moers 2011; SVR 2007). Insofern ist die (zunehmende) Informiertheit rund um das Thema Pflege durchaus ermutigend – auch mit Blick auf die Tragfähigkeit und Stabilität häuslicher Pflegearrangements (Dorin und Büscher 2013).

Der gezeigte Durchdringungseffekt  – höhere Involviertheit und bessere Informiertheit – beeinflusst offenkundig auch Einstellungen zu unterschiedlichen Versorgungskonstellationen im Fall einer Pflegebedürftigkeit. Einerseits zeigt sich entgegen einem immer wieder beschworenen Bedeutungsverlust eine ausgesprochen starke Position der familialen Pflege. Die stabil hohen Erwartungen an den engeren Familienkreis, nach Möglichkeit Pflegeleistungen zu übernehmen, werden auch in der aktuellen Befragung deutlich.

Andererseits wird diese Haltung zunehmend durch Einstellungen ergänzt, die die Einbeziehung professioneller Dienstleister als gute – eventuell auch zusätzliche – Versorgungsalternative betrachten. Hier ist im Vergleich zur Befragung 2004 ein deutlicher Trend erkennbar, Pflegedienste mehr und mehr als selbstverständliche Hilfe im Rahmen von Pflegearrangements zu werten.

Der hohe Stellenwert von familialer Pflege und Versorgung sowie eine gleichzeitig wachsende Zustimmung zur Unterstützung durch professionelle Dienste schließen sich dabei keineswegs aus. Vielmehr stützt die Haltung zu professioneller Hilfe das Primat der Familienpflege, wenn in Rechnung gestellt wird, dass familiale Pflegearrangements oft überhaupt erst durch den zusätzlichen Einsatz von Pflegediensten ermöglicht werden. Dieses – in der Konzeption der Pflegeversicherung grundlegend verankerte – Prinzip, budgetierte Versicherungsleistungen um den Kern familialer Fürsorge herum anzulegen, setzt weitgehend stabile Einstellungen voraus, die Familie als vorrangige pflegerische Ressource zu begreifen.

Insofern sind auch mögliche hinderliche Rahmenbedingungen für die Übernahme von Angehörigenpflege besonders relevant, da die Realisierung von eigentlich gewünschten Versorgungsformen oft an unzureichenden Bedingungen scheitert. So verweist etwa die hohe Zahl an Befragten, die angeben, aufgrund zu langer Arbeitszeiten einen nahen Angehörigen im eigenen Haushalt nicht versorgen zu können, auf die schon länger diskutierte Problematik der (mangelnden) Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Erste Schritte zu einer Verbesserung unternimmt seit dem Jahr 2008 das Pflegezeitgesetz bzw. seit 2012 das Gesetz über die Familienpflegezeit (FPflZG): Es sieht (freiwillige) Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor, um die Arbeitszeit zum Zwecke der Angehörigenpflege zu reduzieren. Bislang nutzen dieses Modell erst sehr wenige Betroffene.

So ergab die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, dass zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 28. Januar 2013 nur 147 Personen eine Familienpflegezeit in Anspruch genommen haben. Hier scheint noch keine Kompatibilität mit den Bedürfnissen der Pflegenden hergestellt zu sein. Solche strukturellen Defizite endlich zu lösen, könnte den Pflegenden auch helfen, emotionale Belastungen besser zu verarbeiten. Über ein Drittel der Befragten geben eine hohe emotionale Belastung als Hinderungsgrund für die Angehörigenpflege an. Hier manifestiert sich ein psychosozialer Unterstützungsbedarf, der vielfach erkannt, doch meist schwierig umsetzbar ist.

Gerade im Bereich gesundheitsbezogener Unterstützung zeigen sich pflegende Angehörige oft als besonders schwer erreichbare Zielgruppe (Blüher et al. 2011). Das auch aus anderen Zusammenhängen bekannte „Präventionsdilemma“ – wonach gerade diejenigen, die besonders große Unterstützung benötigen, entsprechende Angebote am seltensten in Anspruch nehmen – zeigt sich bei Pflegenden ganz deutlich: Einerseits bringen körperliche und emotionale Belastungen einen massiven Unterstützungsbedarf hervor, andererseits hindern gerade diese Belastungen viele Pflegende, Unterstützungsangebote zu nutzen. Die physischen und psychischen Belastungen, die pflegende Angehörige erleben, führen jedoch nicht – wie möglicherweise erwartbar – zu einer erhöhten Ablehnung der Familienpflege. Die positive Haltung zu familialer Fürsorge und die damit verbundene Bereitschaft zur Übernahme der Pflege sind vielmehr in der Gruppe von Personen mit Pflegeerfahrung besonders ausgeprägt.

Die Ausführungen machen deutlich, dass neben der familialen Pflege und Versorgung vor allem auch Leistungen aus staatlichen Versicherungssystemen oder privaten Vorsorgemaßnahmen wesentliche Elemente eines tragfähigen Versorgungsmixes darstellen. Entsprechend wichtig ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Befragten im Hinblick auf ihre eigene Vorsorgesituation. Hier ergibt sich ein insgesamt eher pessimistisches Bild: Der größte Teil (42 Prozent) schätzt die eigene Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit als schlecht bis sehr schlecht ein. Dies stellt sich noch ungünstiger dar, wenn die Bereitschaft, zusätzliche Beiträge zur eigenen Vorsorge zu leisten, miteinbezogen wird: Eine große Mehrheit gibt an, entweder gar keinen oder einen nur geringen zusätzlichen Beitrag leisten zu wollen.

Wird dieses Antwortverhalten allerdings mit dem sozioökonomischen Status der Befragten in Zusammenhang gebracht, zeigt sich, dass zusätzliche Vorsorge möglicherweise nicht so sehr an mangelnder Bereitschaft leidet, sondern an der Selbstwahrnehmung von Befragten – insbesondere niedriger Statuslagen –, da oft gar nicht die Möglichkeit zusätzlicher Risikovorsorge gesehen wird. Hier besteht sicher die Gefahr, dass sich ungünstige Effekte sozialer Ungleichheit in höheren Lebensaltern und in besonders vulnerablen Lebenslagen verstärken.
Die bislang schon unter dem Stichwort „drohende Altersarmut“ diskutierten Herausforderungen könnten sich somit im Bereich der Pflege besonders dramatisch manifestieren. Die Befunde des Gesundheitsmonitors geben einerseits Hinweise auf entsprechenden Handlungsbedarf, zeigen andererseits aber auch, dass zunehmende Konfrontiertheit mit und Involviertheit in das Thema Pflege ebenfalls eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Vorsorgeverhalten befördern.

So setzen sich immer mehr Frauen und Männer mit der Vorsorge für das hohe Alter auseinander. Im Vordergrund stehen finanzielle Aspekte, daneben aber auch Fragen des Wohnens und der Versorgung im Alter. Betont werden muss jedoch, dass die Frage, inwieweit zukünftig ein angemessenes Versorgungsniveau im Fall von Pflegebedürftigkeit zu gewährleisten ist, nur teilweise von persönlichen Erfahrungen, Erwartungen und Einstellungen abhängt. Eine wesentliche Rolle wird hierbei auch die Weiterentwicklung politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen der Pflege spielen, wie etwa die überfällige Neubewertung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die damit einhergehende faktische Leistungsausweitung und letztlich die unvermeidbaren Einnahmesteigerungen für die soziale und private Pflegeversicherung.

Tabellen und Schaubilder

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Hinweis: Dies ist eine gekürzte Fassung, der vollständige Artikel wurde im Dezember im Gesundheitsmonitor 2013 veröffentlicht.

Quelle: Gesundheitsmonitor 5/2013 der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK. „Das Risiko der Pflegebedürftigkeit: Pflegeerfahrungen und Vorsorgeverhalten bei Frauen und Männern zwischen 18 und 79 Jahren.“

Literatur

  • Amhof, R. „Pflege und Versorgung im Alter in der Wahrnehmung der Bevölkerung“. Gesundheitsmonitor Newsletter 3 2006.
  • Blüher, S., D. Dräger, A. Budnick, C. Seither und K. Kummer. „Möglichkeiten und Grenzen der Erfassung von gesundheitlichen Ressourcen und Risiken älterer pflegender Angehöriger“. HeilberufeSCIENCE 2011. DOI 10.1007/ s16024-011-0048-1.
  • Bündnis 90/Die Grünen. Antwort der Bundesregierung (17/12330) auf eine Kleine Anfrage. (Bundestagsdrucksache 17/12166).
  • Büscher, A., und K. Wingenfeld. „Funktionseinschränkungen und Pflegebedürftigkeit im Alter“. Alter, Gesundheit und Krankheit. Hrsg. A. Kuhlmey und D. Schaeffer. Bern 2008.
  • Dorin, L., und A. Büscher. „Ambulante Pflegearrangements von Schwerpflegebedürftigen: Präferenzen, Erwartungen, Entscheidungshintergründe“. Gesundheitsmonitor 2012. Hrsg. J. Böcken, B. Braun und U. Repschläger. Gütersloh 2012.
  • DZA  – Deutsches Zentrum für Altersfragen. Report Altersdaten. Heft 3. Berlin 2013.
  • Generali Zukunftsfonds und Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.). „Generali Altersstudie“. Bundeszentrale für politische Bildung. Schriftenreihe Band 1348. Bonn 2013.
  • Institut für Demoskopie Allensbach. Weil Zukunft Pflege braucht. R+V-Studie zu Frauen und Pflege. Wiesbaden 2012.
  • Kuhlmey, A. „Alter – Gesundheit und Gesundheitseinbußen“.  Alter, Gesundheit und Krankheit. Hrsg. A. Kuhlmey und D. Schaeffer. Bern 2008. 85–96.
  • Kuhlmey A., D. Dräger, M. Winter und E. Beikirch. „COMPASS-Versichertenbefragung zu Erwartungen und Wünschen an eine qualitativ gute Pflege“. DZA-Informationsdienst Altersfragen 37 4 2010. 4–11.
  • Rothgang, H., S. Iwansky, R. Müller, S. Sauer und R. Unger (Hrsg.). GEK- Pflegereport 2010. Schwerpunktthema: Demenz und Pflege. St. Augustin 2010.
  • Schaeffer, D., und M. Moers. „Bewältigung chronischer Krankheiten – Herausforderungen  ür die Pflege“. Handbuch Pflegewissenschaft. Hrsg. D. Schaeffer und K. Wingenfeld. Weinheim und München 2011. 329–363.
  • Schneekloth, U. „Entwicklungstrends beim Hilfe- und Pflegebedarf in Privathaushalten“.  Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung in privaten Haushalten (MuG III). Hrsg. U. Schneekloth und H. W. Wahl. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. München 2005. 55–98.
  • StatBA – Statistisches Bundesamt. Pflegestatistik 2011. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung. Wiesbaden 2013.
  • SVR  – Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Sondergutachten: Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens. Baden-Baden 2009.
  • SVR  – Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.  Sondergutachten: Kooperation und Verantwortung: Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung. Baden-Baden 2007.
  • TNS Infratest. „Was denken die Deutschen über drohende Pflegebedürftigkeit und assistierten Suizid?“ Umfrage im Auftrag der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung. Berlin 2012.