Die Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliche Akteur/innen, die gegen Großprojekte aktiv sind, gegen soziale Missstände, Landraub und Umweltzerstörung protestieren und demokratische Teilhabe und Menschenrechte einfordern, werden immer kleiner.
Weltweit erleben wir einen beispiellosen Wettlauf um Ressourcen: Regierungen wie nationale und transnationale Unternehmen begehren wie nie Wasser, Land, fossile und mineralische Rohstoffe, genetische Ressourcen aller Art. Noch intakte Ökosysteme werden diesem Ressourcenhunger geopfert. Wälder werden abgeholzt und Ackerflächen vernichtet, Böden werden verseucht, Wasser wird im großen Ausmaß genutzt oder kontaminiert, Luft wird verschmutzt, das Klima geschädigt.
Weitere Folgen: Abertausende Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen und werden mehr oder weniger gewaltsam vertrieben. Die wenigen in den letzten Jahrzehnten wenigstens gesetzlich verbrieften, hart erkämpften Beteiligungsrechte der Bevölkerung sowie – wenn überhaupt vorhanden – die ökologischen und sozialen Standards stehen den Investoren, der Exploration und dem Abbau von Ressourcen im Weg. Diese Rechte werden abgebaut oder verwässert.
Dagegen wehren sich weltweit Bürgerinnen und Bürger, die organisierte Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen und die betroffenen Gemeinschaften. Sie streiten für ihre Rechte, sie wollen ihre Lebensgrundlagen erhalten und pochen auf demokratische Teilhabe. Lokale Bevölkerungen, Gemeinden und Organisationen, die eine andere Vorstellung von der Nutzung der natürlichen Ressourcen, von einer sozialen und gerechten Wirtschaftsweise und Verteilung vertreten, geraten unter Druck. Fragen, Kritik und Proteste werden zunehmend mit Repression, Einschüchterung und Diffamierung beantwortet. Wirtschaftliche Interessen und Profitorientierung konkurrieren so mit nachhaltiger und gerechter Ressourcenpolitik, mit Umweltschutz, demokratischen Standards und Menschenrechten.
Die Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliche Akteur/innen, die gegen Großprojekte aktiv sind, gegen soziale Missstände, Landraub und Umweltzerstörung protestieren und demokratische Teilhabe und Menschenrechte einfordern, werden immer kleiner. Dass weltweit die Rechte der Zivilgesellschaft eingeschränkt werden, ist leider kein neuer Befund – von neuer und dramatischer Qualität sind jedoch Ausmaß und Umfang. Dabei kann gerade die demokratische Zivilgesellschaft Investitionen in Infrastruktur und Ressourcenabbau kritisch begleiten, Informationen sammeln, Transparenz und Rechenschaftspflicht – nicht zuletzt durch die Nutzung rechtlicher Verfahren –, einfordern sowie Austausch, Meinungsbildung und auch Protest organisieren. Die Vielfalt von Meinungen und Interessen, die demokratisch ausgehandelt werden, scheinen nicht in die Wirtschaftslogik passen. Denn sie kosten Zeit und Geld und stehen einer schnellen Projektumsetzung im Wege. Und während die Interessen der Investoren geschützt werden, gilt dies für Menschenrechte und Umwelt nicht.
Die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet in allen Regionen der Welt und erlebt mit ihren Projektpartnern zurzeit hautnah, wie demokratische Prinzipien und die sozialen und kulturellen Grundlagen der Menschen und lokaler Gemeinschaften missachtet werden. Gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) wollen wir mit der vorliegenden Studie zeigen, wie die Mechanismen der Enteignung und Unterminierung der Menschenrechte funktionieren. Gleichzeitig wollen wir Strategien entwickeln helfen, die Demokratie und Menschenrechte stärken. Wir wollten deshalb wissen, wie zivilgesellschaftliche Akteure und betroffene Gemeinden, die kritisch Ressourcenprojekte begleiten, in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden. Dafür haben sich die Autor/innen, Carolijn Terwindt und Christian Schliemann vom ECCHR, auf den Weg gemacht und in Indien, Südafrika, Mexiko und den Philippinen entsprechende Projekte angesehen und mit zivilgesellschaftlichen Aktivist/innen und Organisationen vor Ort gesprochen.
Die Analyse, die nun vorliegt, verschafft uns Einsichten, wie wir ressourcen- und umweltpolitischen Vorhaben besser beobachten und begleiten können. Aufschlussreich sind vor allem auch die Gegenstrategien, die zivilgesellschaftliche Akteure nutzen, um sich gegen Einschränkungen und Repressionen zu wehren. Die Autor/innen fordern mehr Verantwortung von Unternehmen für negativen Folgen des Ressourcenabbaus und auch für die damit einhergehenden Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume. Die Nutzung rechtlicher Mittel wird als ein weiterer Weg aufgezeigt, allerdings ein schwieriger, angesichts der strukturellen Hürden; dennoch ein für die Zivilgesellschaft gangbarer, um sich gegen Kriminalisierung und die Beschränkung bürgerlicher politischer Rechte zur Wehr zu setzen. Schließlich müssen Partizipationsmöglichkeiten, allen voran Konsultationen und Zustimmungs-erfordernisse betroffener Gemeinden, ernst genommen und davor geschützt werden als bloße Mittel der Projektlegitimation zu fungieren. Wir hoffen zudem, mit der Studie auch Politik und Wirtschaft zu einer nachhaltigen und gerechten Ressourcenpolitik und einer Anerkennung der Rolle der Zivilgesellschaft bewegen zu können.
Unser Dank gilt besonders all jenen, die ihre Erfahrungen und Strategien vor Ort mit uns teilten, und den Autor/innen der Studie, die die Recherche mit Sorgfalt, Sensibilität und Gespür durchgeführt und die Ergebnisse in einer erkenntnisreichen Analyse zusammengefasst haben. Claudia Rolf hat das gesamte Projekt inhaltlich, konzeptionell und organisatorisch begleitet – auch ihr danken wir dafür herzlich. Und schließlich möchten wir all jenen danken, die mit wertvollen Kommentaren und Anregungen zum Gelingen der Studie beigetragen haben.
Berlin, im November 2017
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR