Lobbyarbeit für das Reparieren

Das Reparieren von elektronischen Geräten erhöht ihre Lebensdauer und spart den Verbraucher/innen Geld.
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Reparatur von Computer Hardware

Das Reparieren von Elektrogeräten ist in den USA hoch umstritten. Mithilfe des Urheberrechts behaupten die großen Hersteller ihre Dominanz auf dem Reparaturmarkt. The Repair Association legt sich mit den multinationalen Konzernen an, um das zu ändern.

Sie pochen auf das Recht, „alles reparieren“ zu dürfen. Sie wollen jeglichen gewöhnlichen Gebrauchsgegenstand oder jedes Elektrogerät selbst reparieren können oder von einem Techniker bzw. einer Technikerin ihres Vertrauens reparieren lassen dürfen, „von Handys über Computer, Armbanduhren und Kühlschränken bis hin zu PKWs und Traktoren.“ Tausende haben sich The Repair Association (Dt.: Der Reparaturverband) angeschlossen, einer Organisation, die sich gegen das Gesetz stark macht, das die Bürger derzeit am Reparieren hindert.

Die Sache mit dem „Recht zu reparieren“ stellt in den USA in der Tat ein ernstes Problem dar.  Seit einiger Zeit kämpfen viele großen Marken – wie etwa Apple, Volkswagen oder Sun Microsystem – mit harten Bandagen gegen den Reparaturmarkt. Den Herstellern zufolge sind nur von autorisierten Technikern ausgeführte Reparaturen mit Originalersatzteilen zulässig. Diese Unternehmen haben den Digital Millennium Copyright Act (DMCA), ein US-amerikanisches Urhebergesetz aus dem Jahr 1998, felsenfest auf ihrer Seite.

Dieser Krieg zwischen Herstellern und Reparaturbetrieben in den USA zieht sich schon seit vielen Jahren hin. Im Jahr 1956 zwang die Federal Trade Commission den Hard- und Softwarehersteller IBM unter dem Vorwurf der Monopolbildung zur Öffnung seines Ersatzteilmarkts. In jüngerer Vergangenheit zog Kodak unerbetene aufsichtsbehördliche Aufmerksamkeit auf sich und wurde ebenso gezwungen, Reparaturen an seinen Geräten zu gestatten.

Im Gegensatz dazu errangen Handyhersteller 2012 einen Riesenerfolg, als ein Bundesgesetz das Entsperren von Smartphones verbot. Nach einem erbitterten, von The Repair Association geführten Kampf wurde das Gesetz 2014 zurückgenommen. Dass große Hersteller den Reparaturmarkt kontrollieren ist ein Problem, und zwar nicht nur für die drei Millionen Erwerbstätigen in dieser Branche, sondern auch für die Verbraucher/innen, die nur offizielle Ersatzteile kaufen dürfen. Hersteller diktieren die Preise für diese Teile, was sie oft unnötig verteuert oder gar unauffindbar macht, wenn sie bereits vom Markt genommen wurden.

„Illegale Reparaturen“

Bis vor ein paar Jahren beschränkte sich das Problem der „illegalen Reparaturen“ auf einfache Verbrauchergeräte wie Computer, Smartphones und Tablets. Doch mit der massiven Verbreitung des Internets der Dinge und einer stetig wachsenden Zahl alltäglicher Geräte, die Daten über digitale Netzwerke senden oder empfangen, stehen Verbraucher/innen vor einer völlig neuen Situation.

Heute haben wir Kühlschränke, die ihre Temperatur selbst regulieren, und Autos mit automatischen Anti-Smog-Filtern (genau die Systeme, die Volkswagen jahrelang manipuliert hat). Die Gegenwart digitaler Bauteile bedeutet, dass Alltagsgegenstände nun unter den Digital Millennium Copyright Act fallen, der es gesetzlich verbietet, „eine technologische Maßnahme zu umgehen, die Zugang zu dem geschützten Werk verwehrt.“

„Das betrifft jedes Objekt, das einen Chip enthält“, so Gordon Gay Byrne, leitender Direktor von The Repair Association, bei unserem Treffen in einem Restaurant in der kleinen Stadt Paramus, New Jersey. „Die Hersteller tendieren dazu, nicht zu kooperieren, indem sie sich weigern, Ersatzteile oder die Betriebsanleitung zu liefern, was sogar Reparaturen auf eigene Faust unmöglich macht. Nehmen wir einen Kühlschrank mit digitalen Bausteinen: Wenn das Thermostat kaputtgeht, kann man das Ersatzteil bestellen und alles ist soweit in Butter. Das Problem ist nur, wenn man das Teil installiert, fragt der Kühlschrank nach einem Passwort, was freilich nicht auf der Schachtel steht. Wenn man beim Kundendienst anruft, wird einem gesagt, dass nur autorisierte Reparaturdienste ein Passwort bereitstellen können. So legen sie dich rein.“

Der Reparaturverband

Weit von den betriebsamen Machtzentren entfernt gelegen, geht es in der Provinzstadt Paramus geordnet zu: Vans sind vor Einfamilienhäusern im Grünen geparkt; am Ortseingang gibt eine Plakette voller Stolz bekannt, dass das Junioren-Basketballteam 2012 die Meisterschaft gewonnen hat. An einem solchen Ort erwartet man nicht gerade, auf einen Lobbyisten zu stoßen. Doch Gordon Byrne ist auch kein gewöhnlicher Lobbyist, mit seiner freundlichen, aber entschlossenen Art, den kurzen grauen Haaren und lässigen Jeans.

Er ist einer der Gründer von The Repair Association, deren Kampf vor sechs Jahren begann. „Oracle kaufte 2010 Sun Microsystem, die derzeit etwa 30% des Servermarktes kontrollierten. Und sie fingen an, die Nutzung nicht-originaler Ersatzteile zu verhindern. Es war offensichtlich, dass sie Reparaturbetriebe zerstören wollten, doch viele wollten sich nicht beschweren, weil sie mit großen Unternehmen zusammenarbeiteten und Vergeltungsaktionen befürchteten. Ich aber war Freiberufler und konnte es mir daher leisten, dagegen aufzubegehren“, sagt Gordon Byrne, der damals mit mehreren Server-Kundendienstanbietern zusammenarbeitete.

„Wir versuchten, uns dagegen zu wehren und wandten uns an den Kongress. Da stellten wir fest, dass Leute in anderen Branchen das gleiche Problem hatten.  Also entschieden wir uns, uns zusammenzuschließen und eine gemeinnützige Organisation zu gründen. Das war wichtig, denn wir brauchten die richtigen Papiere, um mit der Lobbyarbeit zu beginnen und uns für Gesetze zugunsten von Reparatur einzusetzen.“

Reparatur gegen Monopole

Seit 2013 hat The Repair Association einige Etappensiege errungen, nämlich sieben Teilausnahmen vom DMCA, dank denen es immer noch möglich ist, Traktoren oder Smartphones zu reparieren, ohne dabei gegen US-amerikanische Gesetze zu verstoßen. Der Verband hat überdies die Erlaubnis erhalten, die Abgaskontroll-Software in Autos zu modifizieren und somit zu reparieren, solange sie dabei die Abgasgrenzen einhalten.

Das sind zwar wichtige Errungenschaften, aber sie sind längst nicht ausreichend, wenn man bedenkt, dass solche Anträge auf Ausnahmeregelungen nur alle drei Jahre eingereicht werden können. „Das Problem sind nicht die Gesetze, sondern der Mangel daran; die Hersteller haben quasi einen Blankoscheck“, sagt Gordon Byrne. „Auf Bundesebene hat sich nichts verändert. Es hat ein paar Gesetzesänderungen gegeben, aber beim Justizministerium gibt es noch nicht einmal ein bestimmtes Amt, das sich ausschließlich diesem Problem widmet.“

Weil auf Bundesebene keine Lösung in Sicht ist, übt The Repair Association Druck auf Einzelstaaten aus, Gesetze zu verabschieden. Diese sollen von Herstellern verlangen, Betriebsanleitungen für Reparaturen bereitzustellen und den Einzelhandelsvertrieb einzelner Bauteile zu gestatten. Die meisten lokalen Behörden stimmen den Argumenten der Reparaturlobby eher zu, was es den Herstellern zunehmend erschwert, ihre gegenwärtigen Monopole zu halten. Bei einer Volksabstimmung in Massachusetts im Jahr 2012 sprachen sich 86 Prozent der Wähler/innen für das Recht aus, Autos zu reparieren, und zwangen so Autohersteller, Betriebsanleitungen und Ersatzteile bereitzustellen.

Die unfairen Taktiken der Hersteller machen die Menschen wütend

The Repair Association bedient sich bei ihrer Lobbyarbeit einer einfachen Methode, erzählt Gordon Byrne: „Wir treffen uns mit einem Politiker oder einer Politikerin und fragen: Was müssen wir tun, damit in Ihrer Amtszeit ein Gesetz verabschiedet wird? Basierend darauf, was er oder sie uns erwidert, erstellen wir dann eine Strategie und versuchen, genug Mittel zu sammeln, damit wir einen Lobbyisten einstellen können. Denn ohne einen Lobbyisten, der sich deinem Projekt in Vollzeit widmet, ist es ganz schwer, etwas zu erreichen. Seine oder ihre Aufgabe ist es nicht etwa, Leute zu bestechen, sondern unsere Augen und Ohren zu sein. Sie kommunizieren die Fristen und entwerfen einen Plan, falls die Person, die das Gesetz umsetzen soll, der Aufgabe nicht gewachsen ist. Das Problem dabei ist“, fügt Gordon Byrne hinzu, „dass es zwischen 40.000 und 50.000 Dollar pro Staat kostet, das Gehalt und die Reisekosten eines Lobbyisten abzudecken. Deswegen sind wir zwar in vier Staaten vertreten, haben aber nur in zwei davon Lobbyisten.“

In den letzten paar Jahren hat The Repair Association in den vier Staaten, in denen sie vertreten ist – Nebraska, Massachusetts, Montana und New York – eine Reihe von Gesetzesvorschlägen eingebracht, die zurzeit auf Prüfung warten: „Wir machen weiterhin Fortschritte, doch am meisten Erfolg hatten wir bislang mit dem Umwelt- und Energieausschuss von Minnesota.“ Der Ausschuss billigte das vorgeschlagene Gesetz über das Recht zu reparieren, das nun bald im Parlament des Staates beratschlagt wird. Wenn es durchgeht, wird Minnesota der erste Staat sein, in dem sowohl die Rechte der Reparateure als auch der Verbraucher/innen gesetzlich garantiert sind.

In den 49 verbleibenden Staaten liegt noch ein weiter Weg vor den Aktivisten; und der Kampf um eine Reform des bestehenden Urheberrechts verspricht sehr schwierig zu werden. Doch Byrne ist optimistisch: „Unser wahrer Sieg ist, dass die Leute langsam die Nase voll haben. Sie begreifen jetzt, wie unfair die Taktiken vieler Hersteller sind und wie gewisse Maßnahmen ihre Kontrolle über die eigenen Einkäufe vermindern. Und wenn ihnen klar wird, dass es auch anders ginge,“ lächelt er, „dann werden die Menschen wütend.“

Giorgio Ghiglione ist einer der Media Fellows unseres Nordamerika-Büros in Washington – mehr Informationen zum Transatlantic Media Fellowship Program finden Sie hier. Sein Artikel erschien zuerst am 6. Mai 2016 in der italienischen Zeitung Il Manifesto unter dem Titel "La lobby dei riparatori".

Der Beitrag drückt die Meinungen des Autors aus, die nicht notwendigerweise mit den Ansichten der Heinrich-Böll-Stiftung übereinstimmen.