Dass es der neue Präsident der USA nicht leicht haben wird, lag schon bei den Vorwahlen auf der Hand. In den Wahlkampf platzten dann der Georgienkrieg und die Finanzkrise. Während der Übergangsphase verschärft die Kreditkrise die Schwierigkeiten der Industrie. Die sinkende Nachfrage der Konsumenten lässt den Durst der Investoren nach Krediten steigen, um über die Runden zu kommen. Und natürlich kann Präsident Bush das spektakulär in Szene gesetzte Versprechen, bis zum Ende seiner Amtszeit einen Vertrag zwischen Israel und Palästinensern unter Dach und Fach zu bringen, nicht wahr machen.
Wie jeder Präsident hinterlässt George W. Bush ungelöste Probleme. Das ist normal. Er hat die USA aber auch außergewöhnlich tief in Sackgassen geführt. Da wieder heraus zu kommen wird schwierig. Die USA stecken in der Sackgasse einer verfehlten außenpolitischen Konzeption (einzig verbliebene Supermacht/unipolare Welt), einer verkehrten Strategie (Krieg gegen den Terror) und laufen Gefahr, den Karren in einzelnen Fragen wie der Iranpolitik oder mit der Absicht einer linearen Osterweiterung der NATO zielstrebig an die Wand zu fahren.
Fehlkonzeption und Fehlreaktion
Die Außenpolitik der USA, manchmal des Westens insgesamt, hat das Durcheinander, in das die Welt mit dem Ende der Blockordnung hineinstolperte, in den letzten Jahren vergrößert, statt es zu ordnen. Die politischen Auguren der USA hatten aus dem Ende der Blockordnung teilweise schon sehr früh falsche Schlüsse gezogen. Warum sollte, wenn eine Supermacht entfällt, nicht die andere, einzig verbliebene Supermacht allein eine Ordnung herstellen, wie sie durch den Blockmechanismus garantiert war? Eine bessere natürlich! Die unipolare Ordnungsvorstellung führte konzeptionell in die Sackgasse.
Auf den Einbruch der außerstaatlichen Gewalt mit den Terroranschlägen in New York und Washington hat die Bush-Regierung dann mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Selbstüberschätzung geantwortet: Die einzig verbliebene Supermacht schien mit dem Krieg gegen den Terror den Weg gefunden zu haben, um die globalisierte Welt aus der unübersichtlichen Situation herauszuführen und endlich Ordnung zu schaffen. Condoleezza Rice sprach damals von der verlorenen Zeit seit 1989 und meinte, die Anschläge „kapitalisieren“ zu können. Doch diese Überlegungen führten strategisch in die Sackgasse und erst richtig in den Schlamassel.
Wer sich nicht eindeutig auf die Seite der USA schlug, machte sich zumindest verdächtig oder wurde gleich zum Feind erklärt. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes, das Al Qaida in Afghanistan Ausbildungslager und Rückzugsräume geboten hatte, wurden mit der „Achse des Bösen“ die nächsten strategischen Ziele bezeichnet und der Krieg gegen den Terror nach Phasen eingeteilt. Der Angriff auf den Irak und der Sturz Saddam Husseins wurden zur zweiten Phase des Krieges gegen den Terror erklärt. Man konnte also an den Fingern abzählen, wann die dritte und vierte Phase eröffnet würde.
Doch es kam anders und zu keinem Durchmarsch. Nordkorea konnte nicht, wie der Irak, aus seinem strategischen Umfeld herausgelöst und isoliert unter militärischen Druck gesetzt werden. Sein Programm der Atombombenrüstung wurde zum Gegenstand regionaler Verhandlungen, in denen der entscheidende Einfluss Chinas einseitigen Schritten der USA Grenzen zog. Der Iran aber war durch die Kriege in Afghanistan und im Irak in eine neue, unerwartet starke Position gehoben worden. In beiden Nachbarländern hätte er die Schwierigkeiten der fremden Truppen erheblich vergrößern können. Mit dem Einmarsch im Irak hatten die USA den gefährlichen Rivalen des Iran ausgeschaltet und sich selbst in ein lang anhaltendes und kostspieliges, militärisches Abenteuer verstrickt. Die dritte und vierte Phase mussten also aus dem Drehbuch des Krieges gegen den Terror gestrichen werden.
Inzwischen zeigt sich, dass sogar die „erste Phase“, also die Sicherung eines selbständigen Afghanistan gegen einen Wiederaufstieg der Taliban, vom Scheitern bedroht ist. Die wichtigste Ursache dafür ist, dass nie ausreichende Mittel, Truppen und ziviles Personal für diese Aufgabe bereit standen. Die USA hatten im Irak sehr schnell Wichtigeres zu tun und bestanden doch immer auf ihrer Rolle, letztlich allein über das richtige Vorgehen zu entscheiden. So hat sich der „Krieg gegen den Terror“ militärisch in Afghanistan und im Irak festgebissen. Gegen die diffuse Bedrohung durch islamistische Netze, deren Akteure auch zu Terror greifen, wird jetzt vor allem mit geheimdienstlichen, polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln, also gerade nicht wie im Krieg, vorgegangen. Es gab schon 2001 genügend Stimmen, die dazu rieten, hierauf den Schwerpunkt bei der Bekämpfung des terroristischen Islamismus zu legen.
Fehlgesteuerte Iranpolitik
Als strategisches Vorhaben analog zum Kalten Krieg die Ordnungsmacht der USA zu stärken und global zur Geltung zu bringen, ist der „Krieg gegen den Terror“ gescheitert. Ganz abgesehen von Guantanamo und dem verheerenden Ansehensverlust der USA in der Welt wird eine ganze Reihe von Konflikten aber immer noch in seinem Zeichen ausgetragen und dadurch unlösbar. Die konzeptionellen und strategischen Sackgassen führten so auch in einzelnen Konflikten in die Sackgasse. In einer solchen Sackgasse stecken die Bemühungen, den Iran von seinem Atomprogramm abzubringen.
Als strategische Richtschnur ist die Achse des Bösen aus der Mode gekommen. Aber der Iran wird immer noch als Inkarnation des Bösen betrachtet und auch so behandelt. Seine Zuspitzung findet dieser abgespaltete und übrig gebliebene Teilkampf aus der Grand Strategy des Krieges gegen den Terror in der Auseinandersetzung um die Urananreicherung. Von Seiten des Iran ist sie eine Statusfrage. Verzichtete er auf das Recht zur Anreicherung, würde er aus seiner Sicht sich selbst in die Rolle des Schurkenstaates fügen, zu dem ihn die USA erklärt haben. Die Anreicherung von Atom ist bekanntlich durch den Atomwaffensperrvertrag nicht ausgeschlossen. Verboten ist die Herstellung von Atomwaffen. Der Iran behauptet, sein Anreicherungsprogramm diene ausschließlich der friedlichen Nutzung der Atomenergie und an ihm festzuhalten sei sein souveränes Recht. Für die Gegner des iranischen Atomprogramms geht es auch um eine Statusfrage: dem Iran in keinem Fall den Status einer zukünftigen Atommacht, also einer Macht mit der Bombe, zu ermöglichen. Eigentlich müsste es in diesen asymmetrischen Statusfragen zu keinem unlösbaren Konflikt kommen: Der Iran könnte eine Begrenzung und strenge Kontrolle seines Anreicherungsprogramms zugestehen und die andere Seite, also die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates plus Deutschland könnten auf die Forderung nach einer bedingungslosen Einstellung des Anreicherungsprogramms verzichten.
Ein solcher Kompromiss setzte ein Mindestmaß von gegenseitigem Vertrauen voraus: Der Iran müsste sehen können, dass ihm kein Kainsmal auf die Stirn gedrückt werden soll, während umgekehrt aus dem iranischen Anreicherungsprogramm nicht eo ipso auf die Absicht der Atombewaffnung geschlossen werden dürfte, weil dem Iran eben grundsätzlich nicht zu trauen sei.
Für den Iran hatte es einen gewissen Sinn mit einer Atomrüstung zu liebäugeln, solange er sich mit dem Irak einem Rivalen gegenüber sah, der seinerseits eine Atomrüstung anstrebte. Mit dem wichtigen Unterschied, dass beide Staaten dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten sind, folgten ihre atomaren Bestrebungen der gleichen Abschreckungslogik wie die Atomprogramme Indiens und Pakistans. Sie waren zwar illegal und hoch gefährlich, aber nicht unlogisch. Sie wären auf ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen schwer berechenbaren Feinden, einen Kalten Krieg im regionalen Maßstab mit vielleicht katastrophalen Folgen hinaus gelaufen.
Tatsächlich hat das jetzige Regime im Iran sich auf dieses Abenteuer nie in der gleichen Konsequenz eingelassen wie der Schah während seiner Herrschaft und mit Duldung der USA und des Westens. Inzwischen hat eine Atomrüstung für den Iran jede Logik verloren. Den Feind, auf den sie zugeschnitten gewesen wäre, gibt es nicht mehr. Regional hat der Iran keinen Nachbarn zu fürchten. Auf die USA, von deren Stützpunkten sich der Iran eingekreist sieht, hätte eine Atombewaffnung keine abschreckende Wirkung. Wie auf Seiten Israels erhöhte sie bei den USA nur die Neigung zu Präventivschlägen, gefährdete den Iran also eher als ihn zu sichern. Um als Regionalmacht ernst genommen zu werden, braucht der Iran keine Atomrüstung. Allein schon sein aktuelles Störpotential, seine Erdöl- und Gasvorkommen sowie seine noch weitgehend ungenutzten Möglichkeiten etwa durch den vergleichsweise hohen Ausbildungsstandard zur Entwicklung der Region beizutragen, verschaffen dem Iran eine herausragende Stellung.
Spricht so politisch alles gegen eine Aromrüstung, so liegt in dem Eskalationsmechanismus des Statuskonflikts doch ein Antrieb, auf der einen Seite die Anreicherung unbegrenzt weiterzuführen und sie von der anderen Seite im Zweifel gewaltsam zu unterbinden. Vielleicht lässt sich aus diesem gefährlichen Mechanismus nur durch eine vermittelnde Regionalmacht herausfinden. Die Türkei hätte das Zeug, sich an dieser Aufgabe zu versuchen.
Umsteuern unter Schwierigkeiten
Es mag sich für die USA mit dem neuen Präsidenten vieles ändern, sie bleiben doch derselbe Staat. Immer noch muss er sich in der globalisierten Welt zurechtfinden. Um also im Bild der Sackgasse zu bleiben: Barack Obama sitzt im gleichen Wagen, in dem bisher George W. Bush am Steuer saß. Im Wagen sitzen die gleichen Leute wie zuvor. Barack Obama übernimmt das Steuer, während der Wagen noch in die alte Richtung fährt und weiß doch schon lange, dass er, wenn er nicht wendet, gegen die Wand fahren oder im Morast landen wird. Im Rückspiegel muss er schauen, ob welche hinter ihm in der bisherigen Richtung überholen wollen. Kommen ihm welche entgegen, die früher gemerkt haben, dass es so nicht weitergeht? Bei der Wende darf der Wagen nicht ins Schleudern kommen. Der neue Präsident wird manövrieren müssen, wenn er seinen eigenen Kurs einschlägt.
Die Aufgabe ist schon im Bild ziemlich kompliziert, doch ist das Bild zu einfach. Ein Wagen kann immer nur in einer Sackgasse stecken. Die Außenpolitik eines Landes kann gleichzeitig in mehrere Sackgassen geraten. Das ist der Außenpolitik der USA passiert. Und die EU steckt meist mit drin. Vorteilhaft ist das für niemand.
Literatur zur Iranpolitik:
Christoph Bertram, Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik, Hamburg (edition Körber-Stiftung) 2008
Bernd W. Kubbig, Die Iran-Politik der Regierung Bush ab 2005, HSFK-Report 5/2008
Volker Bertram, Iran – Eine politische Herausforderung, Frankfurt am Main (edition suhrkamp) 2008
*In seiner monatlichen Kolumne vertritt Joscha Schmierer seine persönliche Meinung. Diese muss nicht immer und unbedingt der Meinung der Heinrich-Böll-Stiftung entsprechen.
- Sämtliche Beiträge zum „Diary of Change“ - Ein Tagebuch zum Wechsel in Washington
- 23.2.09 - Sebastian Gräfe: Guantanamo zu, alles gut? Von der Ankunft in der Realität
- 22.2.09 - Liane Schalatek: Die Immobilienkrise in Washingtons Vorstädten: politische Schwarzweißmalerei mit Grautönen
- 21.2.09 - Bernd Herrmann: Richmond, Virginia: Im Süden was Neues
- 20.2.09 - Andrea Fischer: Die ewige Krise des amerikanischen Rentensystems
- 19.2.09 - Bernd Herrmann: Michigan: Kann der Rostgürtel recycelt werden?
- 18.2.09 - Andrea Fischer: Carmaker’s nightmare continues – die Autoindustrie ganz unten
- 17.2.09 - Andrea Fischer: Next step ahead – health care reform
- 16.2.09 - Andrea Fischer: Presidents’ day – celebrating Obama
- 15.2.09 - Andrea Fischer: Bipartisanship – ein weltweiter Hit, kleingekocht
- 14.2.09 - Liane Schalatek: „My Funny Valentine"— Obamas kurze Liebesaffäre mit der neuen "Postparteilichkeit"
- 13.2.09 - Andrea Fischer: Eine realistische Chance
- 11.2.09 - Robert Habeck: Der Präsident als Bürger. Kleine Ikonografie der Obama-Rhetorik
- 10.2.09 - Robert Habeck: Mit voller Kraft ins Unbekannte
- 9.2.09 - Robert Habeck: Selbsterfüllende Prophezeiungen. Ein Kaffeegespräch
- 8.2.09 - Robert Habeck: Obama, ein sehr amerikanischer Präsident
- 7.2.09 - Robert Habeck: Das andere Washington: Anacostia
- 6.2.09 - Robert Habeck: Das Werkzeug der Manipulation
- 5.2.09 - Robert Habeck: Tom daschelt Obama
- 4.2.09 - Marcia Pally: Erlöser oder Präsident? Obamas Alternativen
- 3.2.09 - Marcia Pally: Die ungestellten Fragen zur US-Innen- und Außenpolitik
- 2.2.09 - Marcia Pally: Obama: Breaking news vom Wochenende
- 1.2.09 - Marcia Pally: Obama und die „Neuen Evangelikalen“
- 31.1.09 - Marcia Pally: Bildungsmisere bei den Republikanern
- 30.1.09 - Marcia Pally: Ausgewogenheit und Hermeneutik im Nahen Osten
- 29.1.09 - Marcia Pally: Die Wiederherstellung des Glaubens
- 28.1.09 - Michael Werz: Krise ohne Ende - das 20. Jahrhundert als Hypothek
- 27.1.09 - Michael Werz im Gespräch mit dem neokonservativen Publizisten Gary Schmitt
- 26.1.09 - Liane Schalatek: „Purpose“ statt „Purchase“- Obama versucht die Transformation der US-Gesellschaft vom Konsumismus zum Kommunitarismus
- 26.1.09 - Michael Werz: „So wahr mir Gott helfe“ - Obama interpretiert die Unabhängigkeitserklärung neu
- 24.1.09 - Michael Werz im Gespräch mit dem Historiker David Hollinger
- 23.1.09 - Michael Werz: Außenpolitik und Krieg: Ist Barack Obama ein „Obamacon“?
- 22.1.09 - Michael Werz: Barack Obama und die Erbschaft Abraham Lincolns
- 22.1.09 - Reinhard Bütikofer: Wie stark ist Obamas Mehrheit
- 21.1.09 - Reinhard Bütikofer: A Defining Moment - Barack Obamas Antrittsrede
- 19.1.09 - Reinhard Bütikofer: Ein politischer Feldgottesdienst ...
- 18.1.09 - Reinhard Bütikofer: „Ich hoffe das auch.“
- Ralf Fücks: Diary of Change: Ein Tagebuch zum Wechsel in Washington
- Dossier: Barack Obama - Im Westen was Neues