Anti-Riot Bills. Wie die Republikanische Partei systematisch das Demonstrationsrecht einschränkt

Kommentar

In den letzten Wochen wurde in der deutschen Presse viel über die Verschärfung der Abtreibungsgesetze in Texas und anderen Teilen der USA berichtet. Schwangerschaftsabbrüche sind aber nicht der einzige Bereich, in dem die Republikanische Partei versucht, Freiheitsrechte von Einzelnen durch Strafrechtsreformen einzuschränken. Auch die Versammlungsfreiheit ist ins Visier der Konservativen geraten und wird attackiert, wo immer die politischen Mehrheitsverhältnisse es zulassen.

#blm - Black Lives Matter-friedlicher Protest

In über 30 Bundesstaaten haben die Republikaner seit 2020 sogenannte „anti-riot bills“ in die Landesparlamente eingebracht und an vielen Orten bereits verabschiedet. Vordergründig sollen diese Strafrechtsreformen Sicherheitskräfte besser schützen und „Recht und Ordnung“ wiederherstellen; de facto verfolgen die Initiativen vor allem einen Zweck: liberale Proteste zu kriminalisieren und das Demonstrationsrecht von marginalisierten Gruppen massiv einzuschränken. Diese Initiativen sind eine direkte Reaktion der Republikanischen Partei auf die landesweiten Massenproteste nach der Ermordung von George Floyd im Sommer 2021. Sie wurden maßgeblich von der #BlackLivesMatter-Bewegung angetrieben und richteten sich gegen rassistische Polizeigewalt und strukturellen Rassismus. Von den Republikanern wurden sie als unmittelbare Bedrohung der nach wie vor von weißen Christen dominierten gesellschaftlichen Ordnung wahrgenommen.  

Versammlungsfreiheit in Gefahr

Wie weit die Republikaner dabei zu gehen bereit sind macht die Senate Bill 912 deutlich, die aktuell in Texas diskutiert wird  – und deren Unterzeichnung durch den Republikanischen Gouverneur Greg Abbott nur noch eine Frage der Zeit ist. Bereits eine Ansammlung von mehr als sieben Menschen, die die Arbeit von Sicherheitskräften stört, potentiell (!) einen Sachschaden verursachen könnte oder den Verkehr blockiert, wird in dieser Reform als „riot“, also als illegitimer Aufstand, definiert. Was als Störung empfunden wird, entscheiden die Sicherheitskräfte. Die Beteiligung an einem solchen „riot“ soll zukünftig zu einer Gefängnisstrafe führen können.

Mit welcher Präzision die Republikanische Partei friedliche Protestformen progressiver Bewegungen kriminalisiert und gleichzeitig gewaltsame Attacken von rechts legitimiert, zeigt das Beispiel Oklahoma. Im Sommer 2020 hatten #BlackLivesMatter-Demonstrierende in Tulsa eine Landstraße blockiert und waren daraufhin von einem Pickup Truck-Fahrer angefahren worden. Zahlreiche Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Bei dieser Attacke handelte es sich nicht um einen Einzelfall. Über 100 Mal wurden allein im Sommer 2020 TeilnehmerInnen von #BlackLivesMatter Protesten von Autos angefahren und so systematisch zur Zielscheibe eines gefährlichen rechten Terrorismus.

Die Attacke von Tulsa hatte unmittelbare legislative Folgen. Innerhalb weniger Monate legten die Republikanischen lawmakers eine Strafrechtsreform vor, die nicht nur Proteste in Form von Straßenblockaden kriminalisierte und mit Gefängnisstrafe ahndete, sondern gleichzeitig Angriffe auf TeilnehmerInnen solcher Demonstrationen legalisierte: Käme es im Zuge einer Flucht vor einem „riot“ zu einem Unfall mit Verletzten oder sogar Toten, so das Argument in dem Gesetz, genieße der Fahrer des Autos Straffreiheit.

Angriff auf die liberale Demokratie

Diese neuen Gesetze in Republikanisch geführten Einzelstaaten schränken die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht massiv ein und erfüllen damit ihren intendierten Zweck: Die Hürde, gegen gesellschaftliche Missstände und strukturellen Rassismus auf die Straße zu gehen, ist seit dem Sommer 2020 enorm gestiegen. In vielen Teilen Amerikas sind emanzipatorische Protestbewegungen und ihre jeweiligen Protestformen nun kriminalisiert und ihre AktivistInnen sind darüber hinaus rechten Angriffen weitestgehend schutzlos ausgesetzt. Wesentliche Kennzeichen liberaler Demokratien – Versammlungsfreiheit und der Schutz der körperlichen Unversehrtheit – wurden von der GOP in zahlreichen Regionen der USA in diesem ersten Jahr der Biden Administration abgebaut. Systematisch nutzen konservative PolitikerInnen in den USA die Landesebene, um eine weitere Liberalisierung des Landes zu verhindern und demokratische Grundrechte abzubauen.