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Die Nahost-Konferenz von Annapolis – Grundstein für einen fragilen Friedensprozess

8. August 2008
Patrick Müller
Von Patrick Müller

50 Staaten und internationale Organisationen, darunter die Vertreter von 16 arabischen Staaten, kamen zur Nahost-Konferenz in Annapolis zusammen. Das eindrucksvolle Teilnehmerfeld signalisierte eine breite internationale Unterstützung für die Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten. Besonders wichtig war die bis zuletzt ungewisse Teilnahme Syriens, dem eine Schlüsselrolle bei der Lösung zentraler Fragen des israelisch-arabischen Konflikts zukommt.Dass US-Präsident George W. Bush gleich zu Beginn der Annapolis-Konferenz den Text einer israelisch-palästinensischen Übereinkunft über die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen präsentieren konnte, war ein weiterer öffentlichkeitswirksamer Erfolg. Letztlich wird die Bedeutung der Annapolis-Konferenz jedoch daran zu messen sein, ob sie einen wesentlichen Beitrag zur friedlichen Konfliktregulierung in Nahost leisten konnte. Angesichts der großen Heraussausforderungen vor denen die Verhandlungsparteien stehen, ist es jedoch überaus fraglich, ob die in Annapolis skizzierte Konfliktregulierungsstrategie zum Erfolg führen wird.

Der in Annapolis initiierte Friedensprozess beruht auf zwei zentralen Elementen. Zum einen soll es Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien geben, die bis 2008 zu einem Friedensabkommen auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung führen sollen. Zum zweiten haben sich die Konfliktparteien darauf geeinigt, dass die Implementierung des angestrebten Friedensabkommens erst nach der Verwirklichung verschiedener Friedensschaffender Maßnahmen, die in dem Road Map Friedensplan von 2003 vorgesehen sind, erfolgen soll.

Dass Israel und die Palästinenser erstmals seit den gescheiterten Endstatus-Verhandlungen vor sieben Jahren wieder Gespräche über substantielle Fragen des Nahost-Konfliktes führen wollen, ist sicherlich das wichtigste Ergebnis von Annapolis. Bisher wurde jedoch kein konkreter Zeitplan für die einzelnen Verhandlungsschritte festgelegt. Stattdessen hat man sich auf ein Lenkungskomitee geeinigt, das einen Arbeitsplan für die geplanten Verhandlungen entwickeln soll. Kritisch ist zudem anzumerken, dass sich die Konfliktparteien bislang nicht auf einen Bezugsrahmen für Verhandlungen über den endgültigen Status einigen konnten. In den Endstatus-Verhandlungen in Camp David (Juli 2000) und Taba (Januar 2001) haben sich die Positionen Israels und der Palästinenser zu zentralen Konfliktfragen wie Grenzen und Jerusalem bereits angenähert. Es ist wichtig an den Kompromissen der Vergangenheit anzuknüpfen und mit den Verhandlungen nicht wieder bei null zu beginnen. Auch die UN-Resolutionen zum Nahost-Konflikt gilt es zu berücksichtigen. Schließlich kann ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern nur Frieden schaffen, wenn es die legitimen Interessen und Rechte beider Seiten respektiert, wie dies etwa der inoffiziellen Genfer-Friedensinitiative (Dezember 2003) gelungen ist.

Die Aushandlung eines Friedensabkommens stellt die politische Führung beider Seiten vor gewaltige Herausforderungen. Gerade angesichts der innenpolitischen Schwäche der israelischen und der palästinensischen Führung ist davon auszugehen, dass ohne die aktive Vermittlung einer dritten Partei kaum mit einem Durchbruch in den wesentlichen Streitfragen zu rechnen ist. Dass US-Präsident George W. Bush in Annapolis erklärt hat, die Aufgabe der USA und anderer internationaler Akteure sei es vor allem die bilateralen israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen zu fördern, scheint nicht ausreichend. Stattdessen ist eine starke Vermittlungsrolle der internationalen Gemeinschaft gefragt, die etwa vom Nahost-Quartett – bestehend aus den UN, den USA, der EU und Russland – unter der Führung der USA wahrgenommen werden könnte. Das Nahost-Quartett sollte dem Friedensprozess von außen immer wieder Impulse gegeben. Es könnte etwa „Bridging-Proposals“ vorlegen, sobald die Verhandlungen ins Stocken geraten. Problematisch ist auch, dass die Friedensverhandlungen auf Israel und die Palästinenser beschränkt sind und Staaten wie Syrien außen vor bleiben.

Neben der Aushandlung eines Friedensabkommens stellt die Umsetzung von Friedensschaffenden Maßnahmen die zweite zentrale Herausforderung für den Friedensprozess dar. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Annapolis auf die in der ersten Road Map Phase vorgesehenen Schritte Bezug nimmt. Damit ist Israel verpflichtet seinen Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten einzufrieren. Gleichzeitig sind die Palästinenser angehalten, wirkungsvoll gegen terroristische Gewalt vorzugehen. Die in Annapolis skizzierten Modalitäten zur Konfliktregulierung geben jedoch auch Anlass zur Sorge, dass sich bald wieder altbekannte Implementierungsprobleme einstellen. Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse in den palästinensischen Gebieten ist es etwa unrealistisch zu erwarten, dass die palästinensische Regierung eine zügige Verbesserung der Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten durchsetzten kann. Seit Juni 2007 hat die Hamas de facto die Kontrolle über den Gaza-Streifen übernommen und auch im Westjordanland ist die Problemlösungsfähigkeit der von Präsident Mahmud Abbas gebildete Regierung, in der Vertreter der Fatah-Partei die Mehrheit stellen, begrenzt. Um Extremismus und gewaltbereiten Gruppen in den palästinensischen Gebieten wirkungsvoll zu begegnen, ist eine umfassende Strategie nötig. Besonders wichtig sind hierbei Maßnahmen, die darauf zielen die Lebenssituation der Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen entschieden und nachhaltig zu verbessern. Nur so können die moderaten Kräfte in den palästinensischen Gebieten dauerhaft gestärkt werden.

Grundsätzlich positiv zu bewerten ist, dass sich die Parteien in Annapolis auf eine Kontrollinstanz geeinigt haben, die über die Umsetzung der Road Map-Verpflichtungen wachen soll. Während im Road Map-Prozess dafür jedoch noch das Nahost-Quartett vorgesehen war, wurde diese multilaterale Einrichtung in Annapolis mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen soll ein israelisch-palästinensisches Gremium unter der Leitung der USA diese Funktion übernehmen. Diese Rollenaufteilung unterstreicht den amerikanischen Führungsanspruch im post-Annapolis Prozess. Die EU, die in den letzten Jahren etwas an Profil in der Region gewonnen hat, zieht sich hingegen wieder weitgehend auf wirtschaftliche und entwicklungspolitische Maßnahmen zurück. Anstatt sich selbst stärker in den diplomatischen Prozess einzubringen scheint man in Europa lieber darauf zu vertrauen, dass sich US-Präsident George W. Bush in seinem letzten Amtsjahr voll auf die Lösung des Nahost-Konflikts konzentriert.

Dossier

Nahostkonferenz Annapolis

Die Nahostkonferenz am 27. November 2007 in Annapolis war ein weiterer Versuch, einen Weg zu einer gerechte Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und Palästina zu finden. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat Autoren und Autorinnen aus der Region, aus Deutschland und den USA um ihre Einschätzung gebeten.