Digitalisierung der Landwirtschaft: Wem nutzt das Digital-Update?

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Roboter, Drohnen und Algorithmen in der Landwirtschaft sind zu einem großen Geschäft mit großen Versprechungen geworden. Sie sollen Betrieben dabei helfen, mit weniger Pestiziden aus­zukommen. Ob das funktionieren wird, ist unklar.

 

Pestizidatlas Infografik: Die größten Global Player im Sektor Pestizide, Saatgut und Landmaschinen, Umsatz 2020 in Milliarden Euro
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Der Markt für digitale Agrartechnologie ist verheißungsvoll. Vor allem für große Konzerne, die ihren Sitz im Norden haben und bereits andere Branchen der Landwirtschaft dominieren

Digitalisierung als Problemlöser?

Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Zum einen muss sie nach wie vor mit Pflanzenkrankheiten, Schadinsekten und konkurrierenden Kräutern fertig werden. Und zum anderen bringt ein hoher Verbrauch von Pestiziden ganz neue Gefahren für Mensch und Natur mit sich. Agrartechnikunternehmen versprechen, diese Probleme mit digitalen Technologien zu lösen, die Namen tragen wie Smart Farming oder Precision-Farming.

Cover des Pestizidatlas 2022

Der Pestizidatlas 2022

Der Pestizidatlas zeigt in 19 Kapiteln Daten und Fakten rund um die bisherigen und aktuellsten Entwicklungen, Zusammenhänge und Folgen des weltweiten Pestizidhandels und Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft.

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GPS, Roboter und Drohnen auf dem Vormarsch

Laut einer Umfrage setzen bereits 82 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland auf digitale Technologien. So nutzen 45 Prozent der befragten Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel GPS-gesteuerte Landmaschinen und 40 Prozent arbeiten mit Agrar-Apps für das Smartphone oder Tablet. 32 Prozent greifen auf IT-Lösungen zurück, um Pflanzenschutz- oder Düngemittel auf ihre Äcker auszubringen. Prognosen zufolge wird der Markt der vernetzten Landwirtschaft im Jahr 2023 auf über 4 Milliarden US-Dollar anwachsen. Bereits im Jahr 2020 haben US-Start-ups aus dem Ernährungs- und Agrarsektor 31 Milliarden US-Dollar Wagniskapital von großen Investmentgesellschaften eingeworben – achtmal mehr als 2012. In europäische Tech-Firmen flossen im gleichen Jahr 2,4 Milliarden Euro. Die Erwartungen sind hoch: Durch fortschreitende Digitalisierung soll es möglich sein, dass die landwirtschaftlichen Betriebe Lebensmittel für neun Milliarden Menschen produzieren. Außerdem soll sie Einkommen steigern und Klima und Biodiversität schützen, indem sie hilft, Pestizide und Dünger präziser einzusetzen – was geringere Dosen ermöglichen könnte.

Pestizidatlas Infografik: Anteil der Betriebe in Deutschland, die im Jahr 2020 bereits Smart-Farm-Technologie nutzen, nach Größe
Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist vor allem für größere Betriebe eine Option – und ein Wettbewerbsvorteil

Die Digitalisierung der Landwirtschaft zeigt sich zum Beispiel in GPS-Kameratechnik. Sie identifiziert, wo sich im Feld Unkräuter befinden, woraufhin die gekoppelte Feldspritze nur dort ihre Düsen öffnet. Selbstfahrende Feldroboter nutzen diese Technik, um Ackerwildkräuter zu erkennen und gezielt zu entfernen. Drohnen wiederum können beispielsweise so programmiert werden, dass sie aus der Vogelperspektive Unkrautnester ausmachen. Und Algorithmen können erkrankte oder von Schädlingen befallene Pflanzen orten. All das soll laut der Hersteller schon bald Ackeralltag sein.

Datenkonzerne entdecken die Agrarindustrie 

Die Südzucker AG, das Landtechnikunternehmen Amazone und der dänische Feldroboterhersteller FarmDroid erproben in einem gemeinsamen Versuchsprojekt, wie der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden in Zuckerrübenfeldern verringert werden kann. Dazu sät ein Feldroboter, der über ein hochpräzises GPS-Saatsystem verfügt, Zuckerrübensamen in einem exakten Raster aus: Er speichert die Position der Rüben und hackt beim Unkrautjäten exakt um diese Position herum. Weil es in unmittelbarer Nähe der Pflanze schwierig ist, Unkräuter zu entfernen, ohne dabei auch die Rübe zu schädigen, spritzt der Roboter punktgenau neben die Rübe das Mittel, das auch die letzten Wildkräuter vernichtet.

Schon heute können Landmaschinen erfassen, wie gut Böden versorgt sind. Diese Informationen können sie in Datenbanken einspeisen, die in Kombination mit den Anbauplänen und Erfahrungswerten vergangener Jahre die Menge an auszubringenden Düngemitteln und Pestiziden errechnen. Eine gewichtige Rolle spielen bei der Entwicklung und Bereitstellung der Technik, der Verarbeitung und der Nutzung der erfassen Daten die großen Datenkonzerne. Google zum Beispiel arbeitet mit Behörden wie der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zusammen. Die künstliche Intelligenz des Internetkonzerns und die enormen Datenmengen der Wetterbehörde sollen künftig äußerst genaue Wettervorhersagen ermöglichen, die unter anderem für landwirtschaftliche Betriebe von Nutzen sind.

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Große Potentiale, große Risiken

Es hängt von vielen Faktoren ab, ob die ökologischen Effekte der Digitalisierung positiv oder negativ sein werden. Die Fachliteratur weist einerseits auf das Potenzial hin: Der Einsatz von Pestiziden könnte bis zu 90 Prozent reduziert werden. Andererseits gibt es auch sogenannte Rebound-Effekte. Ein solcher Effekt ist zum Beispiel ein erhöhter Energieverbrauch durch neue Technologien oder die Ausweitung intensiver Produktion auf Flächen, die bislang nur extensiv oder noch gar nicht genutzt wurden oder ökologisch wertvoll sind.

Es bleiben jede Menge offene Fragen: Wie können kleinbäuerliche Betriebe in armen Ländern an der Digitalisierung teilhaben? Digitale Lösungen entwickeln sich schnell, doch bislang ist wenig über die tatsächlichen Vorteile auf den Höfen bekannt. Zum Beispiel liegen kaum Daten darüber vor, ob die neuen Technologien wirklich dazu führen, dass weniger Pestizide ausgebracht werden. Digitalisierung kann nur einen begrenzten Anteil zur notwendigen landwirtschaftlichen Transformation beitragen, denn selbst wenn in größter Präzision jede Blühpflanze auf dem Acker eliminiert wird, bleibt es das Todesurteil für viele Insekten und Vögel.

Ein weiteres Problem bei der Digitalisierung des Agrarsektors ist die Macht einzelner Konzerne: In den Markt mit landwirtschaftlichen Daten stoßen überwiegend große Unternehmen wie Google und Amazon vor. Und im Sommer 2021 gründeten der Chemiekonzern BASF und der Technikkonzern Bosch ein Smart-Farming-Joint-Venture. Zu den Zukunftsaufgaben der Politik gehört daher, die Kommerzialisierung von Klima-, Ernährungs- und Anbaudaten zu verhindern und die Souveränität über ihre Daten bei den Bäuerinnen und Bauern zu belassen. Ansonsten droht, dass die Digitalisierung zur weiteren Abhängigkeit von nicht-nachhaltiger Landwirtschaft beiträgt.