Erdgas in Deutschland: Entscheidungen in Zeiten des Ukraine-Krieges
Online-Diskussion Donnerstag, 02. Juni, 17.00 – 19.00 Uhr (MESZ)
Sprachen: Deutsch/Englisch in Simultandolmetschung
Die Sicherheit der Energieversorgung der größten Volkswirtschaft in der Europäischen Union ist essentiell nicht nur mit Blick auf die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung, sondern auch für die Stabilität der Wirtschaft in der EU insgesamt. Im Jahr 2021 stammte etwa die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases aus Russland. Ein Ausfall dieser Liefermengen im Kontext der geopolitischen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine würde den Gasmarkt in eine schwere Krise stürzen, mit erheblichen Auswirkungen auf die hochgradig auf das Erdgas angewiesene Industrie und die Kosten der Wärmeversorgung der Menschen.
Die russische Invasion in die Ukraine im Februar 2022 hat gezeigt, was zuvor zu viele in Deutschlands politischen und ökonomischen Eliten nicht wahrhaben wollten: Der deutsche Energiemix ist in fatalem Ausmaß zu einseitig auf Russland orientiert. Nun hat die Politik nur die Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen: durch weitere Gaseinkäufe in Russland noch länger die russische Kriegskasse zu befüllen oder schwere Versorgungsengpässe für Industrie und damit Verwerfungen in der gesamten Wirtschaft sowie extreme Preise für die Wärmeversorgung der eigenen Bevölkerung zu riskieren.
Einschätzungen von Expert:innen, wie eine solche Gasknappheit am besten gemanagt werden könnte, liefern den politischen Entscheidungsträger*innen einstweilen keine einheitliche Orientierung. Das Thema gewinnt im Rahmen der Pläne für einen European Green Deal noch zusätzliche Komplexität. Einerseits könnte der Schock auf den Erdgasmärkten die Dekarbonisierung und den Umstieg auf regenerative Energiequellen massiv beschleunigen. Andererseits gilt Erdgas als das geringere Übel im Vergleich zur Kohle und als vorerst unverzichtbare Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren.
Ziel der Online-Diskussion mit den eingeladenen Expert*innen ist es, mögliche politische Antworten und ökonomische Instrumente zum Umgang mit der Versorgungskrise in Deutschland, der Europäischen Union und den Partnerländern der Energieunion, insbesondere der Kriegswirtschaft der Ukraine, zu erörtern. Wie lässt sich die Versorgung effektiv diversifizieren, wenn der größte Anbieter wegfällt? Was wäre ein realistischer Zeithorizont für eine vollständige Abkehr von russischem Gas, in dem sich die Lieferungen ersetzen ließen? Wie kann vermieden werden, dass sich Europa zur Refinanzierung gigantischer Investitionen in neue Gasinfrastruktur langfristig noch stärker an den fossilen Brennstoff bindet? Und wie kann stattdessen eine Beschleunigung der Energiewende mehr Energiesicherheit sowohl für die Europäische Union als auch für die Ukraine erreicht werden?
Begrüßung
- Jan Philipp Albrecht, Vorstand, Heinrich-Böll-Stiftung
Sprecher*innen
- Yaroslav Demchenkov, Vize-Minister für Energie der Ukraine
- Ingrid Nestle, MdB, Sprecherin für Klimaschutz und Energie, Bündnis 90/ Die Grünen
- Casimir Lorenz, Aurora Energy Research
- Olena Osmolovska, Direktorin, Reform Support Team at the Ministry of Energy of Ukraine
- Yevgeniya Zasiadko, NGO "Ecoaction", Ukraine
Moderation
- Georg Zachmann, Senior Fellow, Bruegel, Brüssel/ Berlin
Kontakt
Robert Sperfeld
E sperfeld@boell.de