Menetekel am Mekong

Bei den kambodschanischen Kommunalwahlen kann die Opposition bedeutende Stimmengewinne verbuchen. Doch die politische Macht kommt immer noch aus den Gewehrläufen.

Wahllokal bei der Kommunalwahl 2017 in Kambodscha
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Vereinzelt war Polizei oder Militär widerrechtlich im Wahllokal anwesend

Die kambodschanischen Kommunalwahlen am 4. Juni 2017 waren für die beide großen Parteien ein Erfolg. Während die oppositionelle Cambodian National Rescue Party (CNRP) 30 Prozent der Gemeinderäte gewinnen und damit im Vergleich zu 2012 der Regierungspartei 20 Prozent abnehmen konnte, hat die regierende Cambodian People’s Party mit 70 Prozent ihre absolute Mehrheit verteidigen können.

Dies war für die Regierung auch insofern wichtig, als die Kommunalräte den Senat wählen, der als zweite parlamentarische Kammer Gesetze prüfen und verabschieden kann. Das Ergebnis wird allerdings knapper, wenn man sich nicht die gewonnen Gemeinden sondern die Stimmanteile anschaut. Hier hat die CNRP 45 Prozent erhalten und die CPP 48 Prozent.

Es gab wenig Manipulationen, aber Unterstützung der Armee

Der Wahlsonntag wurde allgemein als friedlich und störungsfrei beschrieben. Auch die Abläufe in den Wahllokalen wurden bis auf wenige Ausnahmen als korrekt bezeichnet. Partnerorganisationen der Heinrich Böll Stiftung Kambodscha waren an Wahlbeobachtung beteiligt und haben damit erheblich zur Stärkung der Demokratie beigetragen.

In einzelnen Fällen konnten Wählerinnen und Wähler mit einer Ausweiskopie statt mit dem Original wählen, in anderen Fällen wurden Ausweise nicht anerkannt. In einem Wahllokal wurden die unabhängigen Beobachter/innen ausgeschlossen. Vereinzelt war Polizei oder Militär widerrechtlich im Wahllokal anwesend. Massive Manipulationen wie bei vergangenen Wahlen wurden diesmal jedoch nicht berichtet.

Dennoch hat es sich die Regierung nicht nehmen lassen, tief in die Trickkiste zu greifen: Da laut kambodschanischem Wahlgesetz Soldaten dort wählen dürfen, wo sie im Einsatz sind, hat die Armee kurzerhand etliche Einheiten in jene Wahlbezirke verlegt, wo ein knappes Ergebnis zu erwarten war. Die traditionellerweise regierungstreue Armee hat so sicherlich zum Wahlsieg der CPP beigetragen.

Die Regierungspartei drohte mit Bürgerkrieg

Dem friedlichen Wahlsonntag war allerdings ein sehr aggressiver Wahlkampf vorausgegangen. Wie immer hatte die Regierungspartei Geschenke an die ländliche Bevölkerung verteilt, um sich mit Reis und Kleidern die Gunst der Wähler zu erkaufen. Die Rhetorik gegen die Opposition war geprägt von wüstesten Drohungen. Premierminister Hun Sen wurde nicht müde zu betonen, dass ein Wahlsieg der Opposition zu Bürgerkrieg führen würde und verstieg sich sogar zu der Aussage, dass er nötigenfalls 100-200 Menschen erschießen lassen würde, um an der Macht zu bleiben.

Verteidigungsminister Teah Banh drohte, den Gegnern der CPP die Zähne auszuschlagen. Und führende Generäle verkündeten immer wieder, dass die Armee jeden Machtwechsel gewaltsam verhindern würde. Daher war es auch kein Zufall, dass am Wahltag Armee in und um Phnom Penh stationiert war. Dass in der Vergangenheit Oppositionsabgeordnete auf offener Straße bewusstlos geprügelt und Menschenrechtsaktivisten/innen willkürlich inhaftiert wurden, ließ darauf schließen, dass die CPP diese Drohung auch umsetzen würde.

Und mit Sicherheit verfängt solche Brachialrhetorik bei der älteren Bevölkerung, die den Völkermord der Roten Khmer Mitte der 70er Jahre noch erlebt hat und sich heute nichts sehnlicher wünscht als Frieden und Stabilität.

Große Teile der Bevölkerung sind kaum repräsentiert

Es ist sicherlich als ein Demokratiedefizit zu bezeichnen, dass über eine Million kambodschanische Arbeitsmigranten/innen im Ausland nicht wählen konnte. Auch der Großteil der 700.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilindustrie war praktisch von der Wahl ausgeschlossen, da sich die Unternehmen weigerten, den Angestellten frei zu geben, um ihnen die Heimreise in ihre Wahlbezirke zu ermöglichen. Beide Gruppen gelten als regierungskritisch, sodass die kambodschanische Regierung auch keine Veranlassung sah, sich für deren Wahlrecht einzusetzen.

Dass keine der kleinen Parteien wie z.B. die Partei der Indigenen oder die Liga für Demokratie wirksam Stimmen auf sich vereinigen konnten, deutet darauf hin, dass der Lagerwettkampf zwischen den beiden großen Parteien weiter gehen und sich vermutlich auch noch zuspitzen wird. Erstaunlicherweise konnte auch die Jugendpartei keine Sitze in den Gemeinderäten erlangen, obwohl ein Drittel der kambodschanischen Wählerinnen und Wähler unter 30 Jahre alt ist. Bei CPP und CNRP waren überdies nur sechs bzw. sieben Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten unter 30 Jahre alt. Dies zeigt deutlich, dass die junge kambodschanische Bevölkerung wenig Vertrauen in neue Parteien und keine Lust auf Experimente hat.

Eindeutig sind Frauen die Verliererinnen der Wahl. Auch von der Heinrich Böll Stiftung Kambodscha unterstützte Frauenorganisationen hatten immer wieder eine Erhöhung des Frauenanteils in den Gemeinderäten von zuletzt 25 auf 30 Prozent angemahnt. Dennoch hat keine Partei Frauen auf aussichtsreiche Listenplätze gesetzt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass im patriarchalen Kambodscha Politik als korrupt und schmutzig und damit als Männerdomäne gilt. 

Kambodscha sieht unruhigen Zeiten entgegen

Noch am Wahlabend haben sich sowohl die CPP als auch die CNRP zu Wahlsiegern erklärt. Sicherlich ist es ein Ergebnis, mit dem beide Parteien leben können. Doch von stabilen demokratischen Zuständen ist Kambodscha noch weit entfernt. Mit Blick auf die Parlamentswahlen 2018 haben beide Parteien das Ergebnis für sich interpretiert. Doch es wäre zu früh, schon jetzt eine Aussage über ein mögliches Wahlergebnis im Juni nächsten Jahres zu treffen.

Premierminister Hun Sen hat nun zwei Möglichkeiten. Er kann nun entweder auf die Opposition zugehen, politische Oppositionelle freilassen und sich mit einer Art Umarmungstaktik als Vater einer friedlichen Nation präsentieren. Oder er kann wie bisher die Opposition unter Druck setzen und mit willkürlichen Anklagen überziehen, was allerdings die Unruhe im Lande aufrechterhalten würde.

Zweifelsohne werden die nächsten Monate bis zur Wahl 2018 schwierig bleiben, auch weil ungelöste Probleme wie die Misere im Bildungsbereich, fehlende Gesundheits- und Altersversorgung oder der anhaltende Raubbau an den natürlichen Ressourcen bei einer Parlamentswahl eher Bedeutung erlangen als bei einer Kommunalwahl.

Es ist unbestreitbar, dass die deutlichen Stimmengewinne der Opposition für die regierende CPP ein Menetekel sind. Nur wenn die CPP dieses Zeichen erkennt und einen Politikwechsel einleitet, kann sie eine Wahlniederlage im kommenden Jahr verhindern. Auf jeden Fall sieht Kambodscha unruhigen Zeiten entgegen.