Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2020: viel Ehrgeiz, wenig Reform

Kommentar

Die Europäische Kommission war der Meinung, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) potenziell mit dem europäischen Grünen Deal vereinbar sei. Die Praxis zeigt jedoch, dass dem nicht so ist.

Kornfeld

Am Freitag, den 23. Oktober 2020 hat das Europäische Parlament seine endgültige Position zu den verschiedenen Teilen der Gesetzgebungsvorschläge der Europäischen Kommission von 2018 für die Reform der GAP nach 2020 festgelegt, und zwar:

  1. Verordnung über die Festlegung von Regeln für die GAP-Strategiepläne
  2. Horizontale Verordnung über die Festlegung von Regeln zur Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der GAP
  3. Verordnung über die Festlegung von Regeln für eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse

Nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen über die drei vorbenannten Rechtsvorschriften hat auch der Rat am Mittwoch, den 21. Oktober 2020 seine Position festgelegt.

In den kommenden Monaten werden der Rat und das Europäische Parlament ihre Standpunkte aushandeln, um in den Trilogen zu einer Einigung zu gelangen, sofern die Europäische Kommission ihren ursprünglichen Vorschlag nicht zurückzieht.

Im Hintergrund werden die Triloge zur GAP parallel zu den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 - 2027 und mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie weiterlaufen. Bis zu einem gewissen Grad können diese Faktoren immer noch die Richtung der Reform der GAP und ihre zweite Säule (Förderung der ländlichen Entwicklung) beeinflussen.

Nach der Einigung über das GAP-Reformpaket auf EU-Ebene werden die 27 Mitgliedsstaaten ihre nationalen GAP-Strategiepläne fertigstellen und diese der Europäischen Kommission zur Zustimmung vorlegen. Der Zeitplan kann sich zwar noch ändern, aber die 27 GAP-Strategiepläne werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Januar 2023 in Kraft treten. Bis dahin werden die GAP und die ländliche Entwicklungspolitik unverändert fortgeführt.

Können wir irgendwelche Änderungen in der neuen GAP erwarten?

Angesichts der ökologischen Schäden und sozialen Ungleichheiten des europäischen Agrar- und Lebensmittelsystems und der ländlichen Gebiete hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Reform der GAP nach 2020 ausgearbeitet, der insbesondere folgendes vorsieht:

  • Eine gerechtere Verteilung der Zahlungen an die Landwirte: Derzeit kommen 80 Prozent der Direktzahlungen lediglich 20 Prozent der europäischen Landwirte zugute.
  • Mehr grün: Stärkung der Konditionalitäten im Bereich Agrarumwelt und Tierschutz zum Erhalt von Direktzahlungen und zur Einführung von sogenannten Eco-Schemes, d.h. neuen Formen jährlicher Zahlungen, mit denen Landwirte für ihre gute Umweltpraxis belohnt werden (z.B. Agrarökologie, ökologischer Landbau, integrierter Pflanzenschutz).
  • Ein neues Liefermodell, das auf größere Flexibilität, die den Mitgliedstaaten eingeräumt wird, und auf eine stärkere Ausrichtung der Politik auf Leistung statt auf Compliance setzt.

Das Europäische Parlament und der Rat haben den Vorschlag der Europäischen Kommission systematisch abgeschwächt, und die im Oktober festgelegten Positionen zeigen, dass der ursprüngliche Ehrgeiz schnell verblasst. Hier einige Schlaglichter:

  • Jedwede Reform der Verteilung der Zahlungen könnte unmöglich gemacht werden, beispielsweise durch die Abschaffung der gesetzlich vorgeschriebenen Deckelung der Zahlungen oder durch die unveränderte Zweckbindung der Zahlungen an Land- und Grundbesitz und nicht an soziale und ökologische Kriterien.
  • Der Anspruch „Mehr grün“ wird stark zurückgehen durch das Verwässern der "Umweltausgaben" durch Maßnahmen, die nachweislich keinen positiven Beitrag zur Umwelt leisten; durch den Ausschluss von 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen, die der Natur Platz machen müssen und durch den Ausschluss oder die Verschiebung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterstützung von "Eco-Schemes".
  • Leistungsmechanismen werden untergraben, beispielsweise durch den Ausschluss von Leistungsprämien; die Verschiebung der Leistungsbewertungen; den Versuch, die Anzahl der Zielindikatoren, die Gegenstand der Leistungsüberprüfung sind, zu reduzieren sowie durch den Ausschluss von Wirkungsindikatoren in den Leistungsüberprüfungen.

Die Europäische Kommission war der Meinung, dass die Reform der GAP potenziell mit dem europäischen Grünen Deal der EU vereinbar sei. Die Praxis zeigt jedoch, dass dem nicht so ist! Zudem sind auch die Arbeitsweise und das Funktionieren unserer Demokratie auf EU- und nationaler Ebene ein dringendes Anliegen. So haben sich beispielsweise die drei großen Fraktionen der politischen Mitte im Parlament auf einen gemeinsamen Standpunkt geeinigt: Dieser schloss die anderen Fraktionen aus und hielt weitgehend an der Tagesordnung fest und wurde zu großen Teilen zur Plenarposition des Parlaments.

In den kommenden Monaten werden sich die drei Mitgesetzgeber der EU zusammensetzen, um eine Einigung auf EU-Ebene auszuhandeln. Die Europäische Kommission kann Änderungsvorschläge machen oder die GAP zurückziehen. Sollte die Europäische Kommission jedoch kapitulieren und sollten der Rat und das Parlament darauf pochen, eine "Laissez-faire"-GAP zu beschließen, die mit dem europäischen Grünen Deal unvereinbar ist, besteht wenig Hoffnung auf ehrgeizigere Ziele. Die gesamte Aufmerksamkeit wird sich dann auf die zweifelsohne schwierigen Verhandlungen über die GAP-Strategiepläne auf nationaler Ebene richten.

Aber selbst dann hat die Europäische Kommission noch die Möglichkeit, mit den nationalen Hauptstädten darüber zu verhandeln, inwieweit ihre GAP-Strategiepläne mit dem europäischen Grünen Deal vereinbar sind. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Kommission eine Anpassung erzwingen wird.

 

Weitere Informationen finden Sie im GAP-Abschnitt von ARC2020 und im Abschnitt GAP-Strategiepläne von ARC2020 hier und auf dieser Website.