Was Intersektionalität, feministische Führung und feministische Außenpolitik mit Gerechtigkeit zu tun haben

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hängt unmittelbar mit der Abschaffung aller Formen von heteropatriarchaler, homo- und transphober, (neo-)kolonialer, rassistischer, kapitalistischer und ableistischer Gewalt zusammen.

Ein Zettel mit dem Wort 'Gerechtigkeit' drauf

"Wir müssen uns genauso auf das konzentrieren, was wir lieben und was wir gemeinsam zu schaffen versuchen, wie auf das, was wir versuchen, abzubauen" - Ruby Sales

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hängt unmittelbar mit der Abschaffung aller Formen von heteropatriarchaler, homo- und transphober, (neo-)kolonialer, rassistischer, kapitalistischer und ableistischer Gewalt zusammen. Sexuelle und geschlechtsspezifische Verbrechen im Kontext von "mass violence" (Massengewalt) und Gräueltaten sind strukturelle Erscheinungsformen von (insbesondere heteropatriarchalen) Unterdrückungssystemen, die sich in Kriegszeiten oder beim Zusammenbruch einer Gesellschaft verschärfen, wo die Täter Macht und Kontrolle über die sexuelle und reproduktive Autonomie über Körper und Psyche (insbesondere) von Frauen, LGBTQI und Kindern ausüben. In einer Zeit, in der es ein sich ständig wachsendes Mosaik von Gesetzen, Rechtsprechungen, Resolutionen, Modellgesetze, politischen Zusagen und Handbüchern gibt (siehe z.B. das Internationale Protokoll über die Dokumentation und Untersuchung sexueller Gewalt in Konflikten und den Murad-Kodex), die wegweisend für Gerechtigkeit und Entschädigungen sind, werden Ressourcen für dessen Umsetzung benötigt. Intersektionalität, feministische Führung und feministische Außenpolitik dürfen nicht bloß essentialisiert, sondern müssen praktiziert werden. Dies erfordert, dass die Forderungen der Überlebenden (siehe z.B. die Erklärung der Kinshasa-Opfer) aufgegriffen und in den Mittelpunkt der Aufarbeitung gestellt werden. Gleichzeitig müssen alle Beteiligten - von staatlichen Vertreter:innen, Geldgeber:innen, Nichtregierungsorganisationen, Anwält:innen und Jurist:innen - ihre Macht und ihre Positionierung reflektieren und verstehen, wann Zurückhaltung und wann Handeln gefragt ist (auch in Hinblick auf die Umverteilung von Mitteln). Macht von Innen, Macht für und Macht mit, statt Macht über andere (Philanthropy is a feminist issue, Ise Bosch and Ndana Bofu-Tawamba) sollte das Leitprinzip sein.

Zwischen dem international-rechtlichen und dem politischen Rahmen: Eine dekonstruierte Bedeutung von „(konfliktbezogener) sexueller Gewalt" und „sexueller Gewalt/Vergewaltigung als Kriegswaffe"

Der Begriff „(Konfliktbedingte) sexuelle Gewalt" umfasst Vergewaltigungen, aber auch andere Handlungen sexueller Natur, die die sexuelle Integrität, sexuelle Autonomie und reproduktive Autonomie einer Person verletzen; darunter fallen Zwangsprostitution, Zwangsschwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere. Beweise für Handlungen sexueller Natur können hierbei ein Anhaltspunkt dafür sein, dass bestimmte Straftaten begangen wurden. Insofern können sexuelle Handlungen ein Hinwies auf Sklavereiverbrechen sein. Die Women Initiatives for Gender Justice haben The Hague Principles on Sexual Violence veröffentlicht, die Jurist:innen, Wissenschaftler:innen und politischen Entscheidungsträger:innen eine Orientierungshilfe für ein besseres Verständnis der verschiedenen Formen sexueller Gewalt bieten, um einen integrativen, auf die Opfer ausgerichteten, zukunftsorientierten und kulturell sensiblen Umgang mit den Verbrechen zu ermöglichen". Das Glossar der FIDH im Zusammenhang mit sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ist für ein Verständnis der wichtigsten Schlüsselbegriffe ein weiteres nützliches Instrument.

Der Oberbegriff „(konfliktbezogene) sexuelle Gewalt" umfasst verschiedene Handlungen, die laut internationalem Strafrecht als strafbar gelten. Obwohl der Begriff praktisch ist, stellt er Gewalt über ihren sexualisierten Charakter in den Vordergrund, und überschattet dabei ihren kriminellen, international geächteten Charakter und verschleiert die Verflechtung zwischen den internationalen (sowohl sexuellen als auch geschlechtsspezifischen) Verbrechen und den strukturellen Ursachen, die solche Verbrechen verursachen. Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) (für einen Überblick, siehe Sexual and Gender-Based Crimes, Observations on the ICC Office of the Prosecutor, Prof. Kim Thuy Seelinger) unterscheidet in ihrem Policy Paper on Sexual and Gender-Based Crimes aus dem Jahr 2014 daher zwischen „Sexualverbrechen” und „geschlechtsspezifischen Verbrechen”.

Man beachte, dass der Begriff „sexuelle Gewalt als Kriegswaffe" bzw. seine vereinfachte Version „Vergewaltigung als Kriegswaffe" nur eingeschränkt sinnvoll und nicht ganz ungefährlich ist. Er setzt nämlich die Existenz eines bewaffneten Konflikts als Voraussetzung für seine (rechtliche) Anerkennung voraus. Der Kontext eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (als Teil eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung) setzt jedoch rechtlich gesehen keinen bewaffneten Konflikt voraus. Sexuelle und geschlechtsspezifische Verbrechen kommen auch in Situationen von Massengewalt vor, in denen es keinen bewaffneten Konflikt gibt, und können als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden. Zweitens lenkt der Begriff unsere Aufmerksamkeit auf den Täter, indem er davon ausgeht, dass die Begehung sexueller und geschlechtsspezifischer Verbrechen in eine militärische Strategie eingebettet ist, und trennt sie so von den vielen hinterlassenen physischen, psychologischen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden im Leben der Opfer und den strukturellen Ursachen der Gewalt, die sie verursacht haben. Wie Regina Mühlhauser im Gespräch mit Marta Havryshko unterstreicht, vereinfacht der Begriff „sexuelle Gewalt als Kriegswaffe die strukturellen Ursachen für sexuelle Gewalt, da sie sowohl von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen als auch von staatlichen Armeen, die in sexuelle Gewalt verwickelt sind, toleriert und intern nicht sanktioniert wird.” Außerdem kann der Ausdruck auch rechtfertigen, dass sexuelle und andere geschlechtsspezifische Verbrechen ausschließlich mit militärischen Reaktionen begegnet werden, anstatt sich mit den Ursachen zu befassen, die historisch dazu geführt haben, dass der Körper von Frauen, Kindern und LGBTQI-Personen immer wieder von staatlichen und nichtstaatlichen bewaffneten Akteuren im Rahmen von "mass violence" angegriffen wird. Außerdem sollten die weitreichenden physischen, psychischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Sexualverbrechen, die die sexuelle Autonomie, sexuelle Integrität und reproduktive Autonomie verletzen, untersucht werden und sektorübergreifend nachhaltige Antworten auf solche Verbrechen gefunden werden. Wenn wir es mit feministischer Außenpolitik oder feministischer Politikgestaltung insgesamt ernst meinen, müssen wir die Opfer und ihre Communities in den Mittelpunkt stellen: Wir müssen ihre Vorstellungen von Gerechtigkeit, Freiheit und Heilung respektieren und gleichzeitig die strukturellen Ursachen von Verbrechen mit heteropatriarchalen, homo- und transphoben, (neo-)kolonialen, rassistischen, kapitalistischen und ableistischen Wurzeln gegen die Menschheit gemeinsam angehen.

Im Streben nach Recht und Entschädigung für Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalttaten im Kontext von Kriegsverbrechen benötigt man in Hinblick auf das Verhältnis zwischen rassistischem Kapitalismus und geschlechtsspezifischer Gewalt aus der Perspektive sozialer Reproduktion, die Kolonialität von Geschlecht, die Kolonialität sexueller Gewalt und abolitionistische Ansätze zur Bekämpfung sexueller Gewalt (auch wenn sie zu strukturellen und inhärenten Spannungen führen können) auch im Bereich der internationalen (Straf-)Justizarbeit Raum zum Atmen und zur Reflektion.

Intersektionalität und Positionierung als Grundpfeiler in der internationalen (Straf-)Justizarbeit

Wie Ralph Wilde darlegt, „beruht das internationale Recht, selbst wenn es vollständig umgesetzt wird, immer noch auf Annahmen, die die Optionen für rechtliche Forderungen unterdrückter Menschen drastisch einschränken." Im Sinne der strafrechtlichen Verantwortbarkeit bietet das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs den rechtlichen Rahmen für die Behandlung von Gräueltaten, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Verbrechen. Dies berücksichtigt die Tatsache, dass die strafrechtliche Verantwortbarkeit zwar eine Form von Gerechtigkeit sein kann, nicht aber die alleinige Form von Gerechtigkeit darstellen muss. Die Unterzeichnerstaaten des Römischen Statuts haben sich verpflichtet, in ihren eigenen Rechtssystemen Gesetze zu erlassen, die internationale Verbrechen im Einklang mit dem Statut innerstaatlich verfolgen. Die Rechtsprechungen beispielsweise der Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda bestätigen, dass sexuelle und geschlechtsspezifische Verbrechen als Völkermord, und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen untersucht und verfolgt werden können. Zunehmend werden Rechtsprechungen aus der Vielzahl von Verfahren abgeleitet, die sich an dem Grundsatz des Weltrechtsprinzips (auch Universalitätsprinzip) orientieren und sich mit sexuellen und geschlechtsspezifischen Verbrechen in einem internationalen Kontext befassen (z. B. im Kontext von Syrien und dem Irak). Recht und Rechtsprechung allein werden jedoch nicht ausreichen. Wir brauchen intersektionale Ansätze, die nicht nur den Weg für die adäquate Anwendung und Auslegung des Gesetzes weisen (Artikel 21 (3), Römisches Statut), sondern auch, dass Intersektionalität und Positionierung zu zentralen Säulen im Ökosystem der internationalen (Straf-)Justizarbeit etabliert werden: vom Zugang zu Vermittler:innen und Zeug:innen bis hin zur Akquirierung und Untersuchung von Beweismitteln. Wir brauchen ein umfassendes Verständnis von Traumata und ihren Auswirkungen auf Körper und Psyche, das in alle Bereiche unserer Arbeit einfließt; wir brauchen Ermittler:innen in der internationalen Strafrechtspflege, die sich proaktiv mit Gender-Analysen und intersektionalen Ansätzen befassen; wir brauchen eine effektive Zusammenarbeit mit Staaten und anderen Akteur:innen, die den Zugang und die notwendigen Ressourcen bereitstellen, sowie eine enge und vertrauliche Zusammenarbeit mit Organisationen und Strukturen, die die Opfer ganzheitlich unterstützen und dabei die physischen, psychischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Sexualverbrechen berücksichtigen.

Intersektionalität oder intersektionale Ansätze zur Untersuchung und Verfolgung internationaler Verbrechen sind wichtig, weil sie sich der Universalität widersetzen und stattdessen Raum für Pluralität schaffen. Was will ich damit sagen? Intersektionalität, die ihre Wurzeln im schwarzen feministischen Aktivismus und der schwarzen feministischen Rechtstheorie und -praxis hat, ist eine Methodologie, die multiple Realitäten sichtbar macht, und hervorhebt, dass die Schäden durch und die Ursachen für die Begehung von Verbrechen multidimensional sind. Diese Einsicht ist notwendig, um wertvolle Beweise zu sammeln, Prozesse zu dokumentieren und einen strukturellen Wandel zu bewirken. Patricia Viseur Sellers zufolge „sind es in Wahrheit die kollektiven Schäden, die das internationale Strafrecht zu begrenzen versucht" (...), wobei der „Schutz des Kollektivs" das „Rückgrat des internationalen Strafrechts" darstellt. Demnach befasst sich das internationale Strafrecht zwar in erster Linie mit den Gruppen, die es schützen soll, jedoch gibt es innerhalb dieser geschützten Gruppen Personen, die Gewalt und ihre Auswirkungen anders erfahren, und deren Erfahrungen genauso wahrgenommen und berücksichtigt werden müssen. Sellers unterstreicht, dass das internationale Strafrecht diese Personen theoretisch in den Begriff des Kollektivs einbeziehen muss und daraus nicht ausschließen kann (Gendered Intersections of Human Rights and International Criminal Law, Patricia Viseur Sellers). Nikita Dhawan und Maria do Mar Castro stellen unter Bezugnahme auf Butler fest, dass „Interessenspolitik nicht nur die Wahrnehmung verschiedener Formen von Unterdrückung verhindert und Unterdrückung hierarchisiert, sondern auch das Geschlecht essentialisiert", während sie Intersektionalität als „korrigierende Methodologie" betrachten, die untersucht, „warum bestimmten Benachteiligungen in bestimmten Situationen und in bestimmten Kontexten mehr Bedeutung beigemessen wird als anderen." Jennifer Nash unterscheidet kritisch: „Während Diversität ein Projekt zur Inklusion von Körpern ist, ist Intersektionalität ein Projekt gegen jegliche Form der Unterdrückung, das sich verschrieben hat, Exklusion hervorzuheben."

Intersektionalität erfordert daher, dass wir Fragen zu den vorherrschenden Macht- und Unterdrückungssystemen stellen: in welchem Kontext werden die Verbrechen begangen? In was für einer Lage befinden sich die Betroffenen? Und unter welchen Bedingungen arbeiten die Individuen, Organisationen, Institutionen und Gremien, die mit der internationalen (Straf-)Justizarbeit betraut sind - also die an der Stelle arbeiten, wo Beweise gesammelt und ausgewertet werden und wo das Gesetz ausgelegt und angewendet wird? Beispielsweise gibt es strukturelle Gründe, die die Wahrnehmung der Menschen, was Gewalt ist (z.B. sexuelle Gewalt = Vergewaltigung) und wie ein internationales Verbrechen aussieht (Massentötung durch cis-männliche Körper), beeinflussen und vorbestimmen. „Weiße Vorherrschaft”, sowie koloniale und heteropatriarchale Denkmuster sind entscheidende Faktoren, die Verbrechen in eine Hierarchie einordnen, durch die manche Verbrechen als einfacher zu verfolgen eingestuft werden als andere, oder denen bestimmte Vorurteile zugrunde liegen. In Frames of War - When Is Life Grievable? merkt Judith Butler an, dass „wir uns den Krieg so vorstellen können, dass er Menschen in beklagenswert und nicht-beklagenswert unterteilt. Ein nicht-beklagenswertes Leben ist eines, das nicht beklagt werden kann, weil es nie gelebt hat, das heißt, es hat nie als Leben gezählt."

Feministische Führung und feministische (Außen-)Politik: Gemeinsam Brücken bauen

Um auf die oben genannten Herausforderungen zu reagieren, sind alle Mitwirkenden in der Justiz - unabhängig von ihrem Rang oder ihrem Beitrag zur internationalen (Straf-)Justizarbeit - eingeladen, von den Praktiken der feministischen Führung und der feministischen (Außen-)Politik zu lernen. Beide Perspektiven sind notwendig, um die strukturellen Ursachen von sexuellen und geschlechtsspezifischen Verbrechen im Kontext von Massengewalt und Gräueltaten nachhaltig anzugehen und zu verändern. Staaten, die sich insbesondere auf der internationalen Bühne für die Bekämpfung "konfliktbezogener sexueller Gewalt" einsetzen, sich aber der feministischen Führung oder feministischen (Außen-)Politik nicht verpflichtet haben, widersprechen sich selbst: Es ist scheinheilig zu behaupten, man habe den Fluss überquert, ohne aber die Brücke dafür gebaut zu haben. Diese Brücke kann nicht aus der kolonialen, von weißer Vorherrschaft geprägten Motivation heraus gebaut werden, „historisch und systematisch unterdrückte Körper und ihr Leiden" als „Teil eines ‘Anerkennungs-Rituals’ historischer Gewalt” zu betrachten, was dann die Folgen dieser Gewalt tatsächlich nur verstärken", während „die Vorstellung, die unterdrückerischen Strukturen, von denen sie weiterhin profitieren, tatsächlich abzubauen, in den Hintergrund rückt." (The Commodification of Trauma, Sadaf Javdani)

Srilatha Batiwala versteht feministische Führung „als einen Prozess, in dem wir uns selbst, unsere Communities und die Welt im weiteren Sinne verändern, um eine feministische Vision von sozialer Gerechtigkeit zu verwirklichen. Es ist ein Prozess, in dem wir an der Umsetzung der feministischen Vision einer gewaltfreien, diskriminierungsfreien Welt arbeiten. (...) Es geht darum, andere für diesen visionären Wandel zu mobilisieren.” Als Praktizierende, insbesondere solche, die weiß und/oder privilegiert sind, müssen wir uns fragen, welche Rolle wir beim Bau dieser Brücke eigentlich spielen. Wenn wir so tun, als ob die Transition bereits geschehen sei, ohne die Kosten auf diejenigen zu berücksichtigen, die mit den langfristigen Folgen von Gewalt für den Rest ihres Lebens zu kämpfen haben, müssen wir unsere eigene Mitschuld in diesem Prozess hinterfragen.

In "Practicing Feminist Foreign Policy in the Everyday: A Toolkit" identfiziert die WILPF (1) Intersektionalität, (2) reflexives Empathievermögen, (3) grundlegende Repräsentation und Partizipation, (4) Rechenschaftspflicht und (5) aktives Friedensengagement fünf Werte, die für die Formulierung einer feministischen und ethischen außenpolitischen Agenda unabdingbar sind. Miriam Mona Mukalazi, Politikwissenschaftlerin und Aktivistin, reflektiert über feministische Außenpolitik, und unterstreicht, dass „wir uns folgende Frage stellen müssen:                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Wer definiert, was Frieden für wen bedeutet? Welche Formen von Gewalt werden als Gefahr für den Frieden anerkannt und wieso?"

In den vergangenen 22 Jahren hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zehn Resolutionen verabschiedet (nämlich 1325, 1820, 1888, 1889, 1960, 2106, 2122, 2242, 2467 und 2493) - auch bekannt als die Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit -, die sich unter anderem mit sexuellen und geschlechtsspezifischen Verbrechen im Kontext von Konflikten und Massengewalt befassen. Es scheint ein multilateraler Konsens darüber zu bestehen, dass sexuelle und geschlechtsspezifische Straftaten eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit darstellen. Gleichzeitig fehlt bis heute ein ernstzunehmendes Engagement für die Bewältigung langfristiger Folgen von sexuellen und geschlechtsspezifischen Verbrechen. Die Versuche, sich ganzheitlich auf politische Maßnahmen als Reaktion auf sexuelle und geschlechtsspezifische Verbrechen zu einigen, haben den kontinuierlichen, weltweiten Angriff auf die Körper von Frauen, Trans- und queeren Personen und folglich auf die sexuellen und reproduktiven Gesundheitsrechte von Opfern sexueller und geschlechtsspezifischer Verbrechen ans Licht gebracht.

Der Weg zum Ziel ist zwar lang, aber am Horizont zeigen sich Hoffnungsschimmer, denen wir folgen müssen. 1984 schrieb Bell Hooks, die diesen September 70 Jahre alt geworden wäre, in Feminist Theory: From Margin to Center, dass „sich das feministische Denken und die feministische Praxis grundlegend änderten, als radikale farbige Frauen und weiße weibliche Verbündete begannen, die Vorstellung, dass das Geschlecht der wichtigste Faktor sei, der das Schicksal einer Frau bestimmt, rigoros in Frage zu stellen." Tjeu Cole gibt uns einen Leitfaden an die Hand, wenn sie uns daran erinnert, unsere eigene Verstrickung „in die transnationalen Netzwerke unterdrückerischer Praktiken" zu hinterfragen. In ihrem Learning Brief: Feminism, Racism and Intersectionality unterstreicht die Coalition of Feminists for Social Change (COFEM), dass die Prävention von und der Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt „von weißer, westlicher feministischer Ideologie und Praxis" dominiert wird - und es versäumt, „eine nuancierte und feministische Analyse der gleichzeitig auftretenden Probleme von ‘Rasse’, Ethnizität, Sexualität, Klasse, und des historischen Kontextes/Kolonialismus für nicht-weiße Frauen auf der ganzen Welt zu bieten." Zudem räumt sie ein, dass es „fokussierter und langfristiger Anstrengungen bedarf, um die Vorurteile, subjektive Perspektiven oder blinden Flecken in Bezug auf Feminismus, Rassismus und Intersektionalität zu verlernen und zu verstehen.” Sie regt uns dazu an, „Geduld mit dem Prozess” zu haben, „sich in der Selbst- und Kollektivpflege” zu engagieren und sich „mit einer unterstützenden Community" zu verbinden.

Dieser Tag, der der dringend notwendigen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gewidmet ist, soll eine (erneute) Einladung an uns selbst sein, uns auf die lebenslange Reise des (Ver-)Lernens und der Selbstbefragung einzulassen. Denn wie Leila Billing schreibt, „sind wir zwar alle in benachteiligende Systeme verstrickt, (...) aber das bedeutet nicht, dass wir alle gleichermaßen dafür verantwortlich sind, sie zu verändern.” Und doch erinnert sie uns daran, „dass keiner von uns einen Standpunkt beanspruchen kann, der frei von Mitschuld ist. Aufgrund der Verflechtung unserer Gesellschaften sind wir womöglich alle in genau die Systeme verwickelt, die wir angeblich abzuschaffen versuchen.”


Alexandra Lily Kather (sie/sie) ist Praktikerin für internationale Gerechtigkeit und Mitbegründerin des emergent justice collective. Ihr spezielles Interesse gilt dem Verständnis und der strategischen Untersuchung der intersektionalen Dimensionen der internationalen Kernverbrechen. Ihre Arbeit an der Seite betroffener Gemeinschaften folgt einem traumainformierten, intersektionalen Ansatz, der sich mit der Entwicklung von Lösungen beschäftigt, die auf Gleichheit, Heilung, Gerechtigkeit und Befreiung ausgerichtet sind. Sie haben mit dem Center for Justice and Accountability, Human Rights Watch, dem European Center for Constitutional and Human Rights, dem International Truth and Justice Project (Sri Lanka), dem International Law Programme at Chatham House und dem Atlantic Council zusammengearbeitet.