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Klimawandel, Umweltzerstörung, Korruption: Hausgemachte Ursachen verschärfen Dürre und Ernährungskrise in Kenia

Kind in Nairobi. Foto: subcomandanta. Dieses Foto steht unter einer Creative Commons-Lizenz.

13. Januar 2010
Von Axel Harneit-Sievers
Von Dr. Axel Harneit-Sievers

Kenias Nahrungsmittelvorräte laufen im April aus: Mit dieser Nachricht schreckte das Frühwarnsystem FewsNet wenige Tage vor Weihnachten die Einwohner Kenias auf, die gerade noch gehofft hatten, man sei auf dem bestem Wege, die Folgen der schwersten Dürre seit Jahren zu überwinden.

Zwar ist der Preis für Mais – das Grundnahrungsmittel in weiten Teilen des östlichen und südlichen Afrika – wieder etwas gesunken. Der Regen fällt wieder, und die nächste Ernte steht bevor.

Zugleich aber bleiben Millionen Menschen im Land auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Am stärksten betroffen sind die Armen in den Städten, die über kein Land zum Anbau verfügen und vielfach über zwei Drittel ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, aber auch Schulkinder und chronisch Kranke. In seiner Rede zum Unabhängigkeitstag am 12. Dezember bezifferte Kenias Präsident Mwai Kibaki die monatlichen Ausgaben der Regierung für Nahrungsmittelhilfen an 4,5 Millionen Menschen auf über 2 Mrd. Shilling (rund 20 Mio. Euro). Dazu kommen Leistungen von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen.

Ursachen der Ernährungskrise

Eine nachhaltige Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht. Die Ursachen der Ernährungskrise in Kenia sind vielfältig. Auf einige von ihnen hat die Regierung Kenias kaum einen Einfluss. Darunter steht der globale Klimawandel an erster Stelle, der sich in den letzten Jahren mit häufigen Dürreperioden und unzuverlässiger werdenden Regenzeiten bemerkbar gemacht hat. Aber er führt auch zu plötzlichen Überflutungen, die – wie in den vergangenen Wochen –Todesopfer fordern, die Infrastruktur zerstören und die Maisernte gefährden.

Gemeinsam mit Regierungschefs anderer afrikanischer Staaten rief Kenias Premierminister Raila Odinga auf dem Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember denn auch eindringlich zum Abschluss eines bindenden Abkommens zur Verringerung von CO2-Emissionen weltweit und zur Bereitstellung umfangreicher Mittel zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Afrika auf.

Umweltminister John Michuki stellte in Kopenhagen Kenias soeben fertiggestellte „Climate Change Response Strategy“ vor, die die Anpassungskosten für das Land auf aktuell 3 Mrd. US-Dollar pro Jahr beziffert. Im Jahr 2030 sollen es 20 Mrd. US-Dollar werden.

Auch auf die Weltmarktpreise hat Kenias Regierung kaum Einfluss. Als 2008 aufgrund gestiegener Ölpreise und rasant wachsender Nachfrage nach Biokraftstoffen auch in Kenia die Nahrungsmittelpreise explodierten, führte dies zu einer Inflation von fast 30 Prozent. Andere Gründe für die Verschärfung der Ernährungskrise in Kenia sind jedoch hausgemacht.

Kenias Anteil an der Verschlechterung der Ernährungssituation

Anfang 2008 ging nach umstrittenen Präsidentschaftswahlen eine Welle der Gewalt über das Land, die Hunderttausende zu Flüchtlingen machte. Der Agrarexperte Booker Owuor, der für die Heinrich Böll Stiftung in Nairobi Studien zur Lage im Maissektor durchführte, schätzt, dass aufgrund der Unruhen die Maisproduktion zu bis einem Drittel einbrach. Auch heute leben zahlreiche Flüchtlinge, die bislang nicht auf ihr Land zurückkehren konnten und keine Alternativen haben, noch immer unter prekären Bedingungen in Übergangslagern.

Die Landfläche Kenias ist größer als die Frankreichs, aber weniger als ein Sechstel davon ist für landwirtschaftlichen Anbau überhaupt geeignet und nur 7-8 Prozent gelten als gutes Agrarland. Ungleiche Landverteilung und starkes Bevölkerungswachstum führen zum Raubbau an der Umwelt. Kleinbauern und Großgrundbesitzer haben Waldschutzgebiete in Ackerland verwandelt und gefährden so die Wasserversorgung und damit auch die Landwirtschaft ganzer Landesteile.

Versuche Kenias, die Krise zu bewältigen

Premierminister Odinga lässt aus diesem Grund derzeit illegale Siedlungen und Plantagen im Mau Forest, einem der vier „Wassertürme“ des Landes, räumen. Er geht damit hohe politische Risiken ein, denn zu den Betroffenen zählen einflussreiche Politiker wie der ehemalige Präsident Daniel arap Moi.

Das im August 2009 gestartete Konjunkturprogramm soll auch die lange vernachlässigte Bewässerungslandwirtschaft wiederbeleben, um die die Abhängigkeit von unzuverlässig gewordenen Regenfällen und austrocknenden Wasserläufen zu verringern. Bis zum Frühjahr 2010 soll die bewässerte Fläche auf 400.000 Hektar mehr als verdreifacht werden.

Eine Pauschalkritik an der kenianischen Regierung ist nicht gerechtfertigt: Über Nahrungsmittelhilfen hinaus versucht sie durchaus, die strukturelle Ernährungskrise anzugehen. Doch werden positive Ansätze immer wieder durch Sonderinteressen, Ineffizienz staatlichen Handelns sowie Korruption konterkariert.

Im Herbst 2008 subventionierte die Regierung einige Monate lang den Import und die Distribution von Mais, doch erreichte wenig davon die die wirklich Bedürftigen. Stattdessen blieben stattliche Gewinnmargen bei dubiosen Zwischenhändlern und Mais-Mühlen hängen. Zugleich kamen subventionierte Düngemittel oft zu spät bei den Bauern an. Der für das Import-Desaster verantwortliche Landwirtschaftsminister William Ruto überstand dennoch ein parlamentarisches Misstrauensvotum.

Die Mais-Vermarktung dient den großen Produzenten

Der auch im regionalen Vergleich hohe Mais-Preis in Kenia geht auf Kosten der armen Bevölkerungsgruppen. Doch profitiert nicht einmal die Mehrheit auf dem Lande, denn viele Kleinproduzenten müssen, übers Jahr gerechnet, Mais zukaufen.

Die Preispolitik des staatlichen Maisvermarkters „National Cereals and Produce Board“ (NCPB), offiziell auf Stabilität angelegt, kommt in der Realität vor allem der sehr kleinen Gruppe großer Maisproduzenten zugute, wie eine im Dezember veröffentlichte Studie der Weltbank feststellte.

Booker Owuor ist nicht überrascht: „Diese großen Farmer sitzen in den Gremien des NCPB  und verfolgen natürlich keine Politik, die ihren eigenen Interessen widerspricht. Die kleinen Bauern klagen seit langem darüber und fordern eine faire Vertretung im NCPB, was die gegenwärtigen Direktoren aber immer unter den Teppich kehren.“

Die Rufe nach einer Reform der Agrarpolitik und speziell der Mais-Vermarktung in Kenia werden lauter. Es gilt dabei, die Erzeugerpreise im Interesse der armen Bevölkerungsmehrheit zu gestalten und zugleich Kleinbauern durch verbesserte Infrastruktur, gezielte Subventionen etwa für Dünger und den Ausbau von Beratungsdiensten zu unterstützen, ohne die Produktion der großen Farmer zu gefährden. Parallel könnten Einfuhrerleichterungen und Zollsenkungen das Preisniveau verringern.

All dies zu erreichen, ohne zugleich neue Gelegenheiten für korrupte Praktiken in den mit der Reform befassten staatlichen Institutionen zu schaffen, stellt unter kenianischen Bedingungen eine echte Herausforderung dar.

Dr. Axel Harneit-Sievers leitet das Regionalbüro Ostafrika/Horn von Afrika der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi.

Studie

Im Oktober 2009 hat das Regionalbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi die Studie (engl.) "Maize, The Troubled Subsector: Is Our Path Worthwhile?  veröffentlicht.