Geogener Wasserstoff, auch bekannt als „weißer“ oder „natürlicher“ Wasserstoff, rückt zunehmend ins Zentrum der Diskussion um alternative Energiequellen. Dieses natürlich vorkommende Gas, das tief in der Erde durch geologische Prozesse entsteht, könnte eine kostengünstigere und energieeffizientere Alternative zu „grünem“ Wasserstoff darstellen, der aus erneuerbarem Strom gewonnen wird. Doch um das Potenzial dieser Ressource voll auszuschöpfen, sind noch erhebliche soziale, ökologische, technische und politische Herausforderungen zu bewältigen.
Die Rolle von Wasserstoff bei der Bekämpfung der Klimakrise
Der rasche Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bleibt eine der drängendsten Aufgaben im Kampf gegen die Klimakrise. Besonders in schwer elektrifizierbaren Sektoren wie der Stahlproduktion wird Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen.
Bislang stand in der Energiewende vor allem „grüner“ Wasserstoff im Fokus. Dieser wird durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt, was jedoch teuer ist und sowohl Erzeugerländer als auch lokale Gemeinschaften vor Herausforderungen stellt. Hier könnte geogener Wasserstoff ins Spiel kommen: Als natürlicher Rohstoff, der ohne externe Energie produziert wird, verspricht er geringere Produktionskosten und einen niedrigeren Energiebedarf. Sein Weg von der Entdeckung zur großtechnischen Nutzung bleibt jedoch lang und komplex.
Geogener Wasserstoff entsteht auf natürliche Weise durch geologische Prozesse wie Serpentinisierung (Mineralien reagieren mit Wasser) und Radiolyse (Strahlung spaltet Wassermoleküle). Über Jahrtausende sammelt er sich in unterirdischen Reservoiren an und tritt gelegentlich in Phänomenen wie den „Ewigen Flammen“ in der Türkei zutage.
Obwohl geogener Wasserstoff als vielversprechend gilt, ist die Forschung dazu noch begrenzt. Eine großtechnische Produktion wird frühestens ab 2040 erwartet. Für kurzfristige Dekarbonisierungsziele ist diese Ressource daher keine Lösung, bleibt jedoch langfristig eine interessante technologische Perspektive.
Ein globaler „Goldrausch“: Geogener Wasserstoff im Fokus der Exploration
Das wachsende Interesse an geogenem Wasserstoff hat eine regelrechte Erkundungswelle ausgelöst. Regionen wie Mali, Albanien, Frankreich und Australien gelten als besonders vielversprechend. Länder wie Frankreich und Spanien haben ihre politischen Rahmenbedingungen bereits angepasst, um die Gewinnung zu fördern. Deutschland bleibt dagegen vorsichtig und verweist auf rechtliche Unsicherheiten und ökologische Risiken.
Doppelte Chance: Wasserstoff und Geothermie
In geothermischen Hotspots wie Island oder Ostafrika könnte geogener Wasserstoff gemeinsam mit geothermischer Energie gefördert werden. Derzeit wird dieser Wasserstoff oft ungenutzt in die Atmosphäre freigesetzt. Zukünftige Ansätze könnten eine gleichzeitige Nutzung ermöglichen, die Kosten senken und zur Dekarbonisierung beitragen – vorausgesetzt, dies geschieht nachhaltig.
Sozial-ökologische Risiken des geogenen Wasserstoffs
Trotz seines Potenzials birgt die Gewinnung von geogenem Wasserstoff erhebliche soziale und ökologische Risiken:
Leckagen und Treibhausgase: Aufgrund ihrer geringen Molekülgröße kann Wasserstoff leicht entweichen und als indirektes Treibhausgas wirken. Begleitgase wie Methan oder Schwefelwasserstoff könnten ebenfalls austreten und lokale Ökosysteme schädigen.
Boden- und Wasserbelastung: Die Umweltgefahren beim Bohren nach geogenem Wasserstoff ähneln denen der Erdgasförderung und des Frackings. Exploration und Infrastruktur können Böden massiv beeinträchtigen, und der hohe Wasserbedarf birgt das Risiko von Wasserverschmutzung und -knappheit, insbesondere in wasserarmen Regionen.
Um diese Risiken zu minimieren, sind strenge Umweltauflagen, effektive Managementstrategien und klare gesetzliche Regelungen unerlässlich.
Eine Ressource mit großen Unbekannten
Geogener Wasserstoff könnte als Ergänzung zu „grünem“ Wasserstoff eine wichtige Rolle in der Energiewende spielen. Doch viele Fragen bleiben offen: Wie sozial und nachhaltig ist die Förderung? Welche sozio-ökologischen Auswirkungen hat sie auf Grundwasser, lokale Ökosysteme und die Bevölkerung? Und wie können die notwendigen Technologien skaliert werden?
Um die Potenziale dieser Ressource zu erschließen, sind erhebliche Fortschritte in der Forschung und unterstützende politische Rahmenbedingungen erforderlich. Nur so lassen sich die technischen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen.