Internalisierung externer Kosten als Baustein einer grünen Ordnungspolitik

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Für eine ökologische Wirtschaftsordnung brauchen wir höhere Energiesteuern

Dass die deutsche Wirtschaft auf Erneuerbare Energien umgestellt werden soll, ist mittlerweile Konsens. Es wird Zeit, an ein Instrument zu erinnern, mit dem Deutschland bereits gute Erfahrungen sammeln konnte: die Ökologische Steuerreform.

In Deutschland herrscht parteiübergreifend Konsens, dass die Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten weitgehend dekarbonisiert und die Energieversorgung nahezu vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden soll. Diese Zielsetzung ist ökologisch realistisch, gleichzeitig aber ökonomisch ambitioniert. Sie setzt einen tiefgreifenden Wandel unseres Wirtschaftens voraus. Einen Wandel, der bereits im Gange ist, für dessen erfolgreichen Abschluss aber – laut Bundesregierung –  zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen.

Nach Auffassung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) sollte der Staat für diese Transformation den notwendigen ordnungspolitischen Rahmen setzen, ohne Verbraucher/innen und Unternehmen eine bestimmte Verhaltensweise zu diktieren. Vorschriften schränken die Entscheidungsfreiheit ein, sind tendenziell ineffizient und werden durch Rebound-Effekte zumindest teilweise konterkariert. Auch zusätzliche Subventionen können nur einen begrenzten Beitrag leisten – allein deshalb, weil die finanziellen Spielräume des Staates begrenzt sind. Der Emissionshandel scheint auf absehbare Zeit nicht in der Lage, auch nur ansatzweise die bestehenden Kosten zu internalisieren. So werden den Verursachern derzeit weniger als ein Achtel der wahren, externen Kosten in Rechnung gestellt. Handlungsbedarf besteht zudem auch in den Bereichen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen.

Die Ökosteuer sichert Arbeitsplätze

Nicht zuletzt angesichts der historisch niedrigen Weltmarktpreise für Rohöl ist es daher an der Zeit, sich an ein Instrument zu erinnern, mit dem Deutschland bereits gute Erfahrungen sammeln konnte: die Ökologische Steuerreform. Sie vereint ökologische Fortschritte mit einer Verbesserung der Beschäftigungslage, belastet den Staatshaushalt nicht und gewährleistet größtmögliche Freiheiten des Einzelnen. Von 1999 bis 2003 wurden schrittweise Steuern auf Energie eingeführt bzw. angehoben, etwa die Mineralölsteuer um fünf mal drei Cent je Liter angehoben, die Heizstoffsteuer um zwei Cent angehoben und die Stromsteuer von zwei Cent je Kilowattstunde eingeführt. Die einzelnen Schritte waren marginal, haben aber insgesamt zu einem Aufkommen von ca. 20 Milliarden Euro geführt, das nahezu vollständig an die Bürger/innen und Unternehmen durch die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge zurückerstattet wurde. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat diese Reform zu CO2-Einsparungen von zwei bis drei Prozent und zur Schaffung bzw. Sicherung von bis zu 250.000 Arbeitsplätzen geführt.

Obwohl die Ökologische Steuerreform bei ihrer Einführung heftig umstritten war, wurde sie von allen nachfolgenden Regierungen nicht revidiert. Sie wurde sogar weiterentwickelt: So hat die schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 die wichtigsten Vorschläge des FÖS für eine ökologische Haushaltskonsolidierung aufgegriffen und die Ökosteuer-Ausnahmen für die Industrie reduziert sowie Luftverkehr und Kernbrennstoffe in die Umweltbesteuerung einbezogen.

Es gibt zu viele umweltschädliche Subventionen

Trotzdem bleibt der Handlungsbedarf bei der Internalisierung externer Kosten hoch. Finanzwissen­schaftler/innen fordern zwar meist, dass Steuern entscheidungsneutral sein sollten. Der deutsche Staat finanziert sich allerdings nach wie vor zu fast zwei Drittel dadurch, dass er den Faktor Arbeit mit Steuern und Abgaben belastet. Umweltsteuern tragen zu weniger als fünf Prozent des Staatsaufkommens bei. Als Mengensteuern werden sie permanent durch die Inflation entwertet. Durch diese „kalte Regression“ der Umweltsteuern sind wir heute wieder bei einem Umweltsteueranteil an den Staatseinnahmen auf Vor-Ökosteuerniveau angelangt.

Aus ordnungspolitischer Sicht sollten zunächst bestehende Subventionen abgebaut werden. Laut Umweltbundesamt leistet sich Deutschland Jahr für Jahr umweltschädliche Subventionen von mehr als 52 Milliarden Euro[i].  Diese belasten den Staatshaushalt bzw. die Steuerzahler/innen, verzerren den Markt, torpedieren die klima- und energiepolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung und sind allzu oft sozial ungerecht. So beträgt das Dienstwagenprivileg ca. 4,6 Milliarden Euro im Jahr[ii], die Steuervergünstigungen der Luftfahrtindustrie machen mehr als 10 Milliarden Euro aus und die energieintensive Industrie erhält jährlich Energiepreisvergünstigungen von über 15 Milliarden Euro[iii]. Dadurch werden Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz und des Umstiegs auf erneuerbare Energien verhindert. Gleichzeitig werden all jene benachteiligt, die von diesen Subventionen nicht profitieren, sie aber finanzieren müssen.

Umweltsteuern müssen regelmäßig angepasst werden

Außerdem sollten die bestehenden Umweltsteuern in ihrer Bemessungsgrundlage vereinheitlicht und stärker an externen Kosten ausgerichtet werden. So wird sowohl bei den Heizstoffen Erdgas deutlich stärker besteuert als Heizöl oder gar Kohle, als auch im Kraftstoffbereich der CO2-intensivere Dieselkraftstoff um 18 Cent je Liter niedriger besteuert, als das weniger CO2-haltige Benzin. Durch eine Vereinheitlichung – wie etwa von der EU-Kommission vorgeschlagen – könnte bereits ohne eine Anhebung der Energiesteuern deren Klimaeffekt verbessert werden.

Zum Dritten sollte Deutschland dem Beispiel anderer Länder folgen und seine Umweltsteuern indexieren. Derzeit werden diese – anders als die Steuern und Abgaben auf Arbeit – von Jahr zu Jahr durch Inflation abgewertet. Allein die Mineralölsteuer müsste um 14 Cent je Liter angehoben werden, um wieder dem realen Steuersatz von 2003, dem Jahr der letzten Erhöhung, zu entsprechen. Insgesamt entgingen dem Staatshaushalt durch die „kalte Regression“ bei den Umweltsteuern seit 2003 real rund 44 Milliarden Euro an Einnahmen.[iv]

Wir brauchen höhere Energiesteuern

Zudem müssen Energiesteuern mindestens im Rahmen der Steigerung der Energieproduktivität angehoben werden, um Rebound-Effekte durch gesunkene Energiekosten zu verhindern.[v] Indexierung und Produktivitätsausgleich sind beides Maßnahmen, die noch keine zusätzlichen Effizienz-Signale in den Markt geben, sondern nur eine Verschlechterung der Anreize verhindern.

All diese Maßnahmen bedeuten noch keine zusätzlichen Steuern bzw. keine reale Anhebung von Steuern zur Internalisierung externer Kosten. Doch auch dazu gibt es reichlich Anlass. So betragen etwa die Steuern auf leichtes Heizöl in Deutschland mit sechs Cent je Liter gerade einmal ein Drittel des EU-Durchschnitts und sind mit ca. 20 Euro je Tonne CO2 weit von einer vollständigen Internalisierung der externen Kosten entfernt.[vi] Eine Anhebung in Richtung des europäischen Durchschnitts könnte die dringend benötigten Mittel zur Förderung der Gebäudesanierung bereitstellen und gleichzeitig soziale Ausgleichsmaßnahmen gegen steigende Energiepreise finanzieren.

Dies ist der zehnte Debattenbeitrag zur Konferenz "Baustelle grüne Wirtschaftspolitik: Welche Ordnung muss sein?", die am 26. und 27. Juni in Berlin stattfindet. Alle Beiträge finden Sie in unserem Dossier.

 

[i] UBA (2014): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland 2014 (PDF).

[ii] FiFo Köln, FÖS (2011): Steuerliche Behandlung von Firmenwagen in Deutschland; URL: Umweltschädliche Subventionen in Deutschland (PDF).

[iii] FÖS (2013): Ausnahmeregelungen für die Industrie bei Energie- und Strompreisen (PDF).

[iv] FÖS (2015): Zuordnung der Steuern und Abgaben auf die Faktoren Arbeit, Kapital, Umwelt (PDF).

[v] Ernst Ulrich von Weizsäcker, Karlson Hargroves, Michael Smith (2010): Faktor Fünf

[vi] FÖS (2010): Anhebung der Energiesteuern auf Heizstoffe (PDF).