Wie die Anfänge der parlamentarischen Arbeit der Grünen am Atomausstieg und der ökologischen Transformation von Energiepolitik und -wirtschaft genau aussahen, kann nun am gesamten Quellenbestand von Wolfgang Daniels nachvollzogen werden. Diese Dokumente bieten Einblick in Themen, Auseinandersetzungen und Netzwerke der parlamentarischen wie außerparlamentarischen Arbeit.
Die Auseinandersetzungen um die Nutzung von Atomkraft gelten vielfach als das zentrale, sogar identitätsstiftende Thema der frühen Grünen. Auch in der Arbeit der ersten Bundestagsfraktionen der Grünen nehmen der Ausstieg aus der Atomenergie und die Transformation der deutschen Energiepolitik und -wirtschaft eine herausragende Rolle ein. In vielen parlamentarischen Initiativen forderten die Grünen den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie, thematisierten die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und mischten sich in die Konflikte um Wiederaufbereitungsanlagen und Atommülllager ein. Sie arbeiteten dabei immer eng mit kritischen, ökologischen Forschungsinstituten, einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der Anti-AKW-Bewegung zusammen. Die beteiligten Politiker, Politikerinnen und Fraktionsgremien leisteten hier parlamentarische Pionierarbeit und legten den Grundstock für den später unter Rot-Grün vereinbarten Atomausstieg und das Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Quellen zum Einstieg in den Ausstieg
Im Arbeitskreis Umwelt der Bundestagsfraktion (AK V) kamen die umweltpolitischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier zusammen. Hier legten sie ihre Prioritäten fest, entwickelten parlamentarische Initiativen und machten sie mit Hilfe der Fachreferentinnen und Fachreferenten verabschiedungsreif. Zu diesen gehörte der Physiker Wolfgang Daniels. Mit ihm hatte die Fraktion einen der sogenannten Gegenexperten (kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die der Umwelt-, Anti-Atom-, Friedens- und Frauenbewegung nahestanden) für ihre parlamentarische Arbeit gewinnen können. Wolfgang Daniels war promovierter Physiker und tief in der bayerischen Anti-AKW-Bewegung verwurzelt. Er brachte Teile seiner privaten Unterlagen aus seinem Studium und politischem Engagement in den Bürgerinitiativen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf in den AK V mit ein und legte so das Fundament für das Atom- und Energiearchiv, das Fraktion und Abgeordneten als Ressource zur Verfügung stand.
Nach der Bundestagswahl 1987 wechselte Wolfgang Daniels die Rollen. Er kandidierte erfolgreich auf der bayerischen Landesliste und zog als Abgeordneter in den Bundestag ein. Einen Großteil der Unterlagen des Atom- und Energiearchivs des AK V nahm er in sein Abgeordnetenbüro mit, wo er und sein Bundestagsbüro bis zum Ausscheiden der Grünen aus dem Bundestag 1990 mit den Unterlagen weiterarbeiteten.
Die Dokumente im Atom- und Energiearchiv zeugen eindrucksvoll von der engen Zusammenarbeit zwischen außerparlamentarischer internationaler Umwelt- und Anti-AKW-Bewegung mit ihren vielfältigen Initiativen und den Grünen im Parlament. Dementsprechend umfangreich sind die Quellen zu Bürgerinitiativen und die Expertisen, Stellungnahmen und Gutachten, die Abgeordnete und Fraktion bei ihnen nahestehenden kritischen Forschungsinstituten in Auftrag gegeben haben.
Thematische Dokumentationsschwerpunkte sind die Energiewirtschaft und -politik, alle deutschen Atomkraftwerksstandorte mit ihren technischen und politischen Besonderheiten, die atomare Zusammenarbeit der BRD mit anderen Ländern, die Auseinandersetzungen um Atommüll und um die Wiederaufarbeitungsanlagen in Wackersdorf, La Hague und Sellafield. Die Arbeit an alternativen Energieträgern und der Transformation der Energiepolitik und -wirtschaft sind darüberhinaus umfassend dokumentiert.
Zum Bestand
Der größte Teil der Unterlagen aus dem MdB-Büro von Wolfgang Daniels kam Ende 1990 ins Archiv, als Abgeordnete und Fraktion alle Büros im Bundestag auflösen mussten, weil den Grünen der Wiedereinzug in den ersten gesamtdeutschen Bundestag nicht gelungen war. In den Jahren 2002 und 2007 wurden Bestandsteile nachgeliefert, die u.a. bei Lutz Mez, einem mit Wolfgang Daniels zusammenarbeitenden Wissenschaftler, zwischengelagert waren.
Die Quellen dieses Atom- und Energiearchivs von Wolfgang Daniels sind nun wieder zusammengeführt, bearbeitet und stehen zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung. Zusammen mit den Sitzungsunterlagen und Sachakten des Arbeitskreises Umwelt der Bundestagsfraktion bilden diese Dokumente einen reichhaltigen Fundus zur Erforschung der Energiepolitik der Grünen im Bundestag in der 10. und 11. Wahlperiode.