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Abstimmung zur Bundeswehr in Afghanistan: Fingerübung fürs Heimatpublikum

Es ist aus der Ferne leicht, das Engagement in Afghanistan und seinen Nutzen kleinzureden, sowohl den militärischen als auch den zivilen Aufbau als eine einzige Geldverschwendung darzustellen. Hier rächt sich die geschönte Darstellung der Bundesregierung in den ersten Jahren, da dadurch die Enttäuschung umso größer wurde, als sich nicht mehr verbergen ließ, dass es letztlich doch nicht so gut läuft. Auch wenn die Perspektiven nicht rosig sind, hofft die afghanische Bevölkerung weiterhin auf eine Zukunft in Sicherheit. Sicherheit nicht nur im militärischen Sinne sondern Verlässlichkeit – funktionierende Institutionen, politische Prozesse, die der Entwicklung des Landes dienen und die dem Einzelnen die Chance geben, sich eine Existenz aufzubauen. Noch können afghanischen Institutionen kein entsprechendes Umfeld gewährleisten. Trotz intensiven Bemühens um Auf- und Ausbau der afghanischen Armee und Polizei hat keine von beiden bislang die Statur, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Es greift jedoch zu kurz, den Effekt des Bundeswehreinsatzes nur in der Zahl von Patrouillen und ausgebildeten Soldaten messen zu wollen. In Mazar-e Sharif zum Beispiel, ist es schon die bloße Präsenz ausländischen Militärs, die lokale Machtkämpfe verhindert. Die relative Ruhe hat dieser Stadt im Norden zur wirtschaftlichen Blüte verholfen, wie viele Afghanen sie sich auch andernorts wünschen würden.

Wer in Afghanistan den Verbleib der deutschen Truppen befürwortet, heißt diesen nicht als Selbstzweck gut. Vielmehr gilt das ausländische Militär in einem volatilen Umfeld als die einzige verlässliche Größe, die Schlimmeres verhindert. Die Angst vor einem möglichen Bürgerkrieg infolge des Abzugs ist greifbar. Natürlich können und sollen militärische Kräfte das politische Vakuum nicht auf Dauer füllen. Ihre Anwesenheit kann jedoch einen zeitlichen Puffer schaffen, der die Stärkung ziviler afghanischer Strukturen ermöglicht.

So wie in Mazar-e Sharif im Windschatten der militärischen Präsenz – und ohne direkte Verbindung dazu – ziviles Leben aufblühen kann, wäre für den Rest des Landes wichtig, ähnliches auf der politischen Ebene anzustreben. Diese wird jedoch in der deutschen Diskussion immer stärker ausgeblendet: Zu kompliziert, zu viele Akteure, und wenig, was sich im Westen gut verkaufen lässt. Afghanistan steckt in einer tiefen innenpolitischen Krise. Seit über einem Jahr ist die Regierung unvollständig, da das Parlament auch in mehreren Anläufen für sieben Ministerien keinen der von Präsident Karzai vorgeschlagenen Kandidaten akzeptiert hat. Im vergangenen Jahr lähmten die Parlamentswahlen und die mit ihnen einhergehende Beeinträchtigung der Sicherheitslage monatelang das politische Geschehen.

Die Schwäche der afghanischen Regierung und ihr beständiges Lavieren haben dazu geführt, dass staatliche Institutionen nicht ernst genommen, ihre Entscheidungen nicht akzeptiert werden. Es sind nicht nur Terroristen und Aufständische, die der Regierung zusetzen und den politischen Fortschritt verhindern. Auch diejenigen, die sich eigentlich im Rahmen des politischen Systems zur Wahl gestellt haben, wenden sich gegen das System, wenn Entscheidungen nicht nach ihren Wünschen ausfallen. Viele der erfolglosen Kandidaten verlassen sich nicht auf die Anrufung der Wahlbeschwerdekommission, sondern verweigern die Anerkennung der amtlichen Ergebnisse und drohen mit Aufstand und Gewalt. Die politischen Versäumnisse der ersten Jahre, in denen dem zivilen Aufbau Afghanistans kaum Beachtung geschenkt wurde, kann man nicht dadurch wieder aufholen, dass man jetzt große Summen in kurzer Zeit darein zu investieren sucht. Wohl aber kann man versuchen, dem zerrütteten Land zu signalisieren, dass man die Errungenschaften der letzten Jahre nicht leichtfertig aufgeben wird.

Doch die Aufmerksamkeitsspanne westlicher Staaten ist kurz, wenn es um Afghanistan geht. Immer wieder kochen kurzzeitig Forderungen nach Korruptionsbekämpfung, politischen Reformen, dem Vorgehen gegen Drogenhandel hoch; meist gefolgt von Beteuerungen der afghanischen Regierung, dem nachzugehen. Dann wächst Gras über die Sache – bis zum nächsten Mal. Dies wird von Seiten engagierter Afghanen mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Wie unlängst der afghanische Journalist Samay schrieb: „Die Menschen in Afghanistan würden bevorzugen, wenn die ausländischen Mächte Afghanistan nicht nur im Rahmen ihrer eigenen Politik benutzen würden.“ Dass es der internationalen Gemeinschaft an einer klaren und den afghanischen Verhältnissen angemessenen Linie fehlt, schwächt die konstruktiven Kräfte im Lande, die sich keiner kohärenten Unterstützung gewiss sein können. Gleichzeitig stärkt es diejenigen, die das System lediglich im Sinne ihrer eigenen Interessen ausnutzen wollen. 

 
 

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