Rundfunkräte wozu?

Rundfunkgremien sehen sich immer wieder mit dem Vorwurf der Hinterzimmerpolitik konfrontiert – und das nicht ohne Grund: 2014 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass im Fernsehrat des ZDF die Politik zu stark vertreten sei. Dabei steckt in den Gremien viel Potential.

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Der Fernsehturm in Düsseldorf

Es war eine massive medienpolitische Geburtshilfe der Alliierten – namentlich Großbritanniens – nach dem Zusammenbruch des Faschismus und seiner Medien ein solches rundfunkpolitisches Modell zu entwerfen, in dem Rundfunk nicht der politischen Macht, sondern der Demokratie und der Allgemeinheit dienen sollte: frei von staatlichem Einfluss, gebührenfinanziert und damit auch frei von kommerziellen Zwängen. Den Gremien sollte die gesellschaftliche Kontrolle obliegen. Sie sollten in öffentlichem Auftrag arbeiten.

Das Modell blieb idealerweise in Kraft, während in der Realität bald schon Parteipolitiker und -politikerinnen entdeckten, dass sich von den Gremien aus Rundfunk und Fernsehen gut beeinflussen ließen. Über lange Jahre wurden diese politisch instrumentalisiert, mal mehr, mal weniger. So wurde über wichtige Posten in Wirklichkeit in den Staatskanzleien entschieden. Ein besonders gravierendes Beispiel sind die sogenannten „Freundeskreise“, die bei diversen Rundfunkgremien existieren.

Von „Versteinerung“ haben deshalb die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts im Urteil gegen das ZDF von 2014 gesprochen. Im Fernsehrat des Mainzer Senders sei die Politik zu stark vertreten, es sollten mehr gesellschaftliche Gruppen zum Zug kommen. Der ZDF-Staatsvertrag sei in Teilen verfassungswidrig.

Was sind Rundfunkräte?
Die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden durch gesellschaftliche Gremien beaufsichtigt, die beurteilen sollen, ob die Sendeanstalten die Vielfalt der Gesellschaft und der Meinungen in ihren Programmen abbilden. Sie haben zu überwachen, dass die verschiedenen gesellschaftlich relevanten Gruppen Zugang zum Programm haben. Diese Gremien sind die Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat, beim Deutschlandradio: Hörfunkrat)

Die Programmplanung ist Aufgabe des Intendanten/ der Intendantin, die durch die Rundfunkräte gewählt, beraten und kontrolliert werde. Die Räte wählen auch den Verwaltungsrat, sie prüfen und genehmigen den Haushalt und den Jahresbericht.

Ihrer Arbeit und vor allem auch ihre Zusammensetzung sind in den Rundfunkstaatsverträgen der beteiligten Länder geregelt.

Vertreten sind u.a. Gewerkschaften, Frauenverbände, Kirchen und politische Fraktionen. Wie gut ein Rundfunkrat tatsächlich einen Querschnitt der Bevölkerung abbildet und wie erfolgreich er kritisch kontrolliert, ist fortlaufend Gegenstand von Kritik.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkrat

Seit diesem Urteil ist etwas in Bewegung geraten in den Sendern. Einige Gremien wurden umgebaut. Der WDR zum Beispiel hat mehr Vertreterinnen bzw. Vertreter gesellschaftlicher Gruppen aufgenommen; zwei Mitglieder ohne Organisation im Rücken konnten sich frei bewerben.

Die Verfassungsrichter und -richterinnen hatten gefordert, nur ein Drittel der Gremienvertreterinnen bzw. -vertreter dürfe im Fernsehrat (so heißt das Gremium im ZDF) auf der sogenannten „Staatsbank“ sitzen, also direkt aus der Politik kommen. Zwei Drittel müssten von Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen besetzt werden. Formal wurde das auch eingehalten – die meisten wurden allerdings doch wieder von den Staatskanzleien nominiert.

Das Potential unabhängiger Gremien

Nicht zuletzt solche Verhaltensweisen haben den Gremien den Ruf verschafft, dass in ihnen Hinterzimmerpolitik betrieben wird; dass Gremienmitglieder Spesen kassieren, um die Senderpolitik freundlich abzunicken. Viele Gremien hielten sich in ihren Aktivitäten auch bedeckt, tagten ohne Anwesenheit der Öffentlichkeit.

Das hat sich inzwischen geändert. Sogar der ZDF-Fernsehrat, sonst ein Hort der politischen Geheimniskrämerei, tagt nun öffentlich, allerdings werden nun wesentliche Entscheidungen verstärkt in den nicht-öffentlichen Ausschüssen verhandelt.

Man darf sich also nicht wundern, dass die Frage aufgetaucht ist, ob diese Form gesellschaftlicher Kontrolle noch zeitgemäß ist. Zusätzlicher Druck kommt hinzu, weil auch sonst im politischen Raum Strukturen der repräsentativen Demokratie verstärkt hinterfragt werden – und Rundfunkgremien sind klassische repräsentative Organe. Sie sollen stellvertretend für die Allgemeinheit die Politik ihrer Sender kontrollieren: in öffentlichem Auftrag.

Gleichwohl: die Geschichte lehrt, dass in einer rundfunkpolitischen Struktur, die unabhängige Gremien mit Kontrollbefugnissen ausstattet, auch medienpolitisches Potential liegt, das genutzt werden könnte. Was kontrollieren die Gremien, was sollten sie kontrollieren? Die Entwicklung des Programms etwa – natürlich nicht das Programm im Einzelnen, das ist Sache der Intendanz und der Redaktionen – aber doch in den groben Linien.

Das Gremium kann etwa Änderungen von Programmschemata diskutieren oder sich mit der Berichterstattung über die Kölner Ereignisse von Silvester 2015 befassen. Rundfunkräte stimmen über die Etats der Sender ab und entscheiden über Personalfragen. Intendantenwahl und die Besetzung von Führungspositionen sind zentrale Aufgaben – wie etwa gerade der Umbau des BR auf ein trimediales Produktions- und eben auch Führungssystem.

Sie können Senderentscheidungen billigen wie etwa das Film- und Fernsehabkommen oder Programmbeschwerden behandeln. Eine große Aufwertung haben die Gremien in den letzten Jahren durch das sogenannte Dreistufenverfahren für Senderangebote im Netz erhalten. Das hatte sich die Medienpolitik von hartnäckigen Verlegerinnen und Verlegern für deren Kampf gegen den öffentlich-rechtliche Rundfunk aufdrängen lassen und das hat auch reichlich Gebührengelder verschlungen.

Leider mangelt es noch immer an öffentlicher Wahrnehmung. Medienpolitik gilt als eine Sphäre von Juristen bzw. Juristinnen und Staatskanzleien und wird hinter verschlossenen Türen ausgedealt.

Eine offensivere Öffentlichkeitspolitik wäre dringend nötig. Dass viele Rundfunkgremien ihre Sitzungen jetzt öffentlich abhalten, ist ein erster Schritt. Öffentlichkeit muss mit Inhalt gefüllt werden. Gremien müssten sich von ihren Sendern stärker emanzipieren und medienpolitische Themen häufiger und effektiver in die Öffentlichkeit tragen.

Immer noch fehlt es an Transparenz in der Gremienarbeit, oft fallen auf den Rundfunkratssitzungen nur noch die Beschlüsse, während die operative Arbeit in den Ausschüssen eher unbemerkt bleibt. Die Organisationen wiederum, die Mitglieder in die Rundfunkräte entsenden, müssten deren Aufgaben ernster nehmen, sie besser vorbereiten und schulen. Die Zeiten, da man als Rundfunkrat seine Zeit halbwegs repräsentabel absitzen konnte, sind vorbei.

Zugleich sind die Rundfunkgremien allerdings auch in feste Strukturen eingebunden und oft in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Wie in der Politik die repräsentative Demokratie ganz offenbar ergänzende Elemente direkter Demokratie braucht, einen Aufschwung der „Konsultative“, wie Claus Leggewie das nennen würde, so bedarf auch die Gremienarbeit in den öffentlich-rechtlichen Sendern eines gewissen Drucks aus der Zivilgesellschaft.

Denn an beiden hängt es, ob das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem eine Zukunft hat oder in den Umwälzungen der Medienwelt untergeht.

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers Öffentlich-rechtliche Medien im Wandel.