
Zwei Jahre nach dem „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro im Juni 2012 ist vom einstigen Hoffnungsträger Grüne Ökonomie nicht mehr viel zu spüren. Ressourcenverschwendung und Klimawandel setzen sich ungehemmt fort.
Wir erinnern uns: Im Vorfeld des Weltgipfels Rio+20 lancierten eine Reihe internationaler Akteur/-innen das Konzept der Grünen Ökonomie als Alternative zum fossilen und ressourcenintensiven Wirtschaftsmodell so gut wie aller Staaten. Die Hoffnung war, dass die Grüne Ökonomie als Leitkonzept in der Rio+20-Abschlusserklärung „The Future We Want“ verankert wird. Das ist gescheitert. Eine Road Map für eine Grüne Ökonomie, wie das in Rio de Janeiro die Europäische Union noch wollte, gibt es nicht. Und eine Abkehr vom Business as Usual geschieht nicht– so nötig sie angesichts des Klimawandels, der Ernährungs- und Armutskrisen auch wäre und wie sie die Protagonist/-innen der Grünen Ökonomie zu Recht fordern. Grüne Ökonomie findet allenfalls in der Nische statt. In dieser Nische bilden sich zahlreiche neue Allianzen, Aktionspläne und neue institutionelle Arrangements.
Den politischen und vor allem multilateralen Willen zu universalen, prioritären und strukturellen Zielen zur Armutsbekämpfung, zum Stopp des Klimawandels und der wachsenden Ressourcenausbeutung gibt es nicht. Der UN-Vorbereitungsprozess für die Post-2015-Agenda – für Millennium und Sustainable Development Goals – zeigt das deutlich.
Die Nachfrage nach fossilen, mineralischen und biotischen Rohstoffen wächst global in einer nie gekannten Dimension. Das hat mehrere Gründe. Die Industrieländer, die seit Jahrhunderten ein Privileg genießen, Rohstoffe auszubeuten, rücken vom fossilen und ressourcenintensiven Produzieren und Konsumieren nicht ab. Mit der ökonomischen Globalisierung sind neue „Wettbewerber“, Produzent/-innen und Konsument/-innen hinzugekommen. Auch deren Entwicklungsmodell basiert weitgehend auf einer fossilen Energiewirtschaft und einem ressourcenintensiven Produktions- und Konsummodell nach nordischem Vorbild.
Erdöl ganz vorne
Mit der steigenden globalen Warenproduktion und des Welthandels wuchs auch die weltweite Versorgung mit Primärenergie. Und dort dominieren die fossilen Energieträger, die das globale Treibhaus weiter anheizen.
Im weltweiten Energiemix liegt Erdöl mit 33 Prozent vorne, gefolgt von Kohle mit 30, Erdgas mit 24, Uran mit vier, Wasserkraft mit sieben und erneuerbaren Energien mit zwei Prozent. Der Ausstoß von Klimagasen erreicht neue Höhepunkte, während Milliarden Menschen noch keinen Zugang zu modernen Energiedienstleistungen haben. Eine um drei bis fünf Grad Celsius wärmere Welt ist kein Hirngespinst. Sustainable Development Goals müssten als allererstes den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft forcieren und die Energiearmut von Millionen von Menschen in den Fokus nehmen.
Neben der massiven Nachfrage nach fossilen und energetischen Rohstoffen spielt auch die globale Nachfrage nach strategischen Rohstoffen neuer Technologien eine wichtige Rolle.
In den Bildschirmen von Laptops sorgen beispielsweise die Stoffe mit den schönen Namen Cer, Lanthan, Europium, Terbium, Yttrium und Gadolinium für kräftige Farben. Für Laptops oder Handys sind die kleinen und leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien ebenso wichtig wie Neodym für Windkraftanlagen und Elektroautos. Weltweit ist der Verbrauch von sogenannten nicht-energetischen Rohstoffen wie Lithium, Coltan, Tantal oder Seltenen Erden in den letzten 30 Jahren um weit über 50 Prozent gestiegen.
Grüne Ökonomie auf dem Prüfstand
Anhand dieser Beispiele zeigt sich, dass das, was unter Grüner Ökonomie firmiert, ebenfalls auf den Prüfstand gehört. Jede Transformationsstrategie, alle grünen Ökonomiekonzepte und jede technologische Innovation muss potenzielle negative soziale und ökologische Auswirkungen erkunden, sie transparent machen und demokratisch legitimieren.
Alle ausgearbeiteten Konzepte der Grünen Ökonomie – von UNEP, Weltbank, OECD bis zu nationalen Aktionsplänen – beruhen auf der Annahme, dass es keine grundsätzliche Abkehr vom Wachstumsmodell geben muss. Grünes Wachstum soll fossil und nuklear basiertes Wachstum ablösen. Die Grüne Ökonomie bildet damit einen klaren Gegenpol zu wachstumskritischen Analysen. Die Idee und Notwendigkeit des Schrumpfens hat darin keinen Platz. Zudem vereinen die Ansätze der Grünen Ökonomie ein großes Vertrauen auf technologische Lösungen. Soziale und ökologische Verteilungsfragen und menschenrechtszentrierte Politikansätze finden hingegen kaum Eingang in die Konzepte der Grünen Ökonomie.
Statt auf Strategien zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu setzen und den Ressourcenverbrauch (Rohstoffe, Biodiversität und Land) zu reduzieren, fließt derzeit viel Energie und etwas Geld in den Aufbau dessen, was sich großspurig Grüne (Wachstums-)Ökonomie-Architektur nennt. Dabei ist eine weitere institutionelle Fragmentierung der Grünen Ökonomie-Landschaft zu beobachten. An erster Stelle steht die UN-Partnership for Action on A Green Economy (PAGE). Hier machen verschiedene Organisationen der Vereinten Nationen mit (UNIDO, UNEP, ILO und UNITAR). Außerdem ist die Green Economy Coalition (GEC) aktiv, die sich als Netzwerk aus UN-Organisationen, großen NGOs, Unternehmen und Gewerkschaften begreift und den Diskurs und Dialog zur Grünen und inklusiven Ökonomie fördern möchte.
Suchprozess oder Geldverschwendung?
Darüber hinaus existiert eine unübersichtliche Zahl von Lernplattformen, Foren und Allianzen, die unter der Flagge der Grünen Ökonomie oder des Grünen Wachstums segeln. Jedes dieser neuen institutionellen Arrangements definiert Grüne Ökonomie und die jeweiligen Aufgaben mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Diese Vielfalt ist positiv interpretiert ein Suchprozess, der immer sinnvoll ist, wenn Neues entstehen soll. Weniger optimistisch betrachtet wird hier viel Geld eingesetzt, ohne dass sich der globale Trend der Ressourcenverschwendung oder des Klimawandels auch nur ansatzweise verändert.
Die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken vergeben bereits Kredite für „inklusive Grüne nationale Wachstumsentwicklungspläne“ – so in Marokko, in Subsahara-Afrika, in Indien oder China. Die Herausforderung ist in erster Linie, zu prüfen, wem diese neuen Kredite wirklich zugutekommen und wofür. Zentral wäre jedoch, die Kreditvergabe öffentlicher Geber voll und ganz auf eine sozial gerechte, ressourcenarme und nicht fossile Entwicklung umzustellen und politische Rahmenbedingungen für den Privatsektor zu schaffen.
Das könnte den globalen Trend zum Abbau und Zerstörung immer mehr fossiler, mineralischer und biotischer Ressourcen umkehren. Die Regierungen, Parlamente und die Zivilgesellschaft müssten das Primat der Politik zurückholen von den mächtigen fossilen und agrarischen Lobbys, die den Weg in eine wirklich Grüne Wirtschaft und eine gerechtere Gesellschaft mit ihrer Wirtschaftsmacht verhindern. Doch der Vorbereitungsprozess auf die Post-2015-Agenda definiert zwar für die Sustainable Development Goals 150 Ziele, von diesen ist aber strukturell für die soziale und ökologische Transformation keines von Bedeutung. Damit keine Hoffnungslosigkeit aufkommt, sollte die internationale Politik hier noch intensiv nacharbeiten.
Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Südwind, September 2014, unter dem Titel "Welche Zukunft wollen wir?".