
Mit dem Verlust der Mehrheit im Kongress wird das Regieren für Obama schwerer. Können die Demokraten ihre Umwelt- und Klimaziele trotzdem umsetzen? Eine Prognose von Klaus Linsenmeier.
Die Niederlage war erwartet worden: Midterm Elections, die Wahlen zwischen zwei Präsidentenwahlen, enden meistens grausam für die Amtsinhaber. Diesmal kam es noch schlimmer. Die Obama-Koalition, die den Präsidenten 2008 und 2012 so elegant an die Macht brachte, scheint zu bröckeln. Demokraten und Republikaner werden in den nächsten Wochen und Monaten versuchen, herauszufinden, was die Wähler ihnen für die nächste Präsidentschaftswahl mit auf den Weg geben wollten. Der Wahlkampf wird spätestens im kommenden Frühjahr beginnen. Bis zur Wahl selbst sind es aber noch zwei Jahre, die mitentscheiden, was später in den Geschichtsbüchern über den ersten schwarzen Präsidenten der USA zu lesen sein wird.
Fest steht aber wohl schon jetzt: Die Zeiten der großen Entwürfe sind nach dieser Wahl erst einmal vorbei. Das ambitionierte Klima-Gesetz, das die demokratischen Abgeordneten Henry Waxman und Ed Markey entwickelt haben und das durchaus das Zeug hätte, die USA in der Klima-Politik wieder in die erste Reihe zu bringen, bleibt nach der Midterm-Niederlage weiter im Archiv des Kongresses.
Geteilte Regierungsmacht - die Mühen der Ebenen
Denn im amerikanischen System der geteilten Regierung zerren nun erneut unterschiedliche Kräfte am Ruder der Macht. Das soll eigentlich die Pluralität garantieren: Die Gründungsväter der ältesten Demokratie wollten keine Machtballung in Washington. Doch die „Checks und Balances“, die dies verhindern, sind es, worunter die Nation jetzt leidet. Das muss aber nicht unbedingt einen Stillstand bedeuten. Dass ein Präsident mit einem Kongress regiert, der von der gegnerischen Partei dominiert wird, ist nicht neu. Ronald Reagan, Bill Clinton, George W Bush, um nur die letzten zu nennen, fanden sich in wichtigen Phasen ihrer Regierung in ähnlichen Situationen wieder. Ein Blick in den Werkzeugkasten der Macht lohnt deshalb, um beurteilen zu können, welche Spielräume der Präsident zurzeit hat, seine umweltpolitische Agenda auch ohne Mehrheit voranzutreiben.
Mit dem Ergebnis der Zwischenwahl sind für die amerikanische Klimapolitik zweifellos schwere Zeiten angebrochen. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, an dem international Fortschrittswille und nationale Handlungsfähigkeit in nur wenigen Wochen auf der Klimavertragsstaatenkonferenz in Lima demonstriert werden müssen. Aktuell jedoch unterstützen laut einer Analyse der renommierten Brookings Institution nur 2 Prozent aller republikanischen Kandidaten amerikanische Emissionsreduzierungen. Deshalb hat der Gewinn des US-Senats durch die Republikaner und die Ausweitung ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus gravierende Auswirkungen für den Handlungsspielraum und die Glaubwürdigkeit der Obama-Regierung in den internationalen Klimaverhandlungen.
Dicke Luft um den Clean Power Plan
Im Vorfeld hat eine exekutive Verfügung des Präsidenten im Sommer den Weg gewiesen, den Obama in den kommenden zwei Jahren gehen will: Die Verfügung ("Clean Power Plan"), die sich rechtlich auf ein Gesetz von 1963, den "Clean Air Act", stützt, verpflichtet amerikanische Kraftwerke, ihre Emissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Das schließt praktisch den Bau neuer Kohlekraftwerke aus. Diese und weitere Umweltverordnungen werden von der US-Umweltschutzbehörde EPA umgesetzt, die damit zur amerikanischen Leitagentur für die internationale Klimastrategie des Weißen Hauses geworden ist. Die EPA hat für März nächsten Jahres weitere Schritte zur US-Emissionsreduzierung angekündigt. Der Termin ist mit Bedacht gewählt. Die Klimaverhandlungsstaaten werden dann mit den national bestimmten Beiträgen (INDCs) zu einem globalen Klimaabkommen den Endspurt der Verhandlungen einläuten.
Dem Clean Power Plan gilt voraussichtlich einer der ersten Angriffe der neuen republikanischen Senatsführung. Der neue Mehrheitsführer Mitch McConnell aus dem Kohlestaat Kentucky will den Plan ebenso aushebeln wie der neue Vorsitzende des Senatsausschusses für Umwelt und öffentliche Vorhaben, Jim Inhofe, aus dem öl- und erdgasreichen Bundesstaat Oklahoma. Inhofe war bereits von 2003 bis 2007 Vorsitzender des Ausschusses. Der Senator, der gerne aus der Bibel zitiert, um zu beweisen, dass Klimawandel ein Scherz (hoax) ist, hat seit 1989 für seine Wahlkampagne 1.7 Milliarden US-Dollar von der Öl- und Gasindustrie erhalten.
Die wohl schmutzigste Pipeline der Welt – Keystone XL
Auch ein weiteres Thema wird der neue Kongress sicher rasch aufgreifen: die "Keystone XL Pipeline", die Öl aus Teersanden aus Kanada an die amerikanische Südküste transportieren soll. Die Pipeline ist zu einem symbolisch aufgeladenen Projekt geworden, über das sich die fossile Industrie auf der einen und Umweltschützer, unter ihnen der mitgliederstarke Sierra Club, auf der anderen Seite in Stellung gebracht haben.
Das Projekt ist seit Jahren Gegenstand eines Prüfprozesses des State Department, des amerikanischen Außenministeriums. Das Weiße Haus hat das Projekt auf die lange Bank geschoben – einerseits, weil die Obama-Berater zu Recht den Zorn der Umweltbewegung fürchten, andererseits, weil sie im Öl-süchtigen Amerika nicht als wirtschaftsfeindlich gebrandmarkt werden wollen. Derzeit ist das Projekt Gegenstand von regionalen rechtlichen Auseinandersetzungen, etwa in Nebraska. Mit den neuen Mehrheiten kann der Kongress ein entsprechendes Gesetz zur Bewilligung der Pipeline einbringen und so Obamas Verzögerungstaktik unterlaufen. Der Präsident müsste ein Gesetz zur Genehmigung von Keystone mit einem Veto blockieren. Die Zeit, Befürworter und Gegner hinzuhalten, dürfte zu Ende gehen.
Geteilte Regierung – die Gestaltungsmacht des Kongresses
Nicht nur der Präsident kann den Kongress umgehen. Auch die Abgeordneten haben umgekehrt verschiedene Optionen. Den republikanischen Klimaskeptikern, wie dem Tea Party-Liebling Ted Cruz aus Texas oder Ron Johnson aus Wisconsin, stehen mehrere Instrumente zur Verfügung. Da ist zum einen der bislang selten angewandte Congressional Review Act von 1996: Er gibt dem Repräsentantenhaus und dem Senat die Möglichkeit, mit jeweils einfacher Mehrheit über eine gemeinsame Resolution die Regulationsmacht des Präsidenten über Exekutivverfügungen zu blockieren. Die Republikaner können sich auch der Taktik der „legislativen Trittbrettfahrer“ bedienen (riders) und eine Umsetzung von fundamentalen Gesetzesvorhaben – wie zum Bespiel eine Anhebung der nationalen Verschuldungsobergrenze – von der Schwächung der US-Klimaschutzbestimmungen abhängig machen. Dem Präsident bliebe dann nur das Veto und damit eine mögliche Wiederholung des federal shut down oder das Eingeständnis amerikanischer Zahlungsunfähigkeit mit weitreichenden Wirtschaftsfolgen – oder eben Zugeständnisse in Fragen nationaler Klima-, Umweltschutz- und Energiegesetzgebung. Möglich wären dann zum Beispiel die Erlaubnis zum Bau der Keystone XL Pipeline.
Und schließlich bleibt die Gefahr, dass die Republikaner ihre Budgetmacht sowie juristische Klagen nutzen, um die EPA als Umsetzungsbehörde aller US-Emissionsreduktionsbemühungen durch „tausend kleine Schnitte“ in die Knie zu zwingen. Eine geschwächte EPA würde international ein verheerendes Signal in die Klimaverhandlungen senden. Denn so viel ist sicher: Ein republikanischer Senat wird kein legal bindendes Klimaabkommen unterschreiben. Schon 1997, als noch Bill Clinton Präsident war, hat der damalige republikanisch dominierte Senat sich geweigert, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren.
Die demokratischen Klimapolitiker setzen deshalb als Strategie für Paris 2015 „nur“ auf ein politisch bindendes Vertragswerk und zwar eines des „naming and shaming“, mit der EPA als Umsetzungsgarant für amerikanische Selbstverpflichtungen. Das jedoch ist mit Sicherheit im Kongress nicht konsensfähig. Wenn aber Schwellenländern wie China, die in einem neuen ambitionierten Klimavertrag selbst bedeutsame Emissionsreduzierungen zusagen sollen, die Zuverlässigkeit amerikanischer Zusagen durch die EPA bezweifeln, würde dies die Bereitschaft der Schwellenländer zu eigenen drastischen Reduktionsschritten senken.
Geld für’s Klima – der Green Climate Fund
Bleibt zuletzt noch die internationale Klimafinanzierung. Die Obama-Administration bereitet derzeit ihre Zusage für die Startfinanzierung des Grünen Klimafonds ("Green Climate Fund", GCF) vor, die auf einem Gebertreffen am 20. November in Berlin gemacht werden soll. Alles unter einer Startfinanzierung von 10 Milliarden US-Dollar für den GCF würden die Entwicklungsländer, nur wenige Wochen vor der Vertragsstaatenkonferenz in Lima, als mangelnde Ernsthaftigkeit der Industrieländer werten. Sie erwarten, dass die reicheren Staaten den Reduktionsverpflichtungen aller Länder auch entsprechende Taten folgen lassen. Bislang sind aber nur rund 2.8 Milliarden US-Dollar, darunter eine Milliarde von deutscher Seite, zusammengetragen worden. Von einer bedeutenden US-Zusage - erhofft werden mindestens zwei Milliarden – für den GCF hängt wohl auch die Höhe eines britischen und japanischen Beitrags ab.
Der Ausgang der Zwischenwahl könnte hier einen deutlichen Dämpfer für die Gebefreundlichkeit der Amerikaner bedeuten. Schon hat das US-Finanzministerium gewarnt, man solle sich nicht zu sehr an der 10-Milliarden-Marke für die GCF-Startfinanzierung aufhängen. Darüber hinaus gibt es keine Garantie, dass eine Finanzzusage der amerikanischen Regierung dann auch in voller Höhe und in einem akzeptablen Zeitraum von einem republikanischen Kongress bewilligt wird.
Im Falle des Klimainvestitionsfonds der Weltbank, der 2008 vom republikanischen Präsidenten George W Bush mit initiiert wurde, haben die USA selbst die 2014 gemachten Zusagen noch nicht erfüllt. Um ihr Versprechen im Jahr 2015 und den Folgejahren erfüllen zu können, hofft die US-Administration deshalb auf argumentative Unterstützung von Seiten religiöser Glaubensgemeinschaften, amerikanischer Unternehmer und Sicherheitsexperten. Drei Gruppen, mit denen die Republikaner traditionell gute Beziehungen pflegen. Dem republikanischen Kongress soll so eine amerikanische Finanzzusage für den GCF als eine gute Investition verkauft werden. Allerdings hat der neue Vorsitzende des Senatsumweltausschusses, James Inhofe, bereits einen Tag nach der Zwischenwahl die rote Karte gezeigt: Er teilte mit, dass er die US-Finanzierung für Klimainitiativen der Vereinten Nationen, inklusive des Weltklimarats und des Grünen Klimafonds, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln blockieren will.
Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse sind keine einschneidenden Reformschritte zu erwarten - nicht in der Klimapolitik, aber auch nicht in anderen Bereichen. Das Ringen der kommenden zwei Jahre wird auch die Ausgangsbedingungen für die Präsidentschaftswahlen Wahlen beeinflussen. Grund genug, die US-Politik weiterhin genau zu beobachten.