Für die Energiewende muss noch viel geregelt werden

Windrad neben Streinkolhekraftwerk
Teaser Bild Untertitel
Windrad neben dem Steinkohlekraftwerk Scholven in Gelsenkirchen (NRW)

Um den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2050 auf 80 Prozent zu steigern, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Claudia Kemfert über dezentrale Energieversorgung, Überkapazitäten im Strommarkt, den Europäischen Emissionsrechtehandel und die wirtschaftlichen Potenziale der Energiewende.

In Zeiten von sinkenden Ölpreisen, Deflationsängsten und Streitigkeiten über die EU-Sparpolitik gerät die Energiewende aus dem Blickfeld. Wenn sich dies nicht ändert, wird das Ziel, den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von heute etwa 28 Prozent bis zum Jahre 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen, verfehlt. Zu tun gibt es genug. Bis zum Jahre 2022 werden die restlichen Atomkraftwerke, die vor allem im Süden Deutschlands im Einsatz sind, abgeschaltet. Außerdem geht es darum, die Energieeffizienz zu verbessern, sowohl im Gebäudeenergiebereich, als auch die Mobilität auf Nachhaltigkeit umzustellen. Die Energiewende soll somit zu einer dauerhaft nachhaltigen Energieversorgung führen.

Die Stromerzeugungsstrukturen verändern sich stark, hin zu einer mehr dezentralen Energieversorgung, in denen Erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und intelligente Verteilnetze, sowie Speicherlösungen ineinander verzahnt werden. Dazu bedarf es auch eines effektiven Lastmanagements, welches Angebot und Nachfrage gut aufeinander abstimmt. All diese Entwicklungen bringen enorme Innovationen hervor und erschließen durch Investitionen Zukunftsmärkte. All dies erfordert geeignete regulatorische Rahmenbedingungen.

Ein Fonds für den Atommüll

Eine zentrale Herausforderung ist der Atomausstieg, der, genau genommen, ein Einstieg in die Jahrhundertaufgabe der Endlagerung des Atommülls ist. Angesichts der finanziellen Dimensionen, deren Ausmaß derzeit nicht einmal annähernd beziffert werden kann, bedarf es hier schnellen Handelns. 38 Milliarden Euro haben die Stromkonzerne zurückgestellt. Aller Voraussicht nach reicht dieser Betrag bei weitem nicht aus. Deshalb muss der Staat Vorsorge treffen und verhindern, dass sich die Produzenten des strahlenden Abfalls aus der Verantwortung für dessen Beseitigung ziehen können. Für diese Rücklagen sollte daher ein öffentlich-rechtlicher Fonds eingerichtet werden, ergänzt durch eine Nachschusspflicht der Konzerne für die zu erwartenden Mehrkosten.

Die andere Aufgabe der Energiewende ist es, das Stromsystem umzubauen, hin zu mehr Dezentralität, Flexibilität und Dynamik, inklusive intelligenter Netze, einer optimalen Steuerung von Angebot und Nachfrage und mittelfristig mehr Speichern. Derzeit gibt es allerdings massive Strom-Angebots- Überkapazitäten durch alte Kohle- und Atomkraftwerke, sowie phasenweise Erneuerbare Energien. Durch die Überkapazitäten sinkt der Strompreis an der Börse, Deutschland exportiert billigen Strom. Aus diesem Grund und aufgrund der Tatsache, dass die CO2-Preise sich auf einem historisch niedrigen Niveau befinden, sind Braunkohlekraftwerke derzeit noch immer wirtschaftlich. Daher ist ihr Einsatz angestiegen, mit ihm die Treibhausgasemissionen. Somit rechnen sich aufgrund des massiven Strom-Angebotsüberschusses und der damit verbundenen niedrigen Strom-Börsenpreise die für die Energiewende notwendigen Geschäftsmodelle nicht in jedem Fall.

Wenn die Bundesregierung zudem das Klimaschutz-Ziel ernst nimmt, muss neben dem Gebäudeenergie- und Mobilitäts- vor allem der Stromsektor einen erheblichen Beitrag zur Emissionsminderung leisten. Dies kann nur geschehen, wenn vor allem alte ineffiziente Kohle-Kraftwerke ersetzt werden durch erneuerbare Energien und auch Kraft-Wärme-Kopplung sowie Gas-Kraftwerke. Anders als von den Kohle-Befürwortern behauptet, eignen sich Kohle-Kraftwerke nicht als Brückentechnologie für eine nachhaltige Energiewende. Gas-Kraftwerke sind viel besser geeignet, da sie flexibler sind als Kohle-Kraftwerke und weniger klimaschädliche Treibhausgase verursachen.

Marktbereinigung statt Subventionen

Obwohl es Überkapazitäten gibt, wünscht sich dennoch der Großteil der Energiebranche zusätzliche Subventionen über so genannte Kapazitätsmärkte. Derartige Subventionen würden jedoch in erster Linie mehr Geld für alte ineffiziente Kraftwerke bereitstellen, das flexible System hin zur Energiewende eher behindern und den Strompreis unnötig verteuern. Statt neue Subventionen für fossile Energien zu zahlen, sollte besser der Strommarkt aufgeräumt werden. Nur mit einer Marktbereinigung wird man wieder ausreichende Knappheitspreise an der Börse erreichen können. Würden die ältesten, ineffizientesten Kohle-Kraftwerke aus dem Markt verschwinden, könnte man eine doppelte Dividende erzielen: Der Markt wäre bereinigt, die Strompreise an der Börse könnten steigen, zudem würden die Klima-Ziele erreicht.

Je mehr man eigene Kapazitäten vor Ort, vor allem auch im Süden Deutschlands schafft und auch Speicher hinzu baut, desto weniger Stromtrassen benötigt man. Ohne Zweifel: Überschüssiger Windstrom aus dem Norden muss in den Süden transportiert werden können. Jedoch hängt der Erfolg der Energiewende weniger vom sofortigen Ausbau neuer Stromautobahnen als vielmehr von der weiteren Unterstützung und Umsetzung der Energiewende vor Ort ab.

Eine Abgabe für Kohlekraftwerke ist sinnvoll

Der Europäische Emissionsrechtehandel ist derzeit ein Totalausfall: Der Markt krankt an zu vielen Zertifikaten und somit einem zu niedrigen Preis für CO2-Zertifikate. Der Emissionsrechtehandel leidet noch immer an zu hohen Zuteilungen der Emissionszertifikate in den Anfangsjahren. Selbst mit einer Reparatur des Emissionsrechtehandels, wie ihn Europa vorsieht und Deutschland glücklicherweise unterstützt, wird der CO2-Preis nicht auf ein ausreichend hohes Niveau steigen, damit der Kohle-Überschuss aus dem deutschen Strommarkt verschwindet. Statt sieben Euro pro Tonne CO2 würden 40 bis 60 Euro pro Tonne CO2 benötigt werden, damit ausreichend finanzielle Anreize für den Einsatz von Gas- statt Kohlekraftwerken gegeben sind. Somit fehlt es an geeigneten Marktsignalen zur Verteuerung von CO2. Eine Sonderabgabe für alte Kohlekraftwerke wäre sinnvoll, weil sie den Markt bereinigen und Zertifikate vom Markt nehmen würde. Auch mit einem deutlich reduzierten Stromangebot von Kohle- und Atomstrom bleibt die Stromversorgung sicher.

Die Energiewende bietet enorme wirtschaftliche Chancen. Schon heute gibt es fünf Mal so viele Beschäftigte im Bereich der Erneuerbaren Energien wie in der Kohleindustrie. Wenn man nicht nur den Bereich der Erneuerbaren Energien, sondern auch der Energieeffizienz hinzunimmt, sind es weitaus mehr Beschäftigte.

 

Dies ist der zwölfte Debattenbeitrag zur Konferenz "Baustelle grüne Wirtschaftspolitik: Welche Ordnung muss sein?", die am 26. und 27. Juni in Berlin stattfindet. Alle Beiträge finden Sie in unserem Dossier.