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Indisch-Pakistanische Konferenz: Eine Roadmap Richtung Frieden

Lesedauer: 8 Minuten
Ayesha Siddiqa, Amitabh Mattoo, Asma Jehangir und Rajiv Sikri auf dem Podium.

16. Februar 2010
Seit dem Ende der britischen Kolonialzeit befinden sich Indien und Pakistan in einem Konflikt miteinander, der bereits vier Kriege zur Folge hatte. Nur wenige regionale Konflikte waren von so langer Dauer wie der indisch-pakistanische Konflikt vor allem um das umstrittene Gebiet von Jammu und Kaschmir.

In Kooperation mit den Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Delhi und Lahore kamen auf Initiative indischer und pakistanischer NGOs im Januar 2010 Vertreter der Zivilgesellschaften beider Länder zu einer Friedenskonferenz in Delhi zusammen, der Indo-Pakistan Peace Conference. Nach Abbruch der offiziellen Friedensverhandlungen zwischen Indien und Pakistan nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 saßen damit erstmals wieder Repräsentanten beider Seiten an einem Tisch. Sie fordern die Wiederaufnahme der Regierungsgespräche und einen Fahrplan zur bilateralen Versöhnung und regionalen Stabilität.

Die Konferenz wurde organisiert von:

Weitere Informationen zum Verlauf der Konferenz, sowie zur Medienresonanz in beiden Ländern finden Sie auf den Websites der Auslandbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Lahore und Delhi.

The declaration is also available in English.

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Abschlusserklärung der Konferenz "A Road Map Towards Peace"

Die Debatten und Zwiegespräche auf der Konferenz „A Road Map Towards Peace“ in Neu Delhi haben gezeigt, wie sehr sich die Zivilgesellschaft und die Bürger Indiens und Pakistans für Frieden in der Region aussprechen. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter aus der Politik aus beiden Staaten haben an der Konferenz teilgenommen. Sie vertreten zahlreiche Menschen, die alle dazu bereit sind, sich für eine dauerhafte und nachhaltige Friedenslösung zwischen beiden Ländern einzusetzen.

Wir glauben, dass die Chancen, dies zu erreichen, nie so groß waren wie heute. Die folgenden Vorschläge sind der aufrichtige Versuch, Freundschaft, Dialog und die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern zu fördern.

Diese Konferenz ist kein isoliertes Ereignis. Die Teilnehmenden haben beschlossen, sich in Arbeitsgruppen weiter mit den wichtigsten Fragestellungen zu beschäftigen, um die Ergebnisse der Konferenz weiter voranzutreiben.

Ein Leitfaden, um Frieden zu schaffen

1. Friedensgespräche

  1. Der Dialog muss wieder aufgenommen, der Friedensprozess fortgesetzt werden. Sobald dies geschehen ist, muss der Dialog regelmäßig und ununterbrochen fortgeführt werden, gleich wie sich die Verhältnisse zwischen den beiden Ländern entwickeln.
  2. Es muss ein geeigneter Ort nahe der Grenze gefunden werden, an dem die Gespräche regelmäßig stattfinden können.
  3. Inhalte und Ergebnisse der Gespräche müssen weitgehend offen gelegt und den Menschen in beiden Ländern muss Rechenschaft abgelegt werden.
  4. Die verschiedenen Ministerien in Indien, die in die Zusammenarbeit mit Pakistan involviert sind, müssen sich untereinander abstimmen.
  5. Die politischen und militärischen Führungen beider Staaten sollen sich militaristischer und chauvinistischer Äußerungen enthalten.
  6. Vertrauensbildende Maßnahmen: Seit langem bestehende Probleme wie Siachin, Sir Creek und die Wullar-Talsperre müssen sofort gelöst werden.
  7. Die Grenze zwischen Indien und Pakistan muss entmilitarisiert werden.

2. Terrorismus

  1. Beide Staaten müssen gemeinsam und vereint den Terrorismus bekämpfen; er stellt für beide Länder ein Problem dar.
  2. Im Rahmen des SAARC-Abkommens von 1987 müssen beide Staaten geeignete Instrumente für den Kampf gegen den Terrorismus schaffen und geheimdienstliches Wissen austauschen.

3. Wirtschaftliche Zusammenarbeit

  1. Waren und Dienstleistungen sollen frei ausgetauscht werden können; gemeinsame Wirtschaftsinitiativen müssen gefördert werden.
  2. Um die Handelsbeziehungen weiter zu verbessern, muss Indien einseitig seine Grenzen öffnen.
  3. Die Zusammenarbeit zwischen von Frauen geführten Initiativen muss ausgebaut und intensiviert werden.
  4. Indien muss aktiv die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern und mit dem Rest Südasiens ausbauen.
  5. Die Zollvorschriften müssen vereinfacht, geschäftliche Visa unkomplizierter vergeben werden.
  6. Arbeitsmigranten sollen sich frei bewegen können.
  7. Es muss am Entwurf eines Wirtschaftsabkommens zwischen Indien und Pakistan gearbeitet werden.
  8. Mehr Filialen indischer und pakistanischer Banken und Finanzinstitute müssen im jeweils anderen Land eröffnet werden.
  9. In Fragen der WTO und dem internationalen Handel müssen beide Staaten verstärkt zusammenarbeiten.

4. Kaschmir

  1. Es muss versucht werden, für dieses zentrale Thema des Indien-Pakistan-Konflikts rasch echte Lösungsmöglichkeiten zu finden.
  2. Zuallererst müssen Indien und Pakistan sich darauf einigen, Jammu und Kaschmir zu demilitarisieren. Die indische Regierung soll den „Armed Forces Special Powers Act“ (der dem indischen Militär Sonderrechte in Unruhegebieten verleiht) außer Kraft setzen.
  3. Truppen müssen abgezogen, und diejenigen, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, bestraft werden.
  4. Demokratische Institutionen müssen gestärkt und ein unabhängiges Tribunal muss eingesetzt werden, um die Einhaltung von Artikel 370 der indischen Verfassung sicherzustellen. Um Vertrauen zu schaffen und als Zeichen des guten Willens, muss Artikel 370 in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt werden.
  5. Die Einwohner Kaschmirs sollen das Recht haben, in Pakistan zu leben und zu arbeiten.
  6. Die Rechte der Minderheiten in Jammu und Kaschmir müssen geschützt werden. Die Bedürfnisse, Meinungen und Erwartungen aller in Jammu und Kaschmir lebenden Menschen müssen berücksichtigt werden, wenn es darum geht, Lösungen zu finden.

5. Medien, Nachrichten und Kultur

  1. Die Medien müssen sich Selbstzensur auflegen, um Hasstiraden und Kriegstreiberei Einhalt zu gebieten.
  2. Nachrichten, Software, Know-how und Wissen sollen frei ausgetauscht werden können.
  3. Die Einfuhr von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen soll uneingeschränkt erlaubt werden.
  4. Chefredakteure wichtiger Medien sollen sich treffen und austauschen, um künftig ultranationalistische Propaganda zu vermeiden.
  5. Medien sollen problemlos Korrespondenten in die Hauptstadt des jeweils anderen Landes entsenden können.
  6. Kulturaustausch zwischen den beiden Ländern soll gefördert und ohne Einschränkung möglich sein.
  7. Bildungswesen: In beiden Ländern sollen die Lehrpläne dahingehend geändert werden, dass Freundschaft, nicht Hass gefördert wird.

6. Visa-Regelungen

  1. Visafreies Reisen in Südasien: Eine Regelung für visafreies Reisen ist oft diskutiert, jedoch nie umgesetzt worden. Strenge Kontrollen sind auch ohne unnötige Beschränkungen möglich.
  2. In allen wichtigen Städten beider Staaten sollen Konsulate eröffnet werden.
  3. Spezielle Einrichtungen für alte Menschen und Kinder unter zwölf Jahren sollen eingerichtet werden.
  4. Freier Austausch der Wissenschaften, von Studierenden und Fachleuten.

7. Atomare Abrüstung

Die Atomprogramme beider Staaten müssen abgerüstet und ein atomwaffenfreies Südasien geschaffen werden. Beide Staaten sollen sich für weltweite Abrüstung einsetzen.

8. Ethnische und Nationalitätenfragen

  1. Beide Länder müssen Anstrengungen unternehmen, um Konflikte in diesen Bereichen zu lösen. Sämtliche Konfliktparteien müssen einbezogen werden.
  2. Es soll versucht werden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenzubringen, damit ein tieferes Verständnis und ein möglicher Konsens zu diesen Fragen erzielt werden kann.
  3. In allen Teilen Indiens und Pakistans muss Platz sein für nationale und andere Minderheiten.

9. Wasser

  1. Wasservorkommen müssen gemeinsam verwaltet werden.
  2. Das Abkommen über das Indus-Wasser von 1960 soll kritisch überprüft werden. Dabei sollen neue Fragestellungen, wie der Klimawandel und seine Auswirkungen, berücksichtigt werden. Grundsatz muss sein, Wasser nicht aufzuteilen, sondern eine gerechte Teilhabe zu erreichen.
  3. Es muss geprüft werden, wie Wasser und Energie am besten so genutzt werden können, dass sie den Menschen beider Länder zugute kommen.

10. Militär und Verteidigung

  1. Die Militärausgaben sollen um mindestens zehn Prozent jährlich heruntergefahren und die freien Mittel für soziale und Entwicklungsprojekte ausgegeben werden.
  2. Um Spannungen abzubauen, müssen sich Militärs aus beiden Staaten im Rahmen eines friedlichen Dialogs treffen und austauschen.
  3. Gemeinsame Grenzpatrouillen sollen eingerichtet werden.
  4. Die aggressiven Paraden am Grenzübergang von Wagah sollen eingestellt werden. Hier muss Frieden, nicht Feindschaft demonstriert werden.

11. Klimawandel

  1. Beide Länder sollen beginnen, gemeinsame Strategien gegen den Klimawandel zu entwickeln.
  2. Beide Länder sollen bei internationalen Verhandlungen und innerhalb der SAARC zusammenarbeiten.
  3. Gemeinsam soll an klimapolitischen Ansätzen wie Technologietransfer, erneuerbaren Energien, Anpassung und Vermeidung von Klimawandel gearbeitet werden. Indien soll Pakistan dabei helfen, den Ausstoß von CO2 zu verringern und den Export von erneuerbaren Technologien nach Pakistan erleichtern.
  4. Gemeinsam soll zu ökologischen und klimarelevanten Themen geforscht werden.

12. Der Siachen-Gletscher

Der Siachen-Gletscher muss ein Gebiet des Friedens werden; das Militär soll sich von hier vollständig zurückziehen. Dies ist sowohl für die Umwelt, wie auch für das Wohlergehen der Soldaten die beste Lösung.

13. SAARC (Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation)

Die beiden Staaten sollen gemeinsam daran arbeiten die regionale Zusammenarbeit im Rahmen der Charta der SAARC und ihrer Vereinbarungen zu verbessern.

14. Menschenrechte

  1. Fischer, die in Indien und Pakistan inhaftiert sind, sollen freigelassen werden. Die Verhaftung und langfristige Inhaftierung von Fischern, die sich in die Hoheitsgewässer des jeweils anderen Staates verirren, muss beendet werden.
  2. Sämtliche politische Gefangene, die ihre Strafen abgesessen haben, müssen freigelassen werden. Sämtliche Fälle sollen einer Revision unterzogen und alle, die sich auf dem Landweg über die Grenze ins jeweils andere Land verirrt haben, sollen freigelassen werden.
  3. Leben und Besitz von Menschenrechtlern müssen geschützt werden. Alle, die sich im Namen von Sicherheit, Terrorbekämpfung und Krieg der Folter, Vergewaltigung oder Plünderung schuldig gemacht haben, müssen bestraft werden.

15. Gemeinsame indisch-pakistanische Ausschüsse müssen eingerichtet werden zu:

  1. Kaschmir
  2. Hassreden in der Öffentlichkeit
  3. Menschenrechte
  4. Wasserrechte
  5. Gefangene
  6. Militärausgaben
  7. Vertrauensbildende Maßnahmen