„Klimaneutral muss einfach und normal werden“

Interview

Bonn4Future gilt als ein bundesweit vorbildlicher Beteiligungsprozess. Mehr als 200 Personen aus der Stadtgesellschaft haben am Klimaplan mitgewirkt, der Bonn bis zum Jahr 2035 klimaneutral machen soll. Wir sprachen mit Dr. Gesa Maschkowski, Projektleiterin von „Bonn4Future – Wir fürs Klima“.

Lesedauer: 3 Minuten
Große Gruppe von Menschen winkt in die Kamera, stehend hinter zwei Bannern mit Aufschrift „Bonn4Future – Wir machen Wandel“.
Teaser Bild Untertitel
Bonn4Future: Klimaforum

„Bonn4Future“ gilt als beispielgebend für Bürgerbeteiligung. Was hat das Projekt so besonders gemacht?

Das Mitwirkungsverfahren entstand 2019 aus einer besonderen Dynamik heraus. In Bonn gab es eine starke Fridays-for-Future-Bewegung und es war Wahlkampf. In dieser Situation traf der Bonner Stadtrat mit großer Mehrheit die Entscheidung, dass die Stadt spätestens 2035 klimaneutral werden soll. Bonn im Wandel e.V. nahm den Beschluss ernst und beantragte die Beteiligung der Bürger*innen.

Ein Großteil der Bonner Zivilgesellschaft stand hinter uns, ebenso wohlwollende und erfahrene Personen in der Stadtverwaltung. Im Herzen des Mitwirkungsprozesses standen die vier großen Klimaforen. Wir haben viel Know-how und Zeit investiert, um zu veranschaulichen, wie das Leben im Jahr 2035 aussehen wird: Wie wir wohnen, arbeiten, essen und unterwegs sein werden, wenn wir die Treibhausgase um 93 Prozent reduziert haben – und zwar sieben- bis zehnmal schneller als bisher. Denn das bedeutet Klimaneutralität 2035. 

Abschlussvorstellung
Katja Dorner und Dr. Gesa Maschkowski bei der Abschlussvorstellung.

Dieser Wissensaufbau war eine Besonderheit von „Bonn4Future“. Daran fehlt es häufig. Auf dieser Basis haben die Teilnehmenden dann 37 Klima-Aktionspläne erarbeitet. Sie beschreiben in sieben Handlungsbereichen, wie es gelingen kann, dass die Mehrheit der 330.000 Bonner*innen den Weg in die klimaneutrale und lebenswerte Stadt engagiert mitgestaltet.

Wie kam es, dass Sie sich ehrenamtlich so intensiv für Klimaneutralität engagieren, und was braucht es dafür?

Mir war klar, dass sich das Gelegenheitsfenster wieder schließt, wenn wir es nicht nutzen. Wir haben daher mit Vertreter*innen aus allen Parteien, vielen Initiativen, der Wirtschaft und mit der Wissenschaft gesprochen und auf dieser Basis das Mitwirkungskonzept inklusive Finanzierungs- und Projektplan entwickelt. Ohne diese kostenfreien Vorarbeiten hätte es „Bonn4-Future“ nicht gegeben. Erst dann beschloss der Stadtrat mit großer Mehrheit die Förderung. Man kann aber nicht erwarten, dass ein gemeinnütziger Verein ein Jahr lang unentgeltlich hochprofessionelle Arbeit abliefert. Wer gute Verfahren will, muss auch in ihre Konzeption investieren, sonst bekommt man Beteiligung von der Stange.

Dr. Gesa Maschkowski sitzt auf einem Stuhl vor einer mit Zetteln beklebten Wand.

Dr. Gesa Maschkowski ist Transformationswissenschaftlerin, Autorin und Moderatorin. Sie hat Bildungs- und Kommunikationsprojekte mitgegründet, darunter die Transition-Town-Initiative „Bonn im Wandel“. Das Beteiligungsprojekt „Bonn4Future“ wurde von ihr konzipiert und ebenfalls geleitet. 

Maschkowski ist zudem Ökotrophologin und setzt sich für eine nachhaltige Ernährungskultur ein. Jüngst war sie Teil des Teams, das im Frühjahr 2025 die Konferenz „Wasser, Klima, Gerechtigkeit“ organisierte, an der mehr als 300 Menschen aus über 60 Gruppen und zehn Ländern teilnahmen.

Welche der im Mitwirkungsprozess gefundenen Lösungen hat Sie selbst überrascht?

Erst einmal ist es nicht ungewöhnlich, dass Bürger*innen kluge Empfehlungen erarbeiten, das sieht man an den vielen Bürgerräten bundesweit. Es reicht aber nicht, 200 Personen zu beteiligen und ihre Vorschläge in den Klimaplan aufzunehmen, auch wenn das ein wichtiger Schritt war. Das Wichtigste, was wir aus „Bonn4Future“ lernen können, ist, dass wir diese Form der gemeinsamen Gestaltung in der ganzen Stadt vervielfältigen müssen. Die Teilnehmenden empfahlen wiederholt: „Bonn4Future in jedem Quartier“ – mit Transformationszentren und qualifizierten Personen, die Bewohner*innen zusammenbringen. 

Die Personen sollen die Bedarfe der Menschen analysieren, ein Wir-Gefühl schaffen und die Stadt beim Umbau der Mobilitäts-, Energie und Ernährungsversorgung unterstützen. Ich halte diese Empfehlung für genial. So wird Transformation machbar, inklusiv und demokratisch und verstärkt die Wirkung von städtischen Maßnahmen.


Das Interview führte Jörg Staude.

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