Sicherheit ist ein vielschichtiges Konzept

Portrait

Seit dreiundzwanzig Jahren hat Stephenie Foster zum Ziel, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Stärkung von Führungspositionen von Frauen sowie ein vielfältiges Verständnis von Sicherheit zu etablieren.

Portrait Stephanie Foster

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers "No Women - No Peace: 20 Jahre UNSR Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit"

Als Staatssekretär John Kerry nach seinem Amtsantritt der Botschaft der Vereinigten Staaten in Kabul im März 2013 seinen ersten offiziellen Besuch abstattete, war Stephenie Foster dort Beraterin für Frauenfragen und Zivilgesellschaft. Kerry war als Senator bereits viele Male in Afghanistan gewesen, doch kam es diesmal – neben den üblichen Treffen mit amerikanischen Truppen und afghanischen Regierungsvertretern – zu einer Begegnung, die ihn besonders beeindruckte.

Noch Jahre später nahm Kerry in Reden, Gastkommentaren und bei allerlei sonstigen Anlässen auf ein Treffen mit einer Gruppe afghanischer Unternehmerinnen aus den unterschiedlichsten Sektoren (von der Landwirtschaft bis hin zu Technologieunternehmen) Bezug. Insbesondere die Geschichte der Leiterin einer Software-Entwicklungsfirma in der Stadt Herat im Westen des Landes fesselte ihn: „Die lokalen Behörden taten alles in ihrer Macht stehende, um ihr Vorhaben im Keim zu ersticken“, erzählte Kerry einer Zuhörerschaft in der Universität Georgetown in Washington DC noch im selben Jahr. „Sie haben sogar Druck auf ihre Familie gemacht, um die Firma zu schließen. Die Frau aber weigerte sich beharrlich, sich einschüchtern zu lassen.“

Das Treffen in Afghanistan hatte Stephenie Foster organisiert. „Es machte besonders auf eine Person großen Eindruck“, erinnert sie sich. „Aber es war genau die eine Person, die durch ihre Position in der Lage war, die Wirkung der Stimmen zu vervielfachen.“

Die Mission Frauen zu stärken

Für Foster war diese Breitenwirkung besonders erfüllend, hatte sie sich doch bereits seit dreiundzwanzig Jahren der Stärkung von Frauen verschrieben. Ausschlaggebend für ihre selbstgewählte Mission war ein Besuch im Jemen gewesen. In Folge wirkte sie an der Verwaltung von frauenorientierten Maßnahmen und Programmen des Außenministeriums sowie an der Ausarbeitung des zweiten Nationalen Aktionsplans der Vereinigten Staaten unter der Sicherheitsratsresolution 1325 der Vereinten Nationen (UNSCR) zu Frauen, Frieden und Sicherheit mit. Im Jahr 2017, nach ihrem Austritt aus der Regierung, war sie Mitbegründerin der Firma Smash Strategies, die große Konzerne wie Google, internationale Organisationen wie die Weltbank und gemeinnützige Organisationen wie die UN-Stiftung zu Fragen der Geschlechtergleichstellung und Frauen in Führungspositionen berät.

Ihre Laufbahn hatte Foster ursprünglich in einer Anwaltskanzlei in San Francisco begonnen, wo sie als erste Prozessanwältin zur Partnerin ernannt wurde. Danach war sie nach Washington DC gezogen und arbeitete als Büroleiterin der US-Senatorin der Demokraten in Maryland, Barbara Mikulski.

Während dieser Zeit wurde sie 1997 vom National Democratic Institute (einer überparteilichen US-Organisation, die weltweit mit lokalen Organisationen zusammenarbeitet um demokratische Institutionen zu stärken) zu einer zehntägigen Reise in den Jemen gewonnen. Dort unterstützte sie ein Schulungsprojekt für Frauen, die sich um ein offizielles Amt bewerben möchten.

Der Besuch war richtungsweisend. Bestach der Jemen sie einerseits durch seine Schönheit und Faszination – sie sollte noch fünfmal in dieses Land zurückkommen und alle Teile des Landes entdecken – so hinterließen andererseits die jemenitischen Frauen bleibenden Eindruck. Für Foster ist ihre Geschichte, ihr Kampf um die eigenen Rechte, beispielhaft und immens wichtig im Hinblick auf die Rolle der Frauen für Frieden und Sicherheit in der Welt.

Ich begann mich sehr für Frauen in anderen Ländern zu interessieren; wollte verstehen, wie sie mit den jeweiligen Machtstrukturen und Systemen interagieren, in denen sie leben, und welche Rolle sie beim Aufbau und der Stabilität der Gemeinschaft spielen“, so Foster.

Sie baute ihre weltweite Arbeit weiter aus, indem sie Frauen im Bereich politischer Teilhabe und wirtschaftlicher Emanzipation ausbildete, und nahm schließlich 2012 die Tätigkeit in der US-amerikanischen Botschaft in Afghanistan auf. Von da aus wechselte sie in das Büro für globale Frauenfragen des Außenministeriums, das wenige Jahre zuvor unter Staatssekretärin Hillary Clinton gegründet worden war.

Neben ihrer Arbeit am Nationalen Aktionsplan setzte sich Foster auch hier weiterhin dafür ein, dass Frauen mit ins Boot geholt wurden, wenn Kerry oder andere hochrangige Beamte ins Ausland reisten. „Oft sind sich Entscheidungsträger gar nicht bewusst, dass Maßnahmen sich auf Frauen anders auswirken“, erklärt sie „oder sie denken dies sei zweitrangig und bedürfe erst zu einem späteren Zeitpunkt Aufmerksamkeit.“

Der geschickte Umgang mit Bürokratie

Fosters geschickter Umgang mit bürokratischen Hürden und ihre Fähigkeit, politische Maßnahmen vom Blatt in die Realität zu übertragen, waren laut der Leiterin für Genderpolitik- und Strategie des US-Friedensinstituts Kathleen Kuehnast bei der Umsetzung des UNSCR 1325 von Bedeutung. Diese Fähigkeit, top-down zu arbeiten ergänzt den Aktivismus von Frauen in Krisengebieten und andernorts.

Sie ist sich bewusst, wie wichtig die richtigen politischen Rahmenbedingungen sind, und wie durch diese Veränderungen erzielt werden können“, so Kuehnast.

Botschafter a.D. Donald Steinberg (langjähriger Verfechter der führenden Rolle von Frauen in den Vereinigten Staaten und im Ausland sowie vormals stellvertretender Direktor der US-Agentur für Internationale Entwicklung) bezeichnet Foster als vollendete Vermittlerin, die in der Lage ist, sogar in der aktuellen politischen Spaltung über Parteigrenzen hinweg zu arbeiten: „Sie war eindeutig eine von denen, die es drauf hatten!“

Foster beobachtet, dass die Einstellung zur Rolle von Frauen für Frieden und Sicherheit im Wandel begriffen ist: „Vor zwanzig Jahren ging es um den Schutz von Frauen und Mädchen, und wir sahen Frauen als Opfer, die es zu schützen galt“ – was natürlich, wie sie betont, weiterhin wichtig sei. „Doch wir haben nun verstanden, dass Frauen gestärkt und in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden müssen.“

Auch ihr eigenes Verständnis hat sich weiterentwickelt: „Durch die Forschung wissen wir, dass Männer und Frauen weltweit das Konzept Sicherheit ganz anders wahrnehmen und sogar anders darüber sprechen.“ Für Frauen geht sogar die physische Sicherheit über die militärische Sicherheit bzw. die gesetzliche Ordnung hinaus. Vielmehr beziehen sie sie auf ihre persönliche Sicherheit im oder außerhalb ihres Zuhauses, je nach ihrer Situation, ihrer eigenen wirtschaftlichen Sicherheit und der ihrer Familien.

Sicherheit ist ein vielschichtiges Konzept

Meine Arbeit hat mir gezeigt, dass wir Sicherheit als vielschichtiges Konzept betrachten müssen“, sagt Foster. Heute ist sie eine bedeutende Gastrednerin in Foren, die sich mit wirtschaftlicher Gleichstellung und Sicherheit befassen, wie beispielsweise dem Welttreffen des Women's Forum for Economy and Society (Frauenforum für Wirtschaft und Gesellschaft) in Paris im November 2019.

Mit Interesse beobachtet sie die zunehmende Diskussion über ‚feministische Außenpolitik‘, und sieht hier „viele Synergien mit UNSCR 1325, weil es bei beiden Prozessen darum geht, dass die Stimmen der Frauen innerhalb der Entscheidungsprozesse und in den Fluren der Macht Gehör finden.“

Sie hofft dass Führungskräfte der Politik und Wirtschaft sowie die Öffentlichkeit im Laufe der Zeit noch stärker verinnerlichen werden, dass die Einbeziehung von Frauen und Mädchen für das Wohl aller unerlässlich ist – sei es allgemein innerhalb ihrer Gemeinschaften, oder in der Konfliktprävention und -lösung

Ich hoffe, Resolution 1325 gilt noch mindestens weitere zwanzig Jahre“, sagt Foster. „Mein eigentlicher Wunsch zum Jubiläum ist, dass die Menschen weltweit begreifen, dass die Resolution ein wichtiges Instrument für mehr Sicherheit und Stabilität ist.“

Aus dem Englischen übersetzt von Petra Kogelnig und Karina Hermes