Antworten auf die meistgestellten Fragen zum 1,5°C-Ziel und dem Thema Geoengineering.
FAQs:
-
Aber sagen die Klimaszenarien nicht, dass 1,5°C kaum noch machbar ist?
-
Was sind überhaupt „negative Emissionen“? Stimmt es, dass es ohne diese nicht mehr geht?
-
Wer sind die Hauptakteur/innen / Haupttreiber/innen beim Thema Geoengineering?
-
Warum und wie arbeitet die Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Geoengineering und 1,5°C?
-
Welche Alternativen gibt es, um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen?
-
Was sagt die internationale Zivilgesellschaft zum Thema Geoengineering?
Warum gerade 1,5°C?
Das Ziel, die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, war seit 2009 vor allem eine Forderung von kleinen Inselstaaten und den ärmsten Ländern der Welt. Unterstützt von der internationalen Zivilgesellschaft haben sie bereits damals argumentiert, dass 2°C globale Erwärmung Klimawandelfolgen bedeuten, die für sie existenz- und lebensbedrohlich sind. 1,5°C ist das Maximum an globaler Erwärmung, das vielen Gesellschaften und Ökosystemen noch eine Anpassung an die Klimawandelfolgen ermöglicht.
Dabei geht es auch und vor allem um Klimagerechtigkeit: Zwar steigen die Emissionen global an und große Schwellenländer gehören mittlerweile neben den alten Industrieländern zu den größten Verschmutzern. Aber die Klimakrise wurde vor allem durch die Emissionen von einigen wenigen Staaten verursacht, während die große Mehrheit der Weltbevölkerung kaum Anteil daran hatte, aber viel stärker unter den mittel- und langfristigen Folgen leiden wird. Die Klimakrise ist somit aus großer historischer Ungerechtigkeit hervorgegangen.
Die Folgen und Auswirkungen dieser Krise so weit wie möglich zu begrenzen ist also der einzige Weg, globaler Gerechtigkeit ein Stück näher zu kommen und Menschen wie Ökosysteme vor den katastrophalen Auswirkungen zu schützen, die mitdem Klimawandel einhergehen.
Es war somit ein großer Erfolg, dass das Bestreben, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, im Pariser Abkommen von 2015 als international rechtsverbindliches Klimaziel aufgenommen wurde.
Zugleich haben die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention 2015 den Weltklimarat mit einem zu diesem Thema beauftragt. Dieser Sonderbericht wird Anfang Oktober 2018 veröffentlicht und behandelt neben den zu erwartenden Klimawandelfolgen auch die notwendigen globalen Emissionsreduktionspfade.
Was ist der Unterschied zwischen 1,5°C und 2°C?
Der ist ein Unterschied von Leben und Tod für Millionen von Menschen und eine Frage der Existenz für zahlreiche Inselstaaten und Ökosysteme. Bei 2°C dauern Hitzewellen länger an, nehmen extreme Wettereignisse zu und werden die tropischen Korallenriffe vollständig und unwiederbringlich zerstört. Auch Ernteverluste und Wasserknappheit, beispielsweise in der Mittelmeerregion inklusive Nordafrika, nehmen über dieses halbe Grad Erderwärmung hinaus signifikant zu. Der Meeresspiegel steigt schneller und Küstenregionen sind verstärkt von Überflutungen bedroht.
Jenseits von 2°C ist es sehr wahrscheinlich, dass zentrale Kipppunkte im Klimasystem erreicht werden – diese können eine Kettenreaktion von sich gegenseitig verstärkenden Prozessen auslösen, die die Erde auf Kurs zu einer neuen „Heißzeit“ setzen – mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 4-5°C über vorindustriellem Niveau und mit 10-60 Meter höherem Meeresspiegel.
Die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu beschränken reduziert dagegen die Risiken für Menschen und Ökosysteme erheblich und erlaubt vielen Gesellschaften und Ökosystemen, sich an die Klimawandelfolgen anzupassen. In besonders klimawandelgefährdeten Regionen, von denen viele im Globalen Süden liegen und begrenzte Ressourcen für Klimawandelanpassung zur Verfügung haben, macht der Unterschied von einem halben Grad einen riesigen Unterschied.
Können wir die Erwärmung auf 1,5°C begrenzen?
Unsere Botschaft ist klar: Die Begrenzung des Klimawandels auf 1,5°C ist möglich und machbar. Wenn wir uns auf die dafür notwendige sozial-ökologische Transformation einlassen und sie aktiv gestalten, kann dabei gleichzeitig ein gutes Leben für alle ermöglicht werden und können unsere globalen Ökosysteme geschützt werden.
Wir sagen aber auch: Es ist nicht möglich, die Profite von klimaschädlichen Industrien und transnationalen Unternehmen aufrechtzuerhalten und die ressourcenfressende Wachstumsmaschine weiter anzuheizen, ohne planetarische Grenzen zu überschreiten und soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte weiter auszuhöhlen.
Wir brauchen transformative Strategien, um fossile Rohstoffe im Boden zu lassen und gleichzeitig demokratische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und den Erhalt und die Wiederherstellung bereits zerstörter und degradierter Ökosysteme zu fördern. Dafür braucht es einen Bruch mit bestehenden Machtstrukturen, die dieser Transformation im Weg stehen. Aus unserer Sicht ist dies aber nicht nur ein Bruch mit einem alten, zerstörerischen, menschenverachtenden und ungerechten System, sondern auch ein Aufbruch in Richtung „Gutes Leben“. Diese einzufordern und dafür einzustehen, ist nicht „naiv“ oder „politisch unrealistisch“, sondern im Angesicht der multiplen globalen Krisen schlicht radikal realistisch und notwendig.
Aber sagen die Klimaszenarien nicht, dass 1,5°C kaum noch machbar ist?
Einige neue Klimaszenarien, die auch der IPCC betrachtet, zeigen, dass es technisch und wirtschaftlich möglich ist, die Emissionen schnell genug zu reduzieren, dass 1,5°C noch erreichbar sind – und das ohne hochriskante Geoengineering-Technologien. Die dafür notwendigen Technologien und Ansätze für Emissionsreduktionen und den Schutz bzw. die Wiederherstellung natürlicher Senken (Wälder, Böden, Ozeane, Moore) sind alle vorhanden – im Vergleich zu 2°C-Szenarien müssen sie jedoch viel schneller und flächendeckender umgesetzt werden.
Gleichzeitig sind die politischen und ökonomischen Annahmen, die in den allermeisten anderen klimaökonomischen Modellen, in den sogenannten Integrated Assessment Models, getroffen werden, nicht unproblematisch: Sie setzen vor allem auf technologische Lösungen und Effizienzsteigerungen und haben große Schwierigkeiten, eine tatsächliche gesellschaftliche und ökonomische Transformation zu beschreiben. So setzen beispielsweise alle Szenarien auf ungebrochenes und fortwährendes Wirtschaftswachstum – das zwangsläufig mit steigendem Ressourcenverbrauch und damit auch Treibhausgasen einhergeht. Aus diesem Grund setzen diese Szenarien dann auf den großmaßtäblichen Einsatz von Geoengineering-Technologien, die der Atmosphäre nachträglich wieder CO2 entziehen sollen.
Eine aktuelle Kurzstudie von Kai Kuhnhenn vom Konzeptwerk Neue Ökonomie zeigt, dass es hier dringend ein konzeptionelles und praktisches Umdenken braucht: Ein weniger an Produktion und Konsum im Globalen Norden und bei den reichen Eliten des Globalen Südens ist unerlässlich, wenn wir es mit dem 1,5°C-Ziel ernst meinen und auch den anderen sozial-ökologischen Krisen wie Biodiversitätsverlust, Ressourcenübernutzung und der Zerstörung von Ökosystemen auf sozial gerechte Weise begegnen wollen.
Was sind überhaupt „negative Emissionen“? Stimmt es, dass es ohne diese nicht mehr geht?
Die Idee sogenannter „negative Emissionen“ haben vor allem seit dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats in 2013/14 Einzug in die klimapolitische Debatte und die klimaökonomischen Szenarien gehalten. „Negative Emissionen“ soll bedeuten, dass der Atmosphäre technologisch CO2 entzogen wird und dieses beispielsweise unter der Erde oder in den Ozeanen gespeichert wird.
Die Mehrzahl der klimaökonomischen Modelle nehmen an, dass in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Technologien zur Verfügung stehen, mit Hilfe derer wir CO2 im großen Maßstab wieder aus der Luft holen. Hier geht es mitunter um Größenordnungen von 400-1.200 Gigatonnen – das ist das 10- bis 30-fache der jährlichen Treibhausgasemissionen der gesamten Welt.
Zumeist wird für die Erreichung dieser „negativen Emissionen“ der großmaßstäbliche Einsatz von Geoengineering-Technologien angenommen, vor allem Carbon Dioxide Removal-Technologien (CDR). Diese Technologien, teilweise auch als Negative-Emissions-Technologien (NETs) bezeichnet, sind höchst problematisch und bisher auch größtenteils noch fiktiv: Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, gehen mit einem hohen Energie- und Ressourcenverbrauch einher und würden genau denjenigen zu Gute kommen, die dir größte Verantwortung für die Klimakrise tragen – also z.B. der fossilen Industrie und den großen Agrarkonzernen.
Die meisten vorgeschlagenen Technologien beruhen auf einer ebenfalls und an sich bereits umstrittenen und höchst problematischen Technologie: Carbon Capture and Storage (CCS)-. CCS wurde dafür entwickelt, noch mehr Kohle, Öl und Gas aus dem Boden zu holen – und genau da wird es auch jetzt kommerziell eingesetzt.
Neben großtechnologischen Vorschlägen, eingefangenes CO2 unter der Erde zu speichern, gibt es auch Vorschläge, „negative Emissionen“ zu erreichen, in dem in sehr großem Maßstab Flächen aufgeforstet werden. Auch eine Kombination dieser Technologien wird diskutiert. Doch Monokulturplantagen sind nicht nur düngemittel- und pestizidintensiv und zerstören Biodiversität – angesichts steigender Extremwetterereignisse und wärmerer Temperaturen ist unsicher, ob das CO2 tatsächlich permanent gebunden würde. Doch genau das wäre nötig, um einen Beitrag für Klimaschutz zu leisten.
Insgesamt besteht die Gefahr, dass möglicherweise erfolgreiche Ansätze bei der Erzeugung von „negativen Emissionen“ am Ende nur als Ausrede dienen würden, weiterhin fossile Brennstoffe zu nutzen und unsere klimaschädliche industrielle Landwirtschaft nicht zu ändern. Da verwundert es auch nicht, dass die großen Öl- und Gaskonzerne und somit auch die petrochemische Industrie zu den größten Lobbyisten für CCS und „negative Emissionen“ zählt.
Was ist Geoengineering?
Geoengineering – die großmaßstäbliche Manipulation von Klima- und Erdsystemen – wird als Lösung propagiert, um der globalen Erwärmung entgegenzutreten oder bestimmte Symptome des Klimawandels abzumildern bzw. zu unterdrücken.
Es handelt sich um eine Reihe von größtenteils fiktiven Technologien, die entweder Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen sollen oder in den Strahlenhaushalt der Erde eingreifen. Diese Eingriffe werden sowohl in der Atmosphäre selber (u.a. der Stratosphäre), an Land und in den Ozeanen angedacht. Meist handelt es sich um Vorschläge, die in Computermodellen simuliert werden. Aber es gibt auch erste kommerzielle Projekte in kleinerem Maßstab und geplante Freilandexperimente.
Was ist problematisch an Geoengineering?
Geoengineering bedeutet großmaßstäbliche Eingriffe in unsere globalen Ökosysteme und potentiell katastrophale Folgen für Menschen und Biodiversität. Um einen Effekt auf das globale Klima zu haben, müssten diese Technologien in einer gewaltigen Größenordnung eingesetzt werden Unbeabsichtigte Folgen, die aus dem Einsatz entstehen, könnten daher ebenso gewaltig und in der Regel gleichermaßen grenzübergreifend sein.
Die vorgeschlagenen Geoengineering-Technologien sind nicht erprobt und getestet, weshalb grundsätzliche Unsicherheiten bestehen, ob diese Technologien überhaupt jemals funktionieren könnten. Falls sie funktionieren würden, dann nur mit massiven Risiken und gefährlichen Nebenwirkungen, die zudem regional stark ungleich verteilt wären und soziale Ungerechtigkeit international wie innerhalb von Staaten noch verschärfen würden. In vielen Fällen würden die tatsächlichen Folgen von Geoengineering erst deutlich werden, wenn diese Technologien eingesetzt werden würden. Die negativen Auswirkungen und der angerichtete Schaden wären in vielen Fällen irreversibel.
Gleichzeitig ist Geoengineering der „perfekte Vorwand“ für Menschen und Industrien, die den Klimawandel leugnen, und für Regierungen, die versuchen, die politischen Kosten von CO2-Reduktionen zu vermeiden. Die Investition in Forschung und Entwicklung dieser Technologien lenkt außerdem Ressourcen und Finanzierung von dringend benötigten, effektiven, vorbeugenden, ökologischen und gerechten Pfaden für Klimaschutz und -anpassung ab.
In der vierten UN-Umweltversammlung, UNEA-4, die im März 2019 in Nairobi getagt hat, ist ein Vorstoß für weitergehende Schritte, Regulierung von Geoengineering-Technologien auf UN-Ebene zu etablieren, am massiven Widerstand einiger hochemittierender, ölproduzierender Regierungen gescheitert. Die dringende Notwendigkeit, Geoeningineering international zu regulieren, bleibt bestehen. Hier ist eine Auswertung der Verhandlungen der UNEA-4 zu finden.
Wer sind die Hauptakteur/innen / Haupttreiber/innen beim Thema Geoengineering?
Seit etwa einem Jahrzehnt lobbyiert eine kleine, aber wachsende Gruppe von Regierungen, Unternehmen und Wissenschaftler/innen für die politische Akzeptanz von Geoengineering. Diese Befürworter/innen kommen vor allem aus den mächtigsten Ländern der Welt, die die größte Verantwortung für die Klimakrise tragen. Einige von ihnen besitzen selbst kommerzielle Interessen an den Technologien, die sie entwickeln.
Geoengineering bietet die Illusion einer technologischen Abkürzung – ein „technofix“ für das Klimaproblem. Wenn Treibhausgase der Atmosphäre nachträglich wieder entzogen werden können, wie es die Carbon Dioxide Removal-Technologien versuchen, dann gibt es wenig Grund, im Hier und Jetzt etwas am Ausstoß von Treibhausgasen zu ändern. Geoengineering ist somit vor allem im Interesse der klimaschädlichen Industrien, allen voran der fossilen Industrie.
Und wenn zudem das Klima künstlich herabgekühlt, die globale Erwärmung also unterdrückt werden kann, dann ist eine solche Technologie eine sehr machtvolle Ressource – und nicht zuletzt im Interesse mächtiger Staaten, die das globale Thermostat nach ihren Interessen versuchen würden auszurichten.
Auch wenn Geoengineering als „Notlösung“ für die Klimakrise verpackt wird, so zeigt ein genauerer Blick auf die treibenden Akteure und ihre Interessen schnell, dass Geoengineering vor allem bestehende Machtstrukturen aufrechterhält und der notwendigen sozial-ökologischen Transformation, die wir dringend benötigen, im Weg steht.
Warum und wie arbeitet die Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Geoengineering und 1,5°C?
Der Diskurs rund um Geoengineering hat sich seit dem Pariser Abkommen noch einmal stark verändert. Angesichts steigender Emissionen auf der einen Seite und dem völkerrechtlich verbindlichen Ziel, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad (möglicherweise sogar 1,5 Grad) über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, wird Geoengineering zunehmend als „unerlässliches“ Mittel betrachtet, um dieses Ziel zu erreichen.
Wir betrachten diese Debatte mit zunehmender Sorge, weil sie erstens wichtige klimawissenschaftliche Erkenntnisse sehr einseitig bewertet, mögliche Alternativen gar nicht erst in Betracht zieht und genau denjenigen in die Hände spielt, die vom Status quo unseres extraktivistischen und wachstumsgetriebenen Modells profitieren.
Wir haben andere Antworten auf die Klimakrise und glauben nicht, dass einzelne Länder, Personen oder gar Unternehmen die Kontrolle über unser globales Thermostat übernehmen sollten.
Als Heinrich-Böll-Stiftung arbeiten wir vor allem daran, in der internationalen Zivilgesellschaft Wissen und Kapazität zu den Risiken von Geoengineering aufzubauen. Das Monitoring von geplanten Experimenten und Projekten, Technologien, Akteuren und dahinter stehenden Interessen sowie der Forschung zu diesem Thema ist ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit.
Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partner/-innen betreiben wir die Website Geoengineering Monitor, wo aktuelle und Hintergrundinformationen veröffentlicht werden. Hier gibt es auch einen regelmäßig erscheinenden Newsletter zum Abonnieren.
Gleichzeitig arbeiten wir mit unseren zivilgesellschaftlichen Partner/innen an tatsächlichen sozial-ökologisch gerechten Lösungen für die Klimakrise. Dazu haben wir hier im Dossier viele Informationen zusammengestellt.
Welche Alternativen gibt es, um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen?
Die Alternativen zu riskanten „technofix“-Vorschlägen wie Geoengineering sind zahlreich, und sie sind erforscht, erprobt und sofort einsetzbar.
Um dem Klimawandel auf sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Weise zu begegnen, ist es notwendig, das ökonomische Denken zu hinterfragen, das die Mainstream-Klimapolitik prägt. Es ist klar, dass der Weg zu einer klimagerechten 1,5-Grad-Welt nur mit einer echten sozial-ökologischen Transformation beschritten werden kann, der eine viel tiefgreifendere Veränderung unserer Produktionsweisen, Konsummuster und politökonomischen Institutionen bedeutet.
Radikale Emissionsreduktionen in Kombination mit einem Umbau unserer Gesellschaften hin zu einer Welt, in der ökologisch, sozial und wirklich nachhaltig produziert und konsumiert wird, sind die einzige Möglichkeit, das Klima-Disaster zu begrenzen. Konkret bedeutet dies die Nahrungsmittelproduktion umzustellen hin zu einer agrarökologischen Produktion und weg von der industriellen Landwirtschaft. Unsere Konsumgesellschaft und Abfallwirtschaft muss eine echte Kreislaufwirtschaft werden, in der wie Rohstoffe konsequent einsparen und wiederverwenden. Hinzu kommen naturnahe Klimalösungen, d.h. der Schutz von bestehenden besonders schützenswerten Ökosystemen, die natürliche CO2-Senken sind. Unter anderem brauchen wir eine Waldwende, bei der die Forstwirtschaft beschränkt wird und Wälder naturnah bewirtschaftet werden.
Weltweit wird das Potential der CO2-Bindung durch den Schutz und die Wiederherstellung von natürlichen Ökosystemen auf 370 bis 480 Gigatonnen CO2 geschätzt – das kann ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, aber auch zum Schutz von Biodiversität und der Lebensgrundlage von lokalen Gemeinschaften sein.
Eine aktuelle Studie von Greenpeace (Waldvision 2018) zeigt für Deutschland, dass bei einer naturnahen Waldbewirtschaftung nur 14 % weniger Holz geerntet werden würden, gleichzeitig aber erhebliche Mengen -bis zu 56 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr -in deutschen Wäldern gespeichert werden könnte.
Doch das alles wird nicht reichen, wenn wir das Klimaproblem nicht endlich an der Wurzel packen: Wir brauchen dringend einen zügigen und konsequenten Ausstieg aus der Produktion und Nutzung fossiler Rohstoffe. Damit ist nicht nur ein rascher Kohleausstieg gemeint, sondern auch ein politisch gelenkter Ausstieg aus der Nutzung von Erdöl und Erdgas. Wenn wir es ernst meinen mit dem 1,5-Grad-Limit, dann müssen wir aufhören, immer neue fossile Rohstoffe zu erschließen und stattdessen konkrete Pläne erarbeiten und umsetzen, die bereits existierende und produzierende Infrastrukturen frühzeitig stilllegen. Dafür braucht es politische Mehrheiten und ein dickes Fell gegen die Lobbymacht der Konzerne.
Welche internationalen Regeln gibt es zu Geoengineering?
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Biologische Vielfalt (United Nations Convention on Biodiversity, CBD) ist das multilaterale Gremium, das Geoengineering schon seit über einem Jahrzehnt kritisch diskutiert und dazu wegweisende Entscheidungen getroffen hat.
In 2008 rief die CBD zu einem Moratorium für Ozeandüngung auf. Damit folgte sie der Warnung des Londoner Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung, das diese Geoengineering-Technologie schon zuvor diskutiert und als schädlich für die marine Umwelt eingeschätzt hatte.
In 2010 erweiterte die CBD ihr de facto Moratorium auf alle klimabezogenen Formen des Geoengineering. Dabei macht die CBD vor allem das Vorsorgeprinzip als wichtigen Grundsatz des internationalen Umweltrechts stark. In verschiedenen Forschungsberichten hat die CBD die großen Risiken und teilweise katastrophalen Auswirkungen auf Biodiversität und die globalen Ökosysteme aufgezeigt, die die unterschiedlichen Geoengineering-Technologien mit sich bringen.
Das Londoner Protokoll des bereits erwähnten Londoner Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung sieht den Bereich des marinen Geoengineerings in seinem Zuständigkeitsbereich: Seit 2013 ist Ozeandüngung unter dem Londoner Protokoll als verboten in einem Annex gelistet, mit der Option, weitere Technologien des marinen Geoengineerings dort aufzunehmen.
Für mehr Informationen zur internationalen Regulierung und Governance von Geoengineering siehe unser zivilgesellschaftliches Briefing-Papier „Dem Geo-Sturm standhalten – Ein zivilgesellschaftliches Briefing zur Governance von Geoengineering“ (ETC Group & Heinrich Böll Stiftung 2017).
Was sagt die internationale Zivilgesellschaft zum Thema Geoengineering?
Wichtige Akteur/innen der internationalen Zivilgesellschaft positionieren sich immer sichtbarer kritisch zum Thema Geoengineering. Zunehmend wird deutlich, dass Geoengineering vor allem im Interesse der klimaschädlichen Industrien und Klimawandelleugner/innen ist, insbesondere der fossilen Industrie. Der Widerstand gegen Geoengineering als ein „technofix“ für den Klimawandel knüpft somit an die vielzähligen sozialen Kämpfe für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klima- und Umweltschutz an und wird sich in der Zukunft noch viel stärker mit diesen verbinden.
Auch in internationalen Institutionen und multilateralen Prozessen wie der Klimarahmenkonvention, dem Weltklimarat und der Biodiversitäts-Konventionen arbeiten internationale zivilgesellschaftliche Netzwerke gegen den Einzug und die „Normalisierung“ von Geoengineering in diese Foren.
Insbesondere gegen die angekündigten Freilandexperimente auf dem amerikanischen Kontinent regt sich Widerstand – nicht zuletzt von Seiten Indigener Gemeinschaften, auf deren Territorien diese Experimente stattfinden sollen. In der Vergangenheit konnten geplante Experimente bereits erfolgreich verhindert werden. Einen Überblick über vergangene, laufende und geplante Geoengineering-Experimente und –Forschungsprojekte bietet unsere interaktive Geoengineering-Weltkarte.
In 2010 gab es bereits eine große internationale Kampagne mit dem Titel „Hands Off Mother Earth“, basierend auf dem sogenannten „HOME-Manifesto“. Dieses wurde bei der World People‘s Conference on Climate Change 2010 in Cochabamba, Bolivien, lanciert und von einer breiten Koalition von Organisationen von Indigenen Gemeinschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen unterzeichnet.
Die HOME-Kampagne wird gegenwärtig neu aufgelegt. Aktuelle Entwicklungen rund um die Kampagne sowie Hintergrundinformationen zu Geoengineering-Experimenten, Technologien, den Akteur/innen dahinter und ihren Interessen gibt es hier: www.geoengineeringmonitor.org (auf Englisch).