Perspectives #03/2016: Under Pressure: Shrinking Space for Civil Society in Africa

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Aktivist/innen, Nichtregierungsorganisationen (NROs) und soziale Bewegungen werden weltweit aktuell von Politikern verunglimpft, ihr Handlungsspielraum durch neue Gesetze und Verordnungen beschnitten und ihnen teils gar mit Gewalt begegnet. Afrika bildet hierbei keine Ausnahme.

Uganda ist das jüngste afrikanische Land, in dem der Staat der Zivilgesellschaft die Zügel anlegt und Widersprechern einen Maulkorb verpassen will. Ein dieses Jahr eingeführtes NRO-Gesetz sieht unter anderem vor, dass ein von der Regierung ernanntes Aufsichtsgremium NROs, deren Ziele „den Gesetzen des Landes widerlaufen“, die erforderliche Zulassung vorenthalten oder entziehen kann. In Uganda ist Homosexualität illegal und wird mit Gefängnis bestraft.

Die Beiträge in der aktuellen Ausgabe von Perspectives zeigen, dass in allen Teilen des Kontinents Gesetze diskutiert werden, mit denen die Tätigkeit von NROs eingeschränkt werden soll. So hat etwa in Kenia die Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta Gesetzesänderungen vorgelegt, die die Vergabe von ausländischen Mitteln an kenianische NROs begrenzen würden. Zudem wurden unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus manche Organisationen zeitweise geschlossen. Immer öfter kommt es auch zu gewalttätigen Übergriffen durch Polizeikräfte. Für internationale Aufmerksamkeit sorgten die landesweiten Demonstrationen vom Juni 2016, die sich gegen die Ermordung des Menschrechtsanwalts Willie Kimani, seines Klienten Josphat Mwenda sowie ihres Fahrers Joseph Muiruri richteten.
 
In Nigeria gibt es widersprüchliche Signale. Einerseits bezeichnet der neu gewählte Präsident Muhammadu Buhari, ein ehemaliger General und Putschist, sich selbst als „Konvertiten zur Demokratie“. Er hat sich gegen Gesetzesvorhaben ausgesprochen, welche es zivilgesellschaftlichen Organisationen erschweren würden, soziale Medien zu nutzen. Andererseits geht Buhari rücksichtslos hart in seinem Kampf um Frieden und Stabilität im islamischen Norden des Landes vor.

In Südafrika können zivilgesellschaftliche Organisationen und soziale Bewegungen ihre jeweiligen Anliegen grundsätzlich uneingeschränkt verfolgen. Politisch motivierte Repressionen haben dennoch zugenommen. Polizeigewalt und die Überwachung von Aktivist/innen durch die Geheimdienste sind Anlass zur Sorge. Die freie Berichterstattung durch die Medien gerät immer wieder in Gefahr. Es kommt regelmäßig zu rechtswidrigen Verboten von Demonstrationen. Politisch motivierte Morde an der Basis nehmen zu. Im Juni diesen Jahres berichtete der Informationsdienst Africa Confidential, die Regierung Südafrikas arbeite sogar an neuen Verordnungen, mit dem Ziel, die Handlungsfreiheit von NROs zu beschneiden. Manche Beobachter/innen verbinden diese Trends mit dem wachsenden Einfluss der Sicherheitsbehörden des Landes im Kabinett Präsident Jacob Zumas.

Gleichzeitig ist es wichtig auf demokratische Erfolge hinzuweisen. Mit dem Wahlsieg Buharis gelang zum ersten Mal ein Oppositionskandidat in Nigeria an die Macht. Bei den Kommunalwahlen, die 2016 in Südafrika stattfanden, konnte die Oppositionspartei Democratic Alliance in mehreren wichtigen Ballungszentren gegen den regierenden African National Congress gewinnen. Dies zeigt, dass die Demokratie in Südafrika an Reife gewonnen hat. Dennoch lassen sich die schrumpfenden Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft in einen breiteren Trend schwindender demokratischer Fortschritte auf dem afrikanischen Kontinent einordnen. In einem aktuellen Bericht von Freedom House werden nur noch 59% der Länder südlich der Sahara als „frei“ oder „teils frei“ eingestuft. Diese Zahl übertrifft immer noch den Wert von Anfang der 1990er Jahre; im Jahr 2008 belief sie sich allerdings auf 71%. In der Mehrheit der jeweiligen Staaten finden zwar Wahlen statt, den gewählten Regierungen ist in der Regel jedoch wenig daran gelegen, ihrer Rechenschaftspflicht ernsthaft nachzukommen.

Zwar wird die Art und Weise, in der in Afrika die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen eingeschränkt werden, von vielfältigen Faktoren und Umständen bestimmt. Dennoch lassen sich drei immer wieder auftretende Motive erkennen. Erstens hat das wachsende Engagement Chinas in Afrika dem Kontinent eine größere politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Westen beschert und afrikanischen Staaten so die Chance eröffnet, sich stärker Diskursen zu widersetzen, die als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten wahrgenommen werden. Der wirtschaftliche Erfolg Chinas hat zudem autoritären Wachstumsmodellen erneut und verstärkt Aufschwung verliehen. Zweitens hat der Krieg gegen den Terror, der vom Westen grundsätzlich befürwortet wird, zivilgesellschaftliche Freiheiten vielerorts beschädigt. Und drittens hat der „Arabische Frühling“ in Nordafrika den Regierungen im Rest des Kontinents klar gezeigt, welches Potential Zivilgesellschaft und Volkswiderstand in sich bergen.

Der letztgenannte Aspekt macht, zwischen all den düsteren Nachrichten, dann aber auch wieder Hoffung. Mancherorts gerät die Zivilgesellschaft eben gerade deshalb unter Druck, weil es ihr nur allzu gut gelingt, die politischen und wirtschaftlichen Eliten zur Rechenschaft zu ziehen. Zudem führen das Bevölkerungswachstum – speziell in den Ballungszentren Afrikas – die vermehrte Mobilität von Menschen und Ideen sowie die gewandelten Ansprüche, Erwartungen und Werte der im Entstehen begriffenen Mittelklasse des Kontinents dazu, dass es für die Mächtigen immer schwieriger wird, die Kontrolle zu behalten. Ein Phänomen, das der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler Moises Naim als einen weltweiten „Verfall“ der Macht beschrieben hat.

Selbstverständlich bedeutet diese Entwicklung nicht, dass sich die Zivilgesellschaft einfach zurücklehnen kann. Dennoch stärkt sie die Zuversicht und Hoffnung, dass langfristig der Kampf für politische Freiheiten nicht vergeblich sein wird.

Jochen Luckscheiter
Programme Manager

Layla Al-Zubaidi
Regional Director

Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
Oktober 2016
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
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