Die Verantwortung für den Bereich Wirtschaft und Klimaschutz im Bund sowie in vielen Landesregierungen führt dazu, dass grüne Politik daran gemessen wird, eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft rasch auf den Weg zu bringen und gleichzeitig für eine gesellschaftliche Akzeptanz dieses Projekts zu sorgen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Rahmenbedingungen für diese Transformation in erheblichem Maße verändert. Im Rahmen ihrer Neujahrtagung diskutierte die Grüne Akademie, welche Rolle wirtschaftliche Akteure für eine umfassende Transformation spielen und wie sich die Zusammenhänge der globalen Politik und Ökonomie auf die Spielräume nationalen Regierungshandelns auswirken.

Den Eröffnungsvortrag hielt der Soziologe Heinz Bude (Universität Kassel & Grüne Akademie). Dabei entwarf er vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges eine pointierte Gegenwartsdiagnose. Die Situation sei zum einen durch De-Globalisierung und Hegemonialkonflikte gekennzeichnet und zum anderen durch eine Re-Materialisierung der Ökonomie, deren Digitalisierung ihren Höhepunkt überschritten habe. Angesichts der enormen Herausforderungen für die Weltgesellschaft wie auch die Nationalstaaten erscheine es analytisch sinnvoll, den Transformationsbegriff durch einen Adaptionsbegriff zu ergänzen. Im Falle Deutschlands bedeute diese Adaptation neben den ökologischen, ökonomischen und sicherheitspolitischen Gegebenheiten auch die Anpassung an den für die nächsten Jahrzehnte unumkehrbaren demografischen Wandel. Angesichts dieser adaptiven Herausforderungen und einer gleichzeitig stark vernetzten Gesellschaft sei das vieldiskutierte Problem der Exklusion nicht mehr so zentral wie noch vor einigen Jahren – die Menschen, nicht zuletzt die Unternehmer:innen und die gut qualifizierten Fachkräfte fühlten sich nicht ausgeschlossen. Angesichts der enormen Anpassungszwänge dominiere gegenwärtig das Gefühl des Alleingelassenseins.
Im Anschluss an die Eröffnungsdiskussion boten drei Themenforen den Mitgliedern der Akademie die Gelegenheit, ökologische, technologische und theoretische Fragen weiter zu vertiefen.
Im ersten Themenforum diskutierten die Mitglieder mit Michael Knoll (VBKI & Grüne Akademie) über ökonomische Wertschöpfungsmodelle der Zukunft und technologische Innovationen sowie die dafür notwendigen politischen Rahmensetzungen. In einem zweiten Themenforum setzten sich Eva Buddeberg (Goethe-Universität Frankfurt & Grüne Akademie) und Karena Kalmbach (Futurium & Grüne Akademie) gemeinsam mit den Mitgliedern mit neueren philosophischen Beiträgen zur Krise des Wohlstandsversprechens auseinander. Im dritten Themenforum diskutierten die Mitglieder mit Melanie Müller (Stiftung Wissenschaft und Politik & Grüne Akademie) am Beispiel Chinas, mögliche Strategien der Diversifizierung im Umgang mit ökonomischen Abhängigkeiten von autoritären Staaten.
In die zweite Plenardebatte führten Silke Krebs (Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, NRW & Grüne Akademie) und Osman Dumbuya (CEO Incari GmbH) ein. Dabei fragten sie nach der Rolle wirtschaftlicher Akteure in der grünen Transformation sowie den Anforderungen, die innovative Unternehmer:innen an grüne Regierungspolitik stellen. Die Diskussion verdeutlichte, wie zentral die Faktoren der Geschwindigkeit einerseits und der Regulierung andererseits sind. Von der Automobil- und Digitalbranche bis zur Stahl- und Chemieindustrie stehen die Akteure unter Zeit- und Anpassungsdruck. Um nicht den Anschluss zu verlieren und die doppelte Herausforderung von De-Carbonisierung und Energiekrise zu meistern, müssen Unternehmen ihre Innovationen schneller aus der Start-Up-Phase in die Breite bringen. Die Politik kann hier neben der staatlichen Innovationsförderung besonders durch Regulierung, die Standards verbindlich setzt und Zielkonflikte zwischen Gemeinwohlorientierung und Profit entscheidet, wichtige Weichenstellungen vornehmen. Gemeinsame Herausforderung für die Akteure ist es, gesellschaftlich tragfähige Bilder und Narrative für eine Transformation der Wirtschaft zu entwickeln.