Anne-Klein-Frauenpreis 2013 an Lepa Mlađenović


Liebe Freundinnen und Freunde von Anne Klein,
liebe Lepa Mlađenović,
liebe Monika Hauser,
liebe Barbara Binek,
liebe Gäste,

Barack Obama ist nicht nur der erste schwarze Präsident in der Geschichte der USA, er ist auch der erste US-Präsident, der in seiner Vereidigungsrede für die zweite Amtsperiode das Wort „gay" in den Mund nahm. Und er betonte, dass die Reise der US-Amerikaner, die mit den Pionieren begann, erst vollendet sein wird, wenn die homosexuellen Brüder und Schwestern rechtlich gleichgestellt sind.

Gute Nachrichten für Schwulen- und Lesbenrechte auch aus Europa: Anfang Februar stimmte das britische Parlament für ein Gesetz, das die gleichgeschlechtliche Ehe – zivil als auch kirchlich (!) – erlaubt. Dafür gab es im Parlament eine Mehrheit von 400 zu 175 Stimmen. Zustimmen muss nun nur noch das Oberhaus.

Frankreichs Nationalversammlung hat über 100 Stunden gestritten. Schließlich hat die französische Nationalversammlung im Februar grünes Licht für die gleichgeschlechtliche Ehe und das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare gegeben. Auch hier braucht es noch die Zustimmung durch den Senat.

Und in Deutschland ist – wieder einmal – das Bundesverfassungsgericht der Motor, wenn es unter dem Grundsatz der Gleichstellung das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften von der Politik einfordert. Und es gibt noch weitere positive Nachrichten: Für viele weit weniger bekannt, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg angekündigt, dass schwule und lesbische Asylbewerber und Asylbewerberinnen, die in ihrer Heimat mit homophober Verfolgung rechnen müssen, künftig nicht mehr mit der Begründung abgewiesen werden, sie könnten doch in ihren Herkunftsländern ihre sexuelle Identität verbergen.

Endlich. All das sind gute Nachrichten, über die sich Anne Klein, die morgen 63 Jahre alt geworden wäre und zu deren Ehren wir uns heute hier versammeln, sehr gefreut hätte.

Dennoch: Viel zu viele Menschen an viel zu vielen Orten dieser Welt werden wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentitäten verfolgt, diskriminiert und kriminalisiert. Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt deshalb in vielen Ländern wie in Russland, im Libanon, in Südafrika, in der Türkei, in Georgien – mal lauter, mal leise – Menschen und Projekte, die sich gegen Kriminalisierung und Diskriminierung einsetzen und praktische Solidarität ausüben.

Unsere diesjährige Preisträgerin des Anne-Klein-Frauenpreises, Lepa Mlađenović, kann darüber sehr viel erzählen. Sie weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, als Lesbe stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Und sie weiß viel darüber zu sagen, dass der politische Kampf für gleiche Rechte von Schwulen, Lesben, Transgender und Intersex* Menschen ein harter, aber alternativloser Kampf ist, der manchmal auch erfolgreich sein kann.

Es sind die unerschrockenen und kompromisslosen Aktivistinnen und Aktivisten, die – leider nicht selten unter Einsatz ihres Lebens – gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Wandel einleiten.

Auch Anne Klein zählt zu diesen mutigen Pionierinnen. Sie war eine Kämpferin für Frauenrechte und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Die heterosexuellen Gesellschaftsnormen und Machtverhältnisse wollte sie nicht hinnehmen. Sie wollte verändern. Und sie wusste, dass gesellschaftliche Veränderung durch politische Bewegung und Druck auch von unten kommt. Sie hatte großen Anteil.

Auch nach ihrem Tod unterstützt sie Veränderungen. Sie hat uns den wunderbaren Anne-Klein-Frauenpreis geschenkt, mit dem die Heinrich-Böll-Stiftung hier und heute Frauen würdigen, politisch sichtbar machen und mit dem Preisgeld auch ganz konkret finanziell unterstützen kann.

Ihr Anliegen ist mit der 1. Anne-Klein- Frauenpreisträgerin, Dr. Nivedita Prasad, die es sehr bedauert, heute nicht bei uns zu sein – voll und ganz aufgegangen!

Nivedita Prasad engagiert sich seit vielen Jahren für Frauen- und Menschenrechte. Sie prangert Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen an und streitet für Strafverfolgung und Rechtsetzung. Und sie kämpft gegen Rassismus und vor allem gegen Gewalt gegen Migrantinnen. Sie ist eine ganz tolle Frau, mit der es große Freude macht zusammenzuarbeiten.

Erlauben Sie mir ganz kurz zu erzählen, wie es Nivedita Prasad mit dem Preis ergangen ist. Ich zitiere sie:

„Was unfassbar war, war mitzubekommen, wie weit sich die Nachricht über den Preis verbreitet hat und dadurch „meine" Themen noch mehr diskutiert bzw. gehört wurden. Die konkreteste Änderung: das Auswärtige Amt hat im Herbst folgendes umgesetzt: Hausangestellte von Diplomat_innen müssen jetzt einmal im Jahr zum Auswärtigen Amt, um ihre Ausweise zu verlängern – d.h. es gibt einen zwingenden Kontakt zu einer Behörde – und es gab erstmalig im November 2012 eine Infoveranstaltung des Auswärtigen Amtes für Hausangestellte von Diplomat_innen. Beides fordere ich seit JAHREN; ich bin mir sicher, dass die Aufmerksamkeit durch den Preis und Herr Löning, der Beauftragte für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe der Bundesregierung, hier sehr viel dazu beigetragen haben.“

Es freut uns, dass der Preis Anne Kleins – ganz in ihrem Sinne – diese Früchte trägt.

Nun will ich endlich die diesjährige Preisträgerin, Lepa Mlađenović, im Namen der Jury – der Renate Künast, Michaele Schreyer, Jutta Wagner, Thomas Herrendorf und ich angehören –, würdigen.

Lepa Mlađenović ist eine in Serbien lebende Intellektuelle und Aktivistin, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzt. Sie kämpft insbesondere für Frauenrechte und setzt sich für die Rechte der Menschen ein, deren sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität nicht den Mehrheitsnormen entspricht.

Sie kämpft gegen Gewalt und Militarismus und für Freiheit, Menschenrechte und sexuelle Selbstbestimmung. Sie tut dies als Aktivistin und Mitbegründerin vieler Organisationen und Netzwerke, darunter die Friedensorganisation „Frauen in Schwarz Belgrad“, die vielen von ihnen bekannt ist, oder den Organisationen Arkadia und Labris, die sich für Lesbenrechte einsetzen.

Durch ihren unermüdlichen und furchtlosen politischen Einsatz ist sie Inspiration für unzählige Mitstreiterinnen in Serbien, auf dem Balkan und weltweit.

Wir werden in der Laudatio von Monika Hauser über das Wirken von Lepa Mlađenović Konkreteres erfahren.

Nur noch so viel: Unsere ganze Unterstützung und Bewunderung gilt Lepa Mlađenović. Homophobie ist in Serbien keine Ausnahme. Laut einer in Serbien durchgeführten Umfrage äußerten sich 68 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger negativ zu den LGBTI-Paraden. 62 Prozent der Befragten glauben nicht, dass die sexuellen Minderheiten ebenso wie andere Minderheitengruppen vom Staat in Schutz genommen werden sollen. Gut ein Viertel der befragten Bürgerinnen und Bürger Serbiens halten die Homosexualität für eine Krankheit.

Und sie alle erinnern sich vielleicht an die LGBTI-Pride, die 2010 in Serbien nur unter widrigen Umständen – einem großem Polizeieinsatz und gewaltsamen Krawallen nationalistischer Gruppen – stattfinden konnte. Dass sie dann doch durch Belgrads Straßen ziehen konnte, ist auch der Arbeit und dem Einsatz von Lepa Mlađenović zu verdanken. Seither wird die Parade regelmäßig verboten, zum „Schutz“ der Veranstaltenden. Auch wieder im vergangenen Jahr. Sich gegen Homophobie zu wehren, kann gefährlich sein.

Das ist das Umfeld, in dem Lepa Mlađenović als offen bekennende Lesbe politisch handelt, Netzwerke gründet, berät, forscht, schreibt und sich solidarisiert – nicht nur in Serbien, sondern auf dem Balkan und weltweit.

Wir wollen mit dem Anne-Klein-Frauenpreis für Lepa Mlađenović ein kräftiges politisches Signal gegen Homophobie in Serbien und vielen anderen Ländern der Welt setzen und nicht nur heute solidarisch mit ihr und ihren vielen Mitstreiter_innen sein. Unser Büro in Belgrad wird auch in Zukunft an der Seite von Lepa Mlađenović stehen und ihre Anliegen so gut wie möglich unterstützen.

Liebe Lepa Mlađenović, davon ist die Jury des Anne-Klein-Frauenpreises zutiefst überzeugt: Du bist eine Frau, die Mut macht. Du bist ein Vorbild für viele Aktivistinnen, die sich gegen sexualisierte Gewalt, für den Frieden und für Frauen-, Lesben- und Menschenrechte einsetzen.

Es ist uns eine Ehre, dass du unsere 2. Preisträgerin bist. Der Preis möge dich in deiner Arbeit weiter beflügeln und ermutigen.


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Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.