Südafrika nach der Kommunalwahl

Südafrikaner wirft seinen Stimmzettel in Wahlurne
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Stimmabgabe in Diepsloot bei den Kommunalwahlen am 3. August 2016

Dem regierenden African National Congress (ANC) wurde ein historischer Denkzettel verpasst, die Democratic Alliance (DA) hat Grund zu feiern und die Economic Freedom Fighters (EFF) dürfen weiterhin außerhalb ihrer Gewichtsklasse mitmischen. Nach den wohl am heißesten umkämpften Wahlen seit dem Ende der Apartheid, hat sich die politische Landschaft Südafrikas merklich verändert.

Mit 53,9 Prozent der Stimmen hat der ANC sein bisher schlechtestes Wahlergebnis erhalten und bleibt deutlich hinter seinen 63 Prozent der letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren zurück. Die 60-Prozent-Marke galt dem politischen Hegemon schon immer als psychologisch wichtig und wurde nun deutlich durchbrochen.

Die Ergebnisse der Partei sind in den Metropolen schlechter ausgefallen als erwartet. Neben Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth) musste der ANC auch in Tshwane (Pretoria) und Johannesburg seine Regierungsmehrheiten abgeben. Das trifft tief. Pretoria als Landeshauptstadt und Johannesburg als wichtigste Wirtschaftsmetropole sind die Kronjuwelen unter den Kommunen, deren Ausstrahlungskraft weit über die eigenen Landesgrenzen hinausreicht. Nelson Mandela Bay, wie der Name zum Ausdruck bringt, ist eine der historischen Wiegen der früheren Befreiungsbewegung.

Die führende Oppositionspartei konnte hingegen ihre Ziele erreichen. Angeführt von ihrem jungen und erstmals schwarzen Vorsitzenden Mmusi Maimane, hatte sich die DA in ihrem Wahlkampf dreist die politische Ikone Nelson Mandela zu Eigen gemacht. Ungleich der korrumpierten Regierungspartei stehe sie für die Werte und Aspirationen des verstorbenen Landesvaters. Den Skandalen der ANC-Regierung unter Präsident Zuma auf nationaler Ebene, wurde das saubere Image der eigenen Partei und deren Erfolge als transparente und effiziente Verwalter der Stadt Kapstadt, wo die DA seit 2006 regiert, gegenübergestellt. In Johannesburg und Pretoria wurden mit Herman Mashaba und Solly Msimanga Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt, die es der schwarzen Bevölkerung und insbesondere der schwarzen Mittelschicht leichter machen sollten, ihre historische Loyalität zum ANC beiseite zu legen.

Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass es vor allem die positive Anziehungskraft der Partei war, die ihr zu ihrem Erfolg verholfen hat. Auch wenn sich mehr schwarze Wähler/innen für die historisch „weiße“ DA entschieden haben dürften, hat diese insbesondere davon profitiert, dass in den Vororten mehr gewählt wurde als anderswo. Vielerorts lag die Wahlbeteiligung in den besser betuchten Bezirken deutlich über dem Durchschnitt von 57,7 Prozent. Einige potenzielle ANC Wähler/innen in den Townships des Landes haben sich hingegen entschieden, nicht zur Wahl zu gehen. Der Gesamtstimmenanteil der DA ist nur von 23,8 Prozent auf knapp 27 Prozent seit der letzten Kommunalwahl gestiegen. Die Ergebnisse der DA können sich aber in jedem Fall sehen lassen. In Kapstadt konnte sie ihren Stimmenanteil von 61 Prozent auf 66,6 Prozent ausbauen. In Port Elizabeth setzt sich die Partei mit knapp 47 Prozent erstmals an die Spitze. In Pretoria liegt sie mit 43 Prozent rund 2 Prozent vor dem ANC. In Johannesburg hängte der ANC am Ende mit 44,5 Prozent zwar die DA (38 Prozent) klar ab, ist aber deutlich unter die 50-Prozent-Marke gerutscht.

Die Phase der Koalitionsgespräche beginnt

Jetzt beginnt die Phase der Koalitionsgespräche. Politische Schulterschlüsse eingehen zu müssen, ist kein komplett neues Phänomen für Südafrika. Dennoch sind diese in diesem Umfang und auf so hoher Ebene bisher kaum nötig geworden.

An dieser Stelle tritt die von dem früheren Vorsitzenden der ANC-Jugendliga Julius Malema angeführte EFF aufs Parkett. Einerseits hat die junge Partei keine einzige Gemeinde für sich selbst entscheiden können und mag mit 8,2 Prozent der Gesamtstimmen der Appetit für Linkspopulismus unter den Wähler/innen für viele Beobachter unerwartet gering ausgefallen sein. Andererseits wurde sie in Pretoria und Johannesburg zum „Königsmacher“ gewählt. Damit kommt der kleinen Partei, wie auch schon auf nationaler Ebene, eine für ihre Größe gewichtige Rolle zu.

Wer in diesen Städten einen Stimmenanteil von je rund 11 Prozent für sich gewinnt, kann komfortabel regieren. Am ersten Tag nach den Wahlen haben verschiedene Vertreter der EFF ihre bereits während des Wahlkampfes bekannt gegebene Absage an den ANC vehement wiederholt. Es sei wichtig dem ANC eine Lektion in „politischer Demut“ zu erteilen, so der Parteisprecher Mbuyiseni Ndlozi. In der Zwischenzeit hat sich die Partei aber auf Anfrage des ANC auf Gespräche eingelassen. Politisch steht man sich verhältnismäßig nahe. Allerdings ist seit 2014 viel böses Blut zwischen den beiden Parteien im Parlament geflossen. Dies ist vor allem Präsident Zuma zuzuschreiben, der Malemas Rauswurf aus dem ANC absegnete. Die politische Kluft zwischen der links-radikal ausgerichteten EFF und der marktliberalen DA erscheint schwer überbrückbar. Dennoch hat auch die DA Gespräche mit der EFF angekündigt. Eine DA-EFF-Koalition könnte im schlimmsten Fall zu einer Paralyse und Instabilität in den jeweiligen Stadtverwaltungen führen. Wenn die Parteien es dennoch schaffen, ein vernünftiges Arbeitsverhältnis herzustellen, könnte die DA von der Legitimität der EFF in informellen Siedlungen und Townships profitieren. Die EFF hätte hingegen einen effizienten Partner, um ihre Regierungsfähigkeit zu demonstrieren. Zu welchen Koalitionen unter welchen Bedingungen es in Pretoria und Johannesburg kommen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. In Port Elizabeth stehen die Dinge einfacher. Dort scheint eine Koalition zwischen der DA und dem kleinen United Democratic Movement (UDM) eine bereits abgemachte Sache.

Mit Spannung zu erwarten bleibt auch, wie der ANC mit dem Wahlergebnis umgehen wird. Den bereits angeschlagenen Präsidenten Zuma setzt das Ergebnis ein Stück weiter unter Druck noch vor dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2019 Platz zu machen. Wer sich allerdings einen schnellen Abgang Zumas nach der Wahl erhofft hat, dürfte enttäuscht werden. Wie der frühere stellvertretende Präsident Kgalema Motlanthe in einem kurz vor der Wahl erschienenen Zeitungsinterview bemerkte, herrschen in der Partei derzeit die Zahlen und nicht das bessere Argument. Im Exekutivrat der Partei sind die Zahlen, auch wenn sie vielleicht bröckeln mögen, immer noch Zuma gesinnt. Die Lage wird sich erst substantiell ändern können, wenn sich die Partei zu ihrem Kongress Ende 2017 trifft und den Rat neu bestimmt. Es ist auch wichtig anzuerkennen, dass Zumas ANC in ländlichen Provinzen wie etwa Free State, Mpumalanga und KwaZulu-Natal weiterhin gute Wahlergebnisse erreicht. Den mit Zuma verbündeten Landesfürsten in diesen Provinzen kommt das schlechte Ergebnis ihrer städtischen Kollegen zunächst ganz gelegen.

Zuma dürfte in den kommenden Monaten aber dennoch vorsichtiger agieren. Gerüchte über anstehende Wechsel in seinem Kabinett gibt es bereits. Allerdings scheint nach diesem Wahlergebnis ein Totalangriff auf seine politischen Gegner in der Partei weniger wahrscheinlich. Wie die Reaktion des Landes auf die überraschende Absetzung eines kompetenten, aber kritischen Finanzministers und die Ernennung eines unbekannten Funktionärs an seiner Stelle im vergangenen Dezember gezeigt hat, ist das Land nicht einfach von Nkandla, Mbombela oder Mahikeng aus zu regieren. Gesellschaftlicher und politischer Druck aus den urbanen Zentren veranlasste Zuma damals, mit Pravin Gordhan den Finanzposten an jemanden zu übergeben, der das Vertrauen der Südafrikaner/innen genießt.

Es ist zu hoffen, dass die Partei das Wahlergebnis zum Anlass nimmt, ernsthaft darüber zu reflektieren was falsch läuft und sich nicht in die Abgründe einer zunehmend ländlich geprägten, traditionalistisch orientierten und populistisch agierenden ehemaligen Befreiungsbewegung begibt. Letzteres wäre weder für die Partei, noch für Südafrika eine positive Aussicht. Manche Beobachter sehen voraus, dass es enger werden wird für die Medien und Zivilgesellschaft. Diese mussten in der Vergangenheit vermehrt als Sündenböcke für die Verfehlungen der Partei herhalten. Nach Angaben des Informationsservice Africa Confidential liegt bereits ein Gesetzesentwurf für die stärkere Regulierung von Nichtregierungsorganisationen vor. Seine Veröffentlichung steht aber noch aus. Bisher hat Generalsekretär Gwede Mantashe aber die ANC-Niederlage in den Metros anerkannt und unter anderem vor allem die unbeliebten Mautstraßengebühren Johannesburgs und den Nkandla-Skandal für das schlechte Wahlergebnis in der Provinz Gauteng verantwortlich gemacht.

Der Wahltag verlief friedlich

Dass der Wahltag und die Tage darauf bisher äußerst friedlich verlaufen sind, hat für Erleichterung gesorgt. Südafrika kann zwar auf eine Tradition friedlicher Wahlen zurückblicken, allerdings ist die Wahlkampfphase dieses Jahr gewalttätiger als sonst verlaufen. Dies ist nicht so sehr auf die gestiegene Rivalität zwischen den Parteien, sondern vielmehr auf Auseinandersetzungen innerhalb des ANC zurückzuführen. In der Provinz KwaZulu-Natal allein, sind mehr als ein Dutzend Kandidaten von Rivalen in den eigenen Reihen ermordet worden. In anderen Provinzen gab es ähnliche Vorfälle. Insbesondere aber hatten die Ausschreitungen in Tshwane für Unruhe gesorgt. Dort war es, nachdem die vor Ort weitgehend unbekannte Thoko Didiza als Spitzenkandidatin nominiert wurde, zu heftigen Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen. Auch hier wurde die Gewalt von ANC-Mitgliedern angeführt. Vor diesem Hintergrund hatte sich die südafrikanische Polizei vor allem in ausgemachten „hoch Risiko“ Bezirken am Wahltag landesweit in Stellung gebracht, um umgehend in Gewaltsituationen eingreifen zu können. Einsätze gab es tatsächlich nur wenige. Es bleibt zu hoffen, dass die lokalen Strukturen des ANC in den kommenden Wochen ihrer Parteispitze folgen werden und anstehende Wechsel in den Stadtverwaltungen friedlich akzeptieren.

Vor den Wahlen hatte die Unabhängige Wahlkommission gerade bei Oppositionsparteien wie den EFF keinen guten Stand. Unter anderem hatte die angebliche Nähe ihres neuen Vorsitzenden zu Präsident Zuma für Unmut gesorgt. Im Nachhinein muss festgehalten werden, dass die Kommission ihre Arbeit professionell und unparteiisch umgesetzt hat. Einzelne Beschwerden verschiedener Parteien sind zwar eingegangen, niemand hat aber die Freiheit und Fairness der Wahlen insgesamt in Frage gestellt.

Damit ist der wohl größte Gewinner dieser Wahlen die südafrikanische Demokratie. Zentrale Institutionen wie die Wahlkommission haben gut funktioniert. Das Land hat Dank der gestiegenen Konkurrenz an den Urnen an politischer Reife gewonnen. Entscheidende Teile der Wählerschaft haben deutlich gemacht, dass ihre Stimme verdient sein muss und der ANC sich nicht für immer auf seinen historischen Lorbeeren ausruhen kann. Ob sich dieser Trend bei den Nationalwahlen 2019 weiter fortsetzt, wird auch davon abhängen, wie sich die neuen Stadtverwalter in den kommenden drei Jahren schlagen. Die Erwartungen sind hoch.